Verkostungspaket aus Hannover

Ach, es wird wohl seine letzte Reise gewesen sein …

Wie viele Umläufe der Pendelkarton jetzt wohl schon gemacht hat? Ich weiß es nicht, ich habe nicht mitgezählt. Immer wieder wurde er neu befüllt, kamen neun spannende Biere hinein und machten sich auf die Reise nach oder von Hannover. Dabei kam er ursprünglich gar nicht von dort, sondern aus Alpirsbach aus der dortigen Klosterbräu.

Er hatte uns gut gefallen und war sehr praktisch. Aufgrund seiner sparsamen und trotzdem robusten Konstruktion hat er lange gute Dienste geleistet. Ruckzuck kamen ein paar Biere hinein, ein paar Streifen Klebeband, dann der Adressaufkleber, und schon war alles bruchsicher und kommod verpackt.

neun bierige Trophäen

Jetzt aber hat der Karton Risse, Dellen und weiche Stellen. Das Risiko, dass er sich auf dem Band in der Sortieranlage zerlegt und die Biere ihre Reise vorzeitig beenden, ist zu groß geworden. Ein letztes Mal setze ich das Messer an, öffne den Pendelkarton und reihe die neun bierigen Trophäen auf dem Regal auf. Tolle Sachen hat der Herr R. da wieder reingepackt, muss ich schon zugeben.

Bildergalerie

Insofern gibt es nicht nur ein Bild mit neun Bieren, sondern dann auch neun …

Verkostungsnotizen

Pretty Decent Beer Co. – The Greatest Love Story; Liebharts – „Dat Blonde“; Liebharts – „Whiskey” Bier – Barrel-Aged-Beer Edition 2021/2022; Quartett – Hopfen Breeze; Schinkels Brauhaus – Schinkels Honey Stout; Pretty Decent Beer Co. – I Could Get Better At T*sco For A Quid; Landhaus-Brauerei Borchert – Rosen – Zerspanerbier; Exale Brewing – Dinky – Micro IPA; Exale Brewing – Oona – NEIPA

Pretty Decent Beer Co. – The Greatest Love Story (4,5%)

Es handelt sich um ein glutenfreies Single Hop Pale Ale mit Simcoe, dem das Gluten während des Brauvorgangs entzogen wurde, so dass der Gesamtgehalt nur noch weniger als 10 ppm beträgt.

Das Bier ist extrem hellgelb, fast schon leichenblass. Die leichte Trübung und der schneeweiße Schaum gefallen gut.

Das Aroma ist typisch für den Simcoe-Hopfen – eine leicht changierende Melange aus Frucht- und Kräuteraromen. Ein bisschen Zitronenfrische, ein wenig Wildkirsche und ein Hauch Ananas sind auf der fruchtigen Seite identifizierbar, auf der Kräuterseite könnte ich schwören, dass es Liebstöckel ist, auch wenn meine holde Ehefrau mich diesbezüglich nur verdattert anschaut.

Der frische Antrunk weist eine feine pfeffrige Schärfe auf, und auf der Zunge setzt diese sich überraschenderweise fort. Die Ananasnoten und die dezente Zitronenfrische werden retronasal ein wenig intensiver; vom Liebstöckel ist nicht mehr viel zu spüren. Die Hopfenbittere ist präsent, aber nicht dominierend, das Bier wirkt eher knochentrocken und schlank als hopfenbitter.

Auch nach dem Schluck bleibt es dabei: Der Abgang ist knochentrocken, die Fruchtaromen klingen recht rasch ab.

Liebharts – „Dat Blonde“ (4,6%)

Vor vierzehn, fünfzehn Jahren habe ich von Liebharts Privatbrauerei so merkwürdige Biere getrunken wie glutenfreies Bio-Reisbier und Bio-Ingwerbier. Dagegen ist „Dat Blonde“ jetzt ja mal was ganz Normales. Auch Bio, das ja, aber ansonsten normal.

