Iļģuciems (Hilgezeem) ist ein Stadtteil von Rīga. 1863 hat hier ein Deutscher eine Brauerei gegründet, und über die Jahrzehnte hinweg und durch viele Wirren der Weltkriege und des Sozialismus wurde aus der kleinen Brauerei die regional bedeutende Firma Iļģuciema (etwas „aus Iļģuciems“), die sich auf die Herstellung von malzbasierten Getränken spezialisiert hat – also nicht nur Bier braut, sondern darüber hinaus auch Kwass und Limonaden produziert. Seit 2007 trägt die Firma den für westliche Ohren etwas eingängigeren Namen Ilgezeem, der Name Iļģuciema ist für die Biere aber erhalten geblieben.
„Iļģuciema Rūpnīcas Veikals“ steht an dem kleinen Stand in der Markthalle von Rīga – „Fabrikverkauf Iļģuciema“. Hier bekomme ich also die Biere der Marke Iļģuciema.
Neugierig trete ich an den offenen Stand heran. Die Zapfhähne sind beschriftet, einige Flaschen stehen mit Preisschildern auf der Theke, eine kleine Dose ist für „Tips“ vorgesehen, und ein Lesegerät für Kartenzahlungen steht herum.
Was fehlt, ist irgendjemand, der hier bedient.
Ich schaue nach links, ich schaue nach rechts. Niemand zu sehen. Die Markthalle ist jetzt, um kurz nach zwei Uhr mittags, sowieso schon überraschend leer, aber dass hier überhaupt niemand zu sehen ist – weder Gäste noch Servicepersonal – das wirkt sehr seltsam.
der Marktstand „Iļģuciema Rūpnīcas Veikals“
Als sich nach einigen Minuten des Wartens immer noch niemand einfindet, trolle ich mich etwas enttäuscht und bummele weiter durch die Halle.
Wobei der Singular „Halle“ ja eigentlich falsch ist. Hier im Zentrum Rīgas steht ein halbes Dutzend Markthallen direkt beieinander, ergänzt durch ein fast ebenso großes Areal von Marktständen auf den Freiflächen dazwischen.
Wie es der Zufall will, entdecke ich bei meinem Bummel durch die Hallen fast schon am anderen Ende des Geländes einen zweiten Verkaufsstand der Brauerei Ilgezeem. Hier steht dann auch jemand, der mich bedient. Ein wenig unwillig und unwirsch zwar, aber immerhin: Ich kann zwei Flaschen Iļģuciema Alus erstehen und mit heimnehmen. Ein kleines Souvenir aus der Hauptstadt Lettlands.
Die beiden Iļģuciema-Verkaufsstände in den Hallen des Rigaer Zentralmarkts (Rīgas Centrāltirgus) sind, wie auch die Hallen selbst, täglich von 07:30 bis 18:00 Uhr geöffnet; kein Ruhetag. Zu erreichen sind sie vom Hauptbahnhof aus in drei Minuten. Man nimmt den Südausgang und wendet sich nach rechts, also nach Westen. Dann sieht man die Hallen quasi schon vor sich.
Natürlich habe ich die beiden Flaschen daheim dann auch sorgfältig verkostet.
Verkostungsnotizen
Ilgezeem – Iļģuciema craft serie – Porter Alus
Ilgezeem – Iļģuciema craft serie – Marzen Alus – Klassisches Bock Bier
Ilgezeem – Iļģuciema craft serie – Porter Alus (7,5%)
Das Bier hat eine kräftige braune Farbe mit einem schönen Rotstich. Es ist blank filtriert und trägt eine feine, beigefarbene Schaumkrone.
Der Duft ist kräftig malzig mit leichten Röstnoten und dem Hauch einer feinen Lakritznote.
Der Antrunk ist weich und wirkt kremig, und auf der Zunge macht sich das Bier ebenfalls mit einer kremigen Textur bemerkbar. Die Malzsüße ist präsent, aber nicht zuckrig, sondern eher komplex, garniert mit ein paar röstigen Bitternoten und einem Hauch Hopfen im Hintergrund. Sehr gehaltvoll, aber nicht mastig. Leichte Brotaromen sind retronasal zu spüren, gepaart mit einer Röstnote, die an ein zu scharf gebackenes Roggenbrot erinnert.
Der Abgang ist ebenfalls leicht kremig. Das Bier haftet noch ein Weilchen an den Schleimhäuten und strömt von dort aus noch seine röstbitteren Malz- und Brotkrustenaromen aus, ohne dabei zu rau oder gar harsch zu werden. Lediglich ein etwas schleimig wirkender Belag auf der Zunge führt dazu, dass ich nicht gleich nach dem nächsten Schluck giere, sondern zwischendurch immer mal einen kleinen Schluck Wasser trinke.
Ilgezeem – Iļģuciema craft serie – Marzen Alus – Klassisches Bock Bier (6,5%)
Das Etikett ist zu Teilen auf Deutsch beschriftet. „Gebraut in Riga“ und „Klassisches Bock Bier“ lese ich unter anderem, aber auch „Bierbrauerei in Riga“. Beide Male auch ohne den im Lettischen eigentlich angebrachten Umlaut „ī“ im Ortsnamen.
Die mittelbraune Farbe, die sehr dezente Trübung, der leicht beigefarbene Schaum und der malzig-würzige, leicht brotige und etwas karamellige Geruch sind allesamt sehr typisch für ein „Klassisches Bock Bier“, wie das Etikett dieses Bier bezeichnet. Beim Marzen hat es dann allerdings nicht mehr für den Umlaut gereicht …
Der Antrunk ist für ein dunkles Bockbier überraschend spritzig, aber schon auf der Zunge normalisiert sich alles wieder: Rund und vollmundig, malzig, ein bisschen brotig und etwas karamellig – der orthonasale Eindruck setzt sich im Mund und retronasal harmonisch fort. Hinzu kommt eine mittelstarke, leicht röstig wirkende Herbe.
Nach dem Abgang wird die Herbe für einen Moment etwas prägnanter, wird aber nie dominant. Die malzigen Aromen überdauern allerdings etwas länger, und so bleibt neben einer ganz leichten Wärme im Hals vor allem ein Eindruck: Der einer runden, malzigen Vollmundigkeit.
Iļģuciema Rūpnīcas Veikals
Centrāltirgus iela 1
1050 Rīga
Lettland
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