Neue Biere von gleich jenseits der deutschen Grenze
„Ich würd dir gern unser aktuelles Hausbier-Sortiment und passende Gläser dazu zuschicken“, heißt es in einer netten eMail der Stiegl Privatbrauerei aus Salzburg.
Soll ich zu so einem Angebot etwa nein sagen?
Natürlich nicht!
Schnell sind die Adressen ausgetauscht und die Modalitäten geklärt, und ein paar Tage später ist das Paket auch schon angekommen. Zwei schöne Gläser und vier Flaschen frisch abgefülltes Hausbier der Stiegl Privatbrauerei. Wie schön!
Bier frisch aus der Brauerei
Bei genauerem Hinsehen stelle ich allerdings fest: Es sind nur zwei verschiedene Biere, die dafür jeweils doppelt. „War das so Absicht? Es war doch die Rede von vier Hausbieren?“, frage ich höflich in Salzburg nach.
„Oh, je, das war dann wohl ein Packfehler“, kommt blitzschnell die Antwort, und genauso blitzschnell kommt nach wenigen Tagen ein zweites Paket – nun mit den noch fehlenden beiden Bieren.
Und – mir gehen die Augen über – auch mit zwei Spezialbieren aus dem Stiegl-Gut Wildshut. Absolute Edelbiere! Ich bin begeistert!
So umfassen die Verkostungsnotizen denn auch insgesamt sechs verschiedene Biere – eines besser als das andere!
Verkostungsnotizen
Hopfen Lager – Hoppy Hell & Schneeweisschen und Orangenrot – Wit
Stiegl Hausbier Nr. 55 – Hopfen Lager – Hoppy Hell (5,1%)
Das Bier hat eine schöne, hellgelbe Farbe, eine leichte und sehr gleichmäßige Trübung und trägt einen schönen, schneeweißen und feinporigen Schaum.
Der dezente Zitrusduft steigt mir schon beim Einschenken in die Nase, ohne dabei jedoch zu dominant zu werden. Nach dem Einschenken wird er im Hintergrund begleitet von feinen Heuaromen.
Der Antrunk ist frisch, ohne wirklich spritzig zu sein – die Rezens hält sich durchaus zurück. Auf der Zunge macht sich eine schlanke, nicht zu intensive Hopfenbittere breit. Das Bier wirkt trocken, ohne dass es gleich adstringierend oder gar kratzig wird. Retronasal sind die Heuaromen jetzt ein bisschen kräftiger, während sich die Zitrusnoten eher zurücknehmen. Die Restsüße ist sehr gering.
Nach dem Schluck bleibt die Bittere nur für einen kurzen Moment als Bittere spürbar; auch die Aromen klingen recht rasch ab. Was bleibt, ist allerdings ein feines Gefühl milder Trockenheit auf den Schleimhäuten im Rachen, so dass der Durst auf den nächsten Schluck erhalten bleibt.
Prädikat: Höchste Durchtrinkbarkeit. Ein Bier für den großen, durstigen Schluck am Ende eines Arbeitstags.
Stiegl Hausbier Nr. 36 – Schneeweisschen und Orangenrot – Wit (5,0%)
Dunkelgelb und kräftig trüb steht das Bier im Glas; darüber eine feinporige, kremige und altweiße Schaumdecke, die sehr lange hält.
Der Nase präsentiert dieses Bier eine leicht phenolische Duftnote, deren Gewürz-Akzente mich zunächst nicht an ein Wit, sondern eher an ein Saison denken lassen. Rasch kommen dahinter aber feine Orangenschalennoten hervor.
Der Antrunk ist sehr spritzig (das erklärt auch, warum der Schaum so lange hält, er wird ja ständig von neuen Kohlensäurebläschen genährt …) und frisch.
