Tag 1: 8. November 2024
Die Welle der Craftbier-Festivals habe irgendwie doch ihren Höhepunkt überschritten, habe ich bei meinem letzten Besuch beim Craft Bier Fest Wien in der Marx-Halle im April 2023 gehört und konnte es seinerzeit eigentlich nicht glauben.
Heute, anderthalb Jahre später, denke ich über diesen Satz noch einmal nach: Die Veranstalter haben das Bierfest umbenannt in Super Bier Fest, was mir persönlich schon mal gar nicht gefällt. Wenn ich schon in US-amerikanisch großkotziger Weise einen solchen Superlativ in den Namen meiner Veranstaltung integrieren muss, dann heißt das für mich schon was – nämlich, dass die Veranstaltung aus sich selbst heraus nicht genügend Begeisterung zu generieren vermag. Sich selbst „super“ zu nennen, brauchen eigentlich nur Loser mit mangelndem Selbstbewusstsein.
Insofern fehlt mir dieses Jahr beim Betreten das freudige Herzklopfen, das mich sonst immer begleitet hat. Es hat einer kritischen Aufmerksamkeit Platz gemacht, und ich schaue mich sorgfältig um: Außen herum stehen die Bierstände, in der Mitte die Food-Trucks, dazwischen Biertische und -bänke. Die Anzahl der Brauereien scheint ein bisschen kleiner zu sein als sonst. Ebenso die der Besucher. Größere Lücken zwischen den Bierständen, leere Räume, freie Tische.
Machen wir’s kurz: Es gibt nach wie vor ganz hervorragende Bier zu verkosten. Klassische, mit viel Liebe gebraute Bierstile ebenso wie exotische und experimentelle Kreationen. Es macht Spaß, mit den Brauern und den anderen Vertretern der Brauereien ins Gespräch zu kommen, zu fachsimpeln und zu verkosten. Auch das Street Food ist qualitativ hochwertig. Vom Fleisch bis zur veganen Küche, von herzhaft bis süß, da ist eigentlich für jeden Geschmack etwas dabei.
tolle Biere gab es reichlich
Aber es sind Kleinigkeiten, die stören, und die es so in den vergangenen Jahren nicht gegeben hat. In den viel zu wenigen Müllbehältern stapeln sich die Verpackungsberge, und es dauert bis weit in den Abend hinein, bis sich mal ein paar Leute mit großen Plastiksäcken aufmachen, sie zu leeren. Leider erst, als die Verpackungen schon halb durch die Halle fliegen … Ähnlich ist es mit der Sauberkeit an den Biertischen. Es kleckert immer mal einer mit seinem Bier oder dem Ketchup von seinem Burger. Niemand kommt und wischt, und so wird es klebriger und klebriger. Manche Tische sind nicht deswegen frei, weil zu wenig Besucher da sind, sondern weil sich dort niemand mehr hinsetzen mag …
Nach den ersten geschmacksintensiven Bieren möchte ich mein Glas spülen und suche die Wassercontainer. Tja, die stehen allerdings nur am äußersten Ende der Halle, ganz hinten, und so latsche ich denn im Laufe der beiden Abende gefühlt ‘zig Male bis ganz nach hinten und wieder zurück. Viele andere Gäste sind dafür zu faul und kommen mit ihren ungespülten Gläsern an die Zapftheken, was nicht nur unappetitlich ist, sondern ihnen auch den ungetrübten Biergenuss verwehrt.
Kleinigkeiten sind das nur, aber sie zeigen, dass das Fest dieses Jahr etwas lieblos gestaltet ist. Früher wäre so etwas nicht vorgekommen – „früher war alles besser …“ ;-)
Trotzdem genieße ich zahlreiche und wirklich hervorragende Biere und kann den ersten Festivaltag zufrieden abschließen:
- Měšťanský Pivovar Kojetín – Parohatej 11° – Ležák (4,4%)
- Měšťanský Pivovar Kojetín – Kyselej 12° – Malina Calamansi Sour Ale (4,6%)
- Vienna Kraft Brewpub – Lisl – Session IPA (3,7%)
- Hopfenhäcker – Festbier im Tawny Portwein Fass gereift
- Löwolf – Kastanienbier (4,8%)
- Remeselný Pivovar Hellstork – Single Hop Gose [Nelson Sauvin] (4,1%)
- 6 beers brewing company – Kill the Red Dragon – Flanders Red Ale (7,2%)
- 6 beers brewing company – Nachtflug – Barrel Aged Imperial Stout (10,5%)
Tag 2: 9. November 2024
Am zweiten Festivaltag hat man den Müll und die bekleckerten Tische deutlich besser im Griff – das ist doch schon mal was!