Im Glas zeigt es sich hellgelb und mit einer sehr zurückhaltenden Trübung. Der Schaum ist schneeweiß, aber nicht allzu üppig, und lange halten tut er auch nicht.

Kommen wir zum Geruch: Ein paar eher neutral malzige Noten, dahinter etwas feuchter Karton und Anklänge von würzigem Honig. Eigentlich typische Alterungs- oder Oxidationsnoten.

Der deutlich bittere und spürbar adstringierende Antrunk (ein Eindruck, der sich auf der Zunge fortsetzt) deutet in die gleiche Richtung hin. Hier ist ein Bier vorzeitig gealtert – das Mindesthaltbarkeitsdatum weist noch recht weit in die Zukunft: Elf Wochen noch!

Während sich auf der Zunge eine recht raue und unflätige Bittere breit macht, unterstreichen die retronasalen Honignoten meine Vermutung. Ich habe dieses Aroma irgendwann mal scherzhaft „Alterungshonig“ genannt.

Nach dem Schluck bleibt die Bittere spürbar adstringierend noch im Rachen hängen und klingt langsam ab.

Das Bier ist noch gut trinkbar, aber ein echter Genuss ist es leider nicht mehr. Nachdenklich schaue ich noch mal auf das MHD: Ob die Flasche beim Händler warm und im strahlenden Sonnenlicht gelagert worden war? Oder warum gebärdet es sich schon so greisenhaft?

Liebharts – „Whiskey” Bier – Barrel-Aged-Beer Edition 2021/2022 (10,0%)

Das Etikett klärt mich auf: Es ist die Flasche 473 von 612.

Dunkelbraun fließt das Bier ins Glas und weist eine leichte Trübe auf. Schaum bildet sich nur wenig – eine dünne, aber ästhetische Schicht, beigefarben und kremig. Viel zu schnell verschwindet sie wieder, was aber bei einem so alkoholstarken Bier eigentlich normal ist.

Intensive Whisky-Aromen legen sich kremig in meine Nase, während ich an dem Bier schnuppere. Können Düfte überhaupt kremig sein? Dieser hier … ja!

Der Antrunk ist weich und süß, aber nicht übermäßig sämig. Auf der Zunge entfaltet sich eine wunderbare Whisky-Aromatik, getragen von einem süßen und vollen Malzkörper, der ein paar ganz dezent kräuterige Aromen beisteuert.

Weich und warm fließt das Bier über die Zunge und den Gaumen entlang. Nach dem Schluck zeigt sich nur für einen kurzen Moment eine feine Herbe mit einem kurz anklingenden adstringierenden und etwas holzigen Charakter, und in sanfter, alkoholischer Wärme im Hals klingt die Sensorik ab.

Wunderbar!

Quartett – Hopfen Breeze (3,5%)

Offensichtlich ein Hausbräu. Ein zwar durchaus mit Liebe gestaltetes Etikett, aber auch mit etwas unübersichtlichen Angaben. Ist Hopfen Breeze jetzt der Name der Brauerei und Quartett der Biername? Oder umgekehrt?

Für die Verkostung ist’s eigentlich egal, aber für die Buchführung nicht …

Das Bier zeigt sich im Glas dunkelgelb mit einem ganz leichten Graustich. Obwohl nicht filtriert, ist es durch langes Stehen im Kühlschrank fast ganz blank geworden. Der Schaum ist mehr als üppig, und anstatt zusammenzufallen, türmt er sich immer weiter auf – sehr kremig, sehr feinporig, aber auch sehr fest. Unendlich lange wird er von immer mehr Kohlensäure genährt.

Der Duft ist ein bisschen alkoholisch-spritig, aber auch mit feinen Acetonaromen, die da eigentlich nicht hingehören.

Der Antrunk ist sehr spritzig, und auf der Zunge belegt das Bier ein bisschen die Schleimhäute. Komischerweise ist es dort dann nicht mehr so bizzelig – vielleicht wird die Bizzeligkeit durch das Belagsgefühl ein wenig unterdrückt. Eine leichte Süße schmecke ich, finde nur sehr wenig Herbe, und retronasal spüre ich neben erneut ein paar Acetonnoten auch Töne von Cidre oder Apfelwein.