Auf der Zunge bizzelt das Bier noch ein wenig und präsentiert sich im ersten Moment kohlensäurescharf, dann aber macht sich eine feine Bittere zunächst an den Zungenrändern bemerkbar und breitet sich anschließend auf allen Schleimhäuten aus. Gleichzeitig kommen feine, zitronige Aromen retronasal hervor, die mit ihrem dezent an Badezusatz erinnerndem Charakter wohl von Koriandersamen kommen. Das Etikett spricht nur von Gewürzen, aber es sind Orangenschalen und kleine Körner stilisiert abgebildet – letztere könnten durchaus Koriandersamen sein.
Die Frische bleibt bis über den Schluck hinweg erhalten, und jetzt wird auch deutlich: Es ist wohl wirklich Koriander. Ein leicht viskoses, seifig (nicht im unangenehmen Sinne) wirkendes Gefühl (vielleicht nennen wir es mal kremig) auf der Zunge und im Rachen deutet ebenfalls darauf hin.
Ein sehr ansprechendes Sommerbier, dem es gelingt, die Balance zwischen würzigen Phenolen, spritzigen Zitrusnoten und einer feinen Bittere zu halten, ohne dass eine der drei Dimensionen die Überhand gewinnt – speziell mit dem Koriander passiert das nämlich leider ab und an mal.
Auch hier gilt: Sehr hohe Durchtrinkbarkeit!
Gipfelstürmer – Hopfige Dinkel-Weisse & Ginder – Gin-Style India Pale Ale
Stiegl Hausbier Nr. 37 – Gipfelstürmer – Hopfige Dinkel-Weisse (5,2%)
Das Bier ist kräftig gelb, deutlich (und gleichmäßig) trüb und trägt eine sehr üppige Schaumkrone, die nur ganz langsam zerfällt und dabei dann schöne Ränder hinterlässt.
Der Duft weist einerseits typische Weissbieraromen auf (Gewürznelke, 4-Vinyl-Gujakol), andererseits aber auch ein paar herb-fruchtige Noten, wie sie für fruchtige Hopfensorten typisch sind. Letztere klingen allerdings rasch ab und werden dann von den Weissbieraromen dominiert.
Der Antrunk ist spritzig frisch und hat fast schon eine feine, pfeffrige Schärfe. Auf der Zunge machen sich jetzt eher ins Bananige gehende Weissbieraromen (Isoamylacetat) breit, die von einer kernigen, fast nussig wirkenden Grundnote begleitet werden. Alles zusammen ergibt eine erfrischende, trotzdem aber vollmundige Mischung.
Nach dem Schluck wird es etwas herber und hopfiger. Eine angenehme, kräuterige und leicht fruchtige Bittere und feine Pampelmusenschalennoten werden spürbar.
Ein schöner Sommerdrink, aber aufgrund seiner Kernigkeit vielleicht eher etwas zum Tagesausklang als während des Sonnenhöchststands.
Stiegl Hausbier Nr. 49 – Ginder – Gin-Style India Pale Ale (5,8%)
Die Farbe dieses kräftig und gleichmäßig trüben Biers ist jetzt nicht so hundertprozentig ansprechend – das Gelb wirkt ein bisschen fahl und graustichig. Der Schaum hingegen ist schneeweiß (und ohne Graustich, wirkt also im direkten Vergleich wie frisch mit Dash oder Ariel gewaschen), kremig und lange haltbar, und beim langsamen Verfallen hinterlässt er feine Schaumränder im Glas.
Der Duft ist sehr komplex und überaus angenehm. Ich rieche feine zitronige Noten, die in Richtung Melisse gehen, aber auch einen herben, holzigen Grundton, den ich dem Wacholder zuschreibe, der bei einem Gin-Style Bier vermutlich verbraut worden ist. Auch eine feine heuartige Wiesenkräuternote entdecke ich noch ganz im Hintergrund. Ist das ein Hauch von Kamille? Oder Schafgarbe?