Unverändert geblieben ist die kakophonische Beschallung. Vorbei sind die guten alten Zeiten mit Bühne und Livemusik, stattdessen stehen rund um den Festivalbereich große Lautsprecher, aus denen Musik erschallt. Na, man mag sich dann über die Playlist streiten, die Geschmäcker sind schließlich unterschiedlich, aber dass dann auch mindestens an zwei Brauereiständen große Boxen mit jeweils eigener Musik stehen, die durch die ganze Halle schallen, und man es somit als Besucher mit drei verschiedenen Songs gleichzeitig auf die Ohren kriegt – ob das so sein muss?
Für mich persönlich führt es dazu, dass ich das Festival schon deutlich vor Schankschluss verlasse – obwohl ich bei weitem noch nicht alle Biere, die mich interessiert hätten, verkostet habe.
Aber ach, vor das Verlassen haben die Biergötter noch das kontaktlose Zahlsystem gestellt. Es ist ja eine schöne und durchaus effiziente Idee, alle Besucher mit einem Armband zu versehen, auf dem nicht nur die Eintrittskarte, sondern auch ein vorher aufgeladenes Guthaben drauf ist, mit dem dann an den Bierständen schnell und unkompliziert bezahlt werden kann und am Schluss sogar über die App nachgeschaut werden kann, welche Biere man denn alle getrunken hat.
Aber während der Veranstaltung lassen sich die Chips nicht mit dem eigenen Telefon oder über die App aufladen. Und so kommt es, wie es kommen muss: Ich habe noch einen Euro auf dem Chip, möchte aber ein Abschlussbier für 2,50 EUR trinken. Zurück zum Eingang, dort mit meiner Kreditkarte oder gegen Bargeld 1,50 EUR draufladen. Zurücklaufen und das letzte Bier trinken.
Oder auch nicht! „Nee, das Bier ist jetzt aus. Das andere kostet drei Euro …“
Nochmal zurück, um weitere fünfzig Cent draufzuladen? Puh!
So gut gemeint die Idee mit dem Zahlchip auch war, so dilettantisch ist sie umgesetzt worden … Gut gemeint ist halt doch immer das Gegenteil von gut gemacht.
SUPER Bier Fest?
Auch der Blick auf die Strecke des zweiten Tages vermag mich nicht mehr so richtig milde zu stimmen:
- Měšťanský Pivovar Kojetín – Podpantoflák 14° – IPA (6,0%)
- Měšťanský Pivovar Kojetín – Scarecrow 15° – Mexican Cold IPA (6,2%)
- Měšťanský Pivovar Kojetín – Vyšťavenej 12° – Session NEIPA (4,8%)
- Měšťanský Pivovar Kojetín – Podojenej 15° – Mango Milkshake (6,2%)
- Sibeeria – Yuzu & Pineapple Gose (4,8%)
- Sibeeria – Fresh Hop Tango Fieber Pale Ale (5,6%)
- Vienna Craft – Sepp – Schwarzbier (4,5%)
- Vogelsang Braumanufaktur – Wörther Wit (4,2%)
- Löwolf – Dö B Port – Imperial Baltic Porter with Prun (12,0%)
So lautet denn mein Fazit:
Tolle Biere, aber weniger Auswahl als die anderen Jahre. Eine eher lieblose Organisation mit Mängeln im Detail. Gutes Essen. Weniger bekannte Gesichter als sonst – waren da viele schon aufgrund der absehbaren Änderungen nicht mehr gekommen?
Es ist und bleibt ein interessantes Festival, und wer sich nur und ausschließlich auf die Biere fokussiert, wird schon auf seine Kosten kommen. Aber eine Reise nach Wien, extra wegen des Festivals, so wie ich das viele Jahre gemacht habe? Nee, das lohnt nicht mehr. Wenn man in Wien oder im Umland wohnt oder wenn man eine ohnehin geplante Reise um ein paar Tage verlängern kann, dann ja. Sonst eher nicht …
Zu scharfe Kritik?
Nö! Wenn man sich Super Bier Fest nennt, dann muss man sich halt auch daran messen lassen …
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