Kolumne:
Bierige Bemerkungen
vom Brunnenbräu

Frühling wird’s, und die Zeit der schweren Winterbiere ist vorbei. Die Biergärten locken mit warmem Sonnenschein, und allein schon bei der Vorstellung wächst unser Durst auf ein erfrischendes Helles. Leuchtend gelb, nicht zu spritzig, nur zurückhaltend gehopft, sehr durchtrinkbar. Und derzeit wieder in Mode – es ist der am schnellsten wachsende Bierstil in Deutschland; überall findet man die typischen hellblauen Etiketten in den Gastwirtschaften und Getränkemärkten.

Schon geht die Diskussion wieder los: Welches ist denn das beste? Eines von den großen, bundesweit operierenden Bierkonzernen? Oder doch eher eines der kleinen, regionalen Brauereien? Ist die gleichmäßige Qualität der Großbetriebe ein Gewinn, oder ist der Mangel an Individualität jedes einzelnen Suds ein Verlust?

Es gibt eine Reihe preiswert gebrauter, bundesweit vermarkteter Heller auf dem Markt. Manche schmecken uns besser, manche schlechter. Gleiches gilt für die regional gebrauten Hellen – teils gut, teils eher mäßig. Viele Helle werden aus Markentreue getrunken, weil sie gerade „in“ sind. Gerne auch trotz gewisser objektiver Geschmacksfehler, wie beispielsweise einem leichten Schwefelaroma.

Selbsternannte Bierexperten zeigen sich dann schnell mal schnöselig und schimpfen über die Bierbanausen, verunglimpfen das Helle als Saufbier und seine Liebhaber als Volumentrinker, die solche Geschmacksfehler gar nicht bemerken. Mag sein – denn auch, wenn die Einsicht weh tut: Helles ist ein sehr zurückhaltender, geradezu zarter Bierstil, und viele von uns mögen wirklich nicht sensibel genug schmecken und riechen, um die Unterschiede zwischen verschiedenen Hellen zu identifizieren. Da bleiben manchmal nur Markentreue oder Preissensibilität als Auswahlkriterium.

Das Helle herabzuwürdigen, mit Wasser zu vergleichen oder den unsäglich platten Spruch „ich denke, wir sprechen über Bier“ anzubringen, wäre trotzdem schade. Es gibt genügend Trinkgelegenheiten, bei denen ein subtiles Helles eher angebracht ist als ein brachialbitteres IPA oder ein knochentrockenes, norddeutsches Pilsner. Ganz zu schweigen von Rauch-, Sauer- oder sonstigen Anspruchsbieren.

Lust also, ein Helles einmal selbst zu brauen? Obacht, das ist nicht einfach! Sondern eher sauschwer, weil die kleinste Unaufmerksamkeit im Brauprozess sofort zu im Endprodukt identifizierbaren Fehlern führt. Man kann halt nix mit großen Hopfenmengen oder einem gewaltigen Malzkörper überdecken.

Ganz wichtig sind knallfrische Rohstoffe. Also bitte nicht das überlagerte Restmalz vom Vorjahr oder den schon käsig riechenden Hopfen aus der offenen Packung verwenden. Auch nicht irgendeine Hefe, die man aus dem Bodensatz einer alten Flasche wieder hochgezogen hat. Vor allem aber: Gerade beim Hellen ist das Brauen nicht mit dem Anstellen der Hefe erledigt, sondern da beginnt die Herausforderung erst. Peinlich genaue Temperaturkontrolle während der Hauptgärung und der Reifung sind genauso gefragt wie das sorgfältige Vermeiden von Sauerstoffeintrag insbesondere beim Abfüllen.

Viele Wochen Mühe und Sorgfalt – aber sie zahlen sich aus. Spätestens, wenn die Freunde am ersten Frühlingstag lieber zu uns auf die Terrasse kommen als in den Biergarten zu gehen.

Dieser Text ist im April 2023 im Kundenmagazin „Brauerlebnis – Das Magazin für Hobbybrauer“ von Hopfen und mehr erschienen.

2 Kommentare

    • Oh, ja, leider schon viel zu oft erlebt, Frank …

      Ein Trauerspiel, was da manchmal als „Helles“ versucht wird, zu vermarkten. Oh, je!

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.