Der Antrunk ist frisch und von Beginn an knochentrocken. Das bleibt auch auf der Zunge so. Restsüße? Fehlanzeige. Bittere? Ja, eine deutliche sogar, aber eine von der sehr angenehmen Art. Kernig, aber in feinste Seide gewickelt, gewissermaßen. Retronasal kommen jetzt die Zitronenmelissen- und Wacholderaromen sehr deutlich hervor – mir gefällt das wunderbar. Die Kohlensäure verleiht dem Ganzen dann noch einen frischen, spritzigen Säuretouch.
Der Schluck breitet die Bittere im ganzen Mund- und Rachenraum aus, aber sie bleibt seidig und anschmiegsam, während gleichzeitig die Schleimhäute ein wenig trocken werden, die Wacholderaromen aufsteigen und die Zitronenmelisse einen olfaktorischen Farbtupfer platziert.
Ich sinniere dem Schluck hinterher, nehme den nächsten, dann noch einen, und viel zu früh ist das Glas leer. Wie, schon vorbei? Ach, es sollte verboten werden, solche Biere zu brauen. Viel zu groß ist die Enttäuschung, wenn es alle ist … Selbst bei einer (wie in diesem Fall) 0,75er Flasche.
P.S.: Ja, ich gebe es zu, dieses Bier habe ich von der Stiegl-Brauerei zwecks Verkostung und Verbloggung geschenkt bekommen. Aber wer mich kennt, der weiß auch, dass ich mich nicht kaufen lasse (es gibt Brauereien, von denen bekomme ich vermutlich nie wieder ein Bier zugeschickt …).
Dieses Bier ist wirklich genial!
Zugabe!
Bio Perlage – Brut de Bière – Ernte 2022 & Bio Mystique – Red-Ale Sour – Blend 2022
Stiegl-Gut Wildshut – Bio Perlage – Brut de Bière – Ernte 2022 (8,0%)
Das Bier hat eine goldgelbe Farbe, eine nur bei aufmerksamem Hinschauen erkennbare, feine Trübe und einen üppigen, schneeweißen Schaum, der von unzähligen, in feinen Perlenketten aufsteigenden Kohlensäurebläschen genährt wird und fein vor sich hin knistert. Also mal ein Bier, das alle fünf Sinne anspricht und auch mit einer eigenen Akustik aufwartet!
Der Duft ist fruchtig, aber säuerlich trocken. Feine Noten von hellen Weintrauben identifiziere ich ebenso, wie einen Hauch weinig-hefiger Edel-Fäulnis.
Der Antrunk ist sehr spritzig und knochentrocken, ebenso das erste Gefühl auf der Zunge. Es folgen unmittelbar ein Hauch feiner Säure, keine Restsüße, verspielte, weinige Fruchtigkeit und – jetzt aber nur noch schwach zu ahnen – eine ein wenig an von Pilz-Mycel durchzogene Blumenerde erinnernde Edel-Fäulnis-Note. Am Zungenrand werden trockene Schaumweinnoten spürbar. Der Gesamteindruck im Mund ist leichtfüßig-tänzelnd.
Ähnlich wie das DeuS der Brouwerij Bosteels aus Buggenhout ist auch dies ein Bier, das man dem nicht so ganz perfekt sensorisch trainierten Alltagsbiertrinker problemlos als Sekt oder gar Champagner kredenzen könnte – vorausgesetzt, man nimmt die dazu passenden Gläser und macht ein entsprechendes Brimborium drumherum.
Der Schluck bringt die leichte Säure und die weinigen Noten noch stärker in den Vordergrund; die Erdigkeit klingt nun ab. Der Gesamteindruck bleibt knochentrocken, ein Hauch hefiger Bittere scheint noch für einen Moment auf, und dann klingt alles sachte und spielerisch ab.
Hervorragend, auch wenn es vielleicht den einen oder anderen Biertrinkern ob der vergeblichen Suche nach biertypischen Malz- und Hopfenaromen ein wenig ratlos zurücklassen wird.
Stiegl-Gut Wildshut – Bio Mystique – Red-Ale Sour – Blend 2022 (5,8%)
Im Februar erst war ich ins Stiegl-Gut Wildshut zur Präsentation dieses wunderbaren Biers geladen, und letztes Jahr im Sommer habe ich schon einmal einen winzigen Schluck direkt aus dem riesigen Holzfass zwickeln können. Insofern bin ich, egal, wie sehr ich mich jetzt um Objektivität bemühe, mit Sicherheit voreingenommen …
Tja …
Das Bier hat eine rötlichbraune Farbe, ist kräftig und gleichmäßig trüb und trägt eine hellbeigefarbene Schaumschicht, die leider recht schnell in sich zusammenfällt.
Der Duft betört mit gewaltiger Komplexität. Eine weiche, kremige, balsamico-artige Säure legt sich feist auf alle Riechrezeptoren und lässt nur ein wenig Raum für weiteren olfaktorischen Genuss – aber ich erkenne noch überreife, dunkle Pflaumen, einen Hauch Madeira und ganz im Hintergrund einen Hauch Kakao.
Der Antrunk ist spitz und kräftig sauer – aber nicht auf eine stechende, beißende, sondern auf eine weiche, samtige Art. Kräftige Säure, in weichem Samt dargeboten.
Auf der Zunge macht sich die Säure selbstbewusst breit, bleibt dabei aber kremig. Sie regt den Speichelfluss gewaltig an, und während mir so das Wasser im Mund zusammenläuft, kommen gleichzeitig retronasal die Madeira- und Pflaumenaromen deutlich hervor. Dahinter ist noch ein bisschen mehr, und neugierig schaue ich zu meiner holden Ehefrau hinüber. „Schwarze Johannisbeeren“, meint sie, und sie trifft damit ins Schwarze. Ja, das ist es, es war mir nur nicht gleich eingefallen. Auch der Hauch von bitterem Kakao ist noch da – ob der von dem Malz kommt?
Sachte lasse ich einen Schluck den Rachen hinunter gleiten. Für einen ganz kurzen Moment wird meine Stimme rau – die Säure macht sich bemerkbar. Egal, wie samtig und kremig sie verpackt ist – rein vom pH-Wert her dürfte sie gewaltig sein!
Ich kann spüren, wie sich der Schluck langsam den Weg durch den Hals bahnt – ein hochinteressantes sensorisches Ereignis. Und auch, wenn sich das mit der kräftigen Säure unangenehm anhört – es ist es aber nicht. Es ist einfach nur … ungewöhnlich. Außerordentlich.
Ein absolutes Spitzenbier, aber auch eines, dessen Durchtrinkbarkeit gegen Null geht. Winzige Schlucke zum Genuss, um den Abend ausklingen zu lassen. Um sie auf der Zunge hin und her zu rollen. Um ihnen hinterher zu sinnieren. Und um schließlich genießerisch zu schmatzen und von der Komplexität überwältigt mit der Zunge zu schnalzen.
Stiegl Privatbrauerei
Kendlerstraße 1
5017 Salzburg
Österreich
Das Stiegl Weissbier gehört eigentlich zu unseren Standardbieren wenn wir in Österreich sind. Das weiß du einfach das du gute Qualität in’s Glas bekommst. Sehr zu empfehlen ist auch das 1492 Columbus Pale Ale. Grüße, aus Bayern von den BavarianBeerDudes! PS: Schöner Blog den du da hast!
Dankeschön, es freut mich, wenn Euch mein Blog gefällt.
Ja, die Stiegl-Biere sind schon durchweg sehr solide, da kann man nicht meckern. Und ab und an gelingt der Brauerei auch ein echter Glücksgriff – das Ginder hat mich rundum begeistert. Weg vom Mainstream, und trotzdem perfekt ausbalanciert und höchst durchtrinkbar.
Mit bestem Gruß,
VQ