Letzteres, zusammen mit jetzt wieder stärker spürbarem Moussieren prägt auch die sensorischen Empfindungen nach dem Schluck.

Schinkels Brauhaus – Schinkels Honey Stout (5,5%)

„Honey Stout gegen das Bienensterben“ steht auf dem Etikett der Flasche. „Original Schinkels Stout kombiniert mit frischem Kasseler Sommerhonig ergeben ein neues Geschmackserlebnis.“ Wobei ich mir jetzt nicht so ganz sicher bin: Wenn man den Bienen den Honig wegnimmt und ihn ins Stout schüttet, hilft das gegen Bienensterben?

Das Bier ist jedenfalls tiefschwarz und blickdicht. Nur beim Einschenken kann man eine feine Trübung erkennen.

Der Schaum ist beigefarben, entwickelt sich zunächst recht üppig, fällt dann aber auch rasch wieder zusammen.

Der Duft ist sehr angenehm. Eine überraschend harmonische Melange aus feinen Schoko-, Kakao- und Röstaromen mit süßen und schweren Honignoten. Ein Hauch dunkler Früchte schwingt auch noch mit und bringt eine kurze Reminiszenz an Mon Cherie mit.

Der Antrunk ist weich und sämig, recht süß; die fein gebundene Kohlensäure bringt eine ganz leichte Schärfe mit, als ob das Bier mit einem Hauch von Chili gebraut worden wäre.

Auf der Zunge macht sich die Süße breit. Honigaromen steigen auf, ebenso die Schokoaromen, die jetzt sehr angenehm und intensiv werden. Retronasal bekommt der Honig erneut den Akzent dunkler Früchte.

Nach dem Schluck wirken die Schleimhäute vom hohen Zuckergehalt ein wenig klebrig, aber dennoch ist der Nachgeschmack angenehm ausgewogen.

Kein Bier für den Durst, dazu ist es zu klebrig, aber eines für den bewussten und langsamen Schluck –  als oder zum Dessert.

Pretty Decent Beer Co. – I Could Get Better At T*sco For A Quid (4,5%)

„This is a Session IPA“, steht extra noch einmal auf der Dose – die Stilbeschreibung in einem vollständigen Satz mit Subjekt, Prädikat und Objekt.

Im Glas präsentiert sich dieses Bier mit einer sehr, sehr üppigen, schneeweißen Schaumkrone, die über einem hellgelben und kräftig, aber gleichmäßig trüben Bier steht. Noch während ich die Notizen zur Optik mache, sehe ich, wie sich der Schaum verändert. Aus der kremigen Masse wird in Windeseile eine grobporige, an Badeschaum erinnernde Schicht, die anschließend rasch zerfällt. Es bleibt nur die Erinnerung …

Der Duft ist intensiv. Schon beim Öffnen der Dose steigt er mir deutlich in die Nase. Ich rieche Litschi, Ananas und helle Stachelbeeren – sehr schön!

Der Antrunk ist sehr spritzig, fast schon spitz, und er leitet über zu einem bizzeligen, aber knochentrockenen sensorischen Erlebnis auf der Zunge. Es sprudelt, bizzelt und spritzt, ohne dass es dabei zu schaumig wird. Eine knackige, trockene Schleimhäute verursachende Bittere ist zu spüren, und retronasal tanzen die Fruchtaromen einen fröhlichen Ringelreihen. Kurz bevor ich schlucke, wird aus der spritzigen Bizzeligkeit eine dezent pfeffrige Schärfe. Gar nicht unangenehm.

Der Abgang ist dann kurz und trocken. Die Hopfenherbe klingt rasch ab, ebenso das Früchtefeuerwerk, und es bleiben nur die trockenen Schleimhäute, die mich nach dem nächsten Schluck dürsten lassen.

Prädikat „höchst durchtrinkbar“!

Landhaus-Brauerei Borchert – Rosen – Zerspanerbier (4,8%)

Anlässlich des Bierfestivals Lingener Bier Kultur ist dieses Bier aufgelegt und verkauft worden – ein hopfengestopftes Pils mit Tettnanger, Ella und Mistral. Ein Gag, natürlich, aber ein netter, denn er kombiniert die Idee, ein neues Bier zu brauen, mit der Reklamewirkung sowohl für das Festival als auch für die Firma Rosen, die auf diesem Weg Nachwuchs zu finden sucht.

Im Glas präsentiert sich das Bier klassisch strohgelb mit einer ganz feinen Trübe und einem kremigen Schaum, der sich beachtenswert lange hält.

Der Duft ist vorrangig fruchtig süß und erinnert an helles Obst, helle Stachelbeeren zum Beispiel. Im Hintergrund ist aber auch eine leicht süß-säuerliche Note, die an überreife Früchte erinnert.

Der Antrunk und der erste Eindruck auf der Zunge greifen diese süßsäuerlichen Fruchtaromen noch einmal kurz auf, dann übernimmt aber recht rasch der Hopfen das Kommando und macht sich lautstark mit einer ordentlichen Bittere bemerkbar. Diese beherrscht dann auch den Abgang, drängt die Säure in den Hintergrund und macht angenehm trockene Schleimhäute.

Ein Bier für den kurzen, schnellen Schluck.

Exale Brewing – Dinky – Micro IPA (2,8%)

Ein sehr helles, leicht und gleichmäßig getrübtes Bier mit einem feinen, schneeweißen Schaum – optisch schaut es schon mal gut aus und man sieht ihm seinen niedrigen Alkoholgehalt nicht an.

Der Duft ist dezent herb mit ganz feinen und flüchtigen Zitrusakzenten, hat dahinter aber eine Note, die an neutrales, nicht parfümiertes Spülmittel erinnert – könnte man das als Tensid-Note bezeichnen? Ich weiß es nicht …

Der Antrunk ist frisch, und im Mund zeigt sich das Bier knochentrocken. Restsüße? Fehlanzeige. Zwar werden die Zitrusaromen retronasal ein kleines bisschen deutlicher und gaukeln eine fruchtige Süße vor, objektiv ist dem aber nicht so.

Der Schluck setzt den knochentrockenen Eindruck fort. Die Bittere ist durchaus ausgeprägt, und sie macht deutlich trockene Schleimhäute.

Exale Brewing – Oona – NEIPA (5,8%)

Ein schönes, helles Gelb, eine kräftige und gleichmäßige Trübung, ein schneeweißer, üppiger Schaum. Die Optik passt. Kann man nicht meckern.

Auch der Duft ist sehr angenehm. Schon beim Einschenken ins Glas steigen mir die herbfruchtigen Aromen von Zitrusschalen in die Nase, später dann, beim Schnuppern am Glas entdecke ich dahinter noch eine feine, kräuterige Grundnote mit Petersilie, Liebstöckel und anderen Suppenkräutern. Hört sich schlimm an, ist aber, weil nur ganz dezent, sehr ansprechend.

Der Antrunk weist eine feine pfeffrige Schärfe auf, die sich auch auf der Zunge noch für einen kurzen Moment zeigt. Das Bier ist überraschend schlank für ein New England IPA, es hat nur einen geringen Körper und wirkt nicht so „saftig“, wie die idealen Vertreter dieses Stils. Mir sagt das aber zu!

Retronasal halten sich die Fruchtaromen erstaunlicherweise sehr zurück, es dominiert das Kräuterige. Gleichzeitig spüre ich eine schöne, kräftige Bittere auf den Schleimhäuten – ein Effekt, der sich nach dem Schluck noch ein wenig verstärkt. Ganz am Ende bleibt eine leicht viskose Textur auf den Schleimhäuten zurück.

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