Es geht nichts über gute Kollegen am Arbeitsplatz!
„Wollen wir, wenn Sie im Allgäu sind, nicht mal einen Kaffee zusammen trinken? Ich besorge auch Butterbrezen, und Sie kommen einfach gegen neun Uhr bei mir im Büro vorbei“, meldete sich der liebe Herr G. per Messenger.
Klar, eine gute Idee. Aber … es wird doch bestimmt nicht bei einem Kaffee bleiben – der Kerl hat doch bestimmt wieder heimlich gutes Bier besorgt und will es mir mitgeben …
Da nehme ich sicherheitshalber im Rucksack mal zwei richtig gute Barrel Aged Biere aus Polen mit. Ganz edle Sachen. Und sollte der Herr G. wider Erwarten doch kein Bier besorgt haben, dann hat er die beiden Flaschen trotzdem von Herzen verdient – er ist ja ein feiner Kerl.
So oder ähnlich lauteten meine Gedanken, und ich liege nicht falsch, wie ich feststellen darf, nachdem die erste Tasse Kaffee getrunken worden ist: „Ich hätte da noch ein paar gute Biere für Sie“, erzählt Herr G. nämlich, und kramt umständlich einen Karton unter seinem Schreibtisch hervor. Zeit genug für mich, die beiden Barrel Aged Flaschen aus dem Rucksack zu fischen: „Ich übrigens auch!“
Großes Gelächter auf beiden Seiten und wieder mal ein Anlass für interessante …
Verkostungsnotizen

Baltic Gose; Baltic Farm; Baltic Dubbel; Baltic Ale; Baltic Stout; Baltic Tripel
Rügener Insel-Brauerei – Baltic Gose (6,5%)
Das Bier hat eine schöne dunkelgelbe, fast schon orange wirkende Farbe; nach vorsichtigem Einschenken ist es fast klar, ich könnte aber auch den feinen Bodensatz aufschwenken und das Bier gleichmäßig trüb einschenken. Der Schaum ist üppig, schneeweiß und schön feinporig.#
Ein dezent säuerlicher Duft steigt in die Nase, gepaart mit einer feinen, an Weißwein erinnernden, fruchtigen Note.
Der Antrunk ist bei weitem nicht so säuerlich, wie es der Duft vermuten lassen mag – die Säure ist weich und zurückhaltend. Gleichermaßen verhält es sich mit dem Meersalz, das dem Bier zugegeben worden ist – ganz dezent und zurückhaltend. Durchaus angenehm.
Auf der Zunge ist das Bier spritzig und frisch, und retronasal kommen die weinigen Aromen sehr schön zur Geltung. Für eine