Okocim Porter Mocno Dojrzałe

mocno dojrzałe – kräftig gereift

Das legendäre Porter aus der polnischen Brauerei Okocim trug seinerzeit auf dem Etikett immer den Zusatz Mocno Dojrzałe – kräftig gereift. Klar, damit sollte unterstrichen werden, dass das Bier genügend Zeit im Lagertank verbracht hat, um seine Aromen in Ruhe zu entwickeln, und so den Gaumen des Biertrinkers ganz besonders zu schmeicheln verstand.

Aber ob die Schöpfer des Claims „Mocno Dojrzałe“ seinerzeit gedacht hätten, dass mir heute, am 17. September 2024, einmal eine Flasche Okocim Porter in die Hand gedrückt werden würde, dass wirklich ganz besonders kräftig gereift ist, nämlich gute zehn Jahre über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus?

Vermutlich nicht.

Aber genau so passiert es mir gerade!

In wenigen Tagen werde ich aus Szczecin zurück nach Deutschland ziehen, und zuvor treffe ich mich mit meinem alten Freund Krzysztof Żurawski ein letztes Mal. Wir treffen uns im Office Pub, bestellen uns jeder ein exotisches Bier zum Verkosten, und plötzlich kramt Krzysztof eine Papiertüte hervor: Ein Flasche Okocim Porter Mocno Dojrzałe und einen dazu passenden Bierkrug.

was für ein schönes Geschenk

„Das“, so sagt er, „ist absolut noch trinkbar. Genieße es in einem Moment der Ruhe und denke an unsere Zeit in Szczecin!“

Was für ein schönes Abschiedsgeschenk. Vorsichtig verstaue ich die Flasche, bringe sie nach Hause, stelle sie in den Kühlschrank, und nach einigen Tagen, in denen das Bier Zeit hat, sich zu beruhigen und in denen die Trubstoffe sich wieder etwas absetzen können, wird es verkostet.

Bildergalerie

Verkostungsnotizen

Ein paar Wochen später, heute ist der 25. Oktober 2024, ist es soweit, ich öffne die Flasche.

Okocim Porter Mocno Dojrzałe

Ein leises Zischen zeigt mir, dass der Kronkorken noch dicht war, aber beim Einschenken merke ich es: Viel Rezens ist nicht mehr da. Ein bisschen grobporiger und nicht lange haltbarer, beigefarbener Schaum entwickelt sich nur, weil ich das Bier kräftig ins Glas plätschern lasse.

Das Bier steht schwarz im Glas, und auch wenn ich es gegen eine helle Lampe halte, kann ich nicht wirklich erkennen, ob es trüb oder klar ist. Ein Blick in die Flasche zeigt mir allerdings: Es hat sich am Flaschenboden kein fester Bodensatz gebildet.

Der Duft ist mild und dezent malzig. Ein paar feine und süßliche Schokoladennoten erschnuppere ich – sie erinnern an Milchschokolade und nicht, wie sonst so oft, an Bitterschokolade. Dahinter ein paar feine Kakaonoten und etwas Dörrpflaume, vielleicht mit einem weinigen Hauch. Rotwein? Madeira oder Port? So etwas in der Richtung …

Der Antrunk ist sehr weich und rund. Nicht sämig oder viskos, aber aufgrund der fehlenden Rezens sehr seidig und fluffig. Der Mundraum füllt sich mit einer angenehmen Süße. Hopfen- oder Röstbittere suche ich eigentlich vergeblich. Stattdessen ein feiner, dezent alkoholischer Hauch. Wildkirsche? Pflaume? Milde, süße Schokolade? Likör? Für einen Moment wirkt es wie Mon Chéri Pralinen, auch und besonders retronasal.

Ein durch und durch sympathischer Eindruck.

Langsam schlucke ich und spüre, wie sich eine leichte alkoholische Wärme im Rachen und in der Speiseröhre ausbreitet. Angenehm, ohne Schärfe. Einfach nur warm und mild.

Jetzt kommen auch noch einmal die Wildkirsch-, Schoko- und Likörnoten zur Geltung. Harmonisch umtänzeln sie einander, und dann, ganz am Schluss, bildet sich doch noch eine feine Bittere am Gaumen aus, aber nur ganz scheu und zurückhaltend, fast, als schäme sie sich, doch noch auf die Bühne zu treten.

Was für ein schöner und komplexer Genuss!

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