LisBeer
Lisboa
PRT

Nur wenige Schritte ostwärts der wie mit dem Lineal gezogenen Straßen des zentralen Lissaboner Stadtteils Baixa findet man ein Gassengewirr, in dem man sich ohne gutes Kartenmaterial oder ein wirklich zuverlässiges Navi unter Garantie erst einmal nach Herzenslust verlaufen kann. Kleine Gassen, schmale Treppen, immer mal wieder ein Durchlass zwischen den Häusern, ein Torbogen, eine Abkürzung durch einen Innenhof, dann wieder eine Sackgasse oder ein wegen Bauarbeiten gesperrter Durchschlupf. Wenn man nicht aufpasst, ist man in wenigen Minuten in diesem Labyrinth gefangen.

Aber es ist ein schönes Gefängnis, mit vielen wunderbaren Ecken, und wer entsprechend Zeit mitbringt, kann sich treiben lassen, mal hier den steilen Weg hoch nehmen, mal dort ein paar Treppenstufen hinunter. Und er wird eine Menge an Eindrücken jenseits der völlig überfüllten Touristen-Rennstrecken mitnehmen können.

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LisBeer – mitten im Labyrinth

Aber bis zur kleinen Bar LisBeer sind es eigentlich nur wenige Schritte – man braucht gar nicht weit in das Labyrinth hineinzugehen. Zwei Minuten nur von der Rua Augusta, und man steht in der kleinen Gasse Beco do Arco Escuro. Zugegeben, heute Nachmittag, am 20. Juli 2016, sieht es hier nicht gerade einladend aus. Es ist Müllabfuhr, und da die kleinen Treppen nicht mit großen Mülltonnen erreichbar sind, stellen die Anwohner ihren Hausmüll einfach in Plastiktüten vor die Tür. Sieht nicht schön aus, riecht in der Sommerhitze auch streng, aber was will man machen.

Ich ignoriere den hässlichen Anblick und die Wolke von Fliegen, die um den Müllberg surrt, und gehe trotzdem durch den engen Torbogen etwa dreißig Meter weit den schmalen Weg hinein. Vor mir steht eine Kreidetafel: „LisBeer – Biggest Beer Selection in Portugal!“, heißt es selbstbewusst. Ich trete in den überraschend großen Schankraum. Eine kleine, recht improvisierte, halbhohe Bretterwand teilt ihn in zwei Bereiche, beide mit einem Sammelsurium von alten Möbeln ausgestattet. Am Ende eine kleine Theke, und links davon ein zweiter Schankraum – ebenfalls mit einem kunterbunten stilistischen Durcheinander.

Zwei junge Barmänner stehen hinter der Theke, entspannt in ein Gespräch vertieft. Ich bin der erste Gast heute, die Tür ist gerade erst aufgesperrt worden. Einer der beiden blickt auf, und stolz reicht er mir die umfangreiche Getränkeliste mit den Flaschenbieren. Ich schüttele den Kopf und deute stattdessen auf die Kreidetafel: „Mich interessiert eher, was Ihr für Fassbiere habt!“

„Bei der Sommerhitze können wir Dir ein Paulaner Weißbier empfehlen – das ist bei diesem Wetter einfach das Beste!“, weiß der andere der beiden.

Ich muss lachen. Deutsches Industrie-Weißbier – deswegen bin ich natürlich nicht nach Lissabon gekommen. Obwohl, es ist natürlich etwas Wahres dran. Ein spritziges Weißbier ist im Hochsommer schon etwas Feines. Aber nicht hier. Und nicht jetzt.

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der Schankraum

Ich schaue lieber nach portugiesischen Kleinbrauereien, und mit Musa werde ich auch fündig. Das Born in the IPA bestelle ich mir, und in der Tat, auch dieses Bier harmoniert ganz vorzüglich mit dem Sommerwetter.

Der Kühlschrank hinter der Theke erregt meine Aufmerksamkeit. Eine ganze Reihe belgische und niederländische Biere sehe ich – insbesondere ‘t IJ, De Molen und Emelisse. Schön!

Ich verkoste mein zweites Bier, das D. Ein Red Ale von Letra, einer Brauerei, die ihrem Namen entsprechend (Letra = Buchstabe) alle Biere durchbuchstabiert. Heute also das vierte Bier aus der Reihe. Das D. Lecker, schön malzig aromatisch, nicht zu aufdringlich mastig, nicht zu melanoidinig. Schön!

Seit einigen Monaten erst gibt es die LisBeer Bar, erzählen die beiden jungen Leute in gutem Englisch. Es wäre höchste Zeit gewesen, dass man hier in Lissabon auch mal etwas Anderes zu trinken bekäme als immer nur Rotwein. Und wenn Bier, dann hätte es ja nur Sagres und Superbock zur Auswahl gegeben. Zunächst habe man dann auf die internationalen Bierspezialitäten geschielt, aber gerade in der letzten Zeit hätten nun auch ein paar richtig gute portugiesische Kleinbrauereien eröffnet.

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Stillleben

Zum Beweis schenkt mir einer der beiden ein Fuzeta Double IPA der Brauerei Dois Corvos ein. „Diese Brauerei hat vor einem Jahr eröffnet und befindet sich in einer kleinen Lagerhalle im Nordosten, kurz vor dem Expo-Gelände“, erzählt er. Ein feines Bier, aber zum Glück bekomme ich nur ein kleines Probiergläschen – das Double IPA macht seinem Namen nämlich alle Ehre. Ein enormer Malzkörper, eine gewaltige Hopfung und vor allem der hohe Alkoholgehalt machen das Bier ganz gewiss nicht zu einer leichten Erfrischung für den Hochsommer. Aber lecker ist es!

Langsam beginnt die Bar, sich zu füllen. Im oberen Schankraum muss ich mir noch die Flaschensammlung ansehen. Von jedem Bier, dass sie bisher ausgeschenkt haben, haben die beiden eine Flasche aufgehoben und ins Regal gestellt, so dass der Gast auf dem Weg zur Toilette die Vielfalt bewundern kann. Ein breites Grinsen zeigt den Stolz der zwei.

Ein buntes Publikum verteilt sich mittlerweile in den Räumen, und der eine oder andere Gast nimmt sein Bier auch mit nach draußen, setzt sich auf die Treppenstufen oder die kleinen Mäuerchen in der Nachbarschaft. Eine angenehme Stimmung. Ich fühle mich wohl!

Die Bar LisBeer ist täglich ab 16:00 Uhr geöffnet; montags ist Ruhetag. Es gibt ein halbes Dutzend Fassbiere und weit über hundert Flaschenbiere, das Angebot wechselt je nach Verfügbarkeit und Fleiß des Importeurs. Zu essen gibt es nur Snacks. Vom U-Bahnhof Terreiro do Paço (blaue Linie) sind es etwa 300 m zu Fuß, wenn man sich nicht vorher in den Gassen verirrt.

Nachtrag 30. Oktober 2016: Erneut unterwegs in den Gassen von Alfama, und da darf eine kurze Einkehr im LisBeer wirklich nicht fehlen. „Aber nur eine kurze!“, betont meine holde Ehefrau, haut sich in den großen Ledersessel in der Ecke, sinkt tief ein und stellt zufrieden fest: „So schnell gehe ich hier nicht wieder weg!“ Was für ein grandioser Widerspruch in ein und derselben Minute, in gerade einmal zwei Sätzen…

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so schnell gehen wir hie nicht wieder weg

Wir genießen das Zé Arnaldo von 8° Colina, das Amura von Mean Sardine, Voragem Black IPA, ebenfalls von Mean Sardine, und das belgische Gulden Draak. Ein Bier leckerer als das andere. Dazu läuft Laid-back Musik. Tiefenentspannt sinken wir immer tiefer in die uralten Ledersessel, vergessen Raum und Zeit, genießen nur noch das Bier und die angenehme Atmosphäre.

Und die kurze Einkehr wird lang und immer länger…

Bilder

LisBeer
Beco do Arco Escuro 1
1100-112 Lisboa
Portugal

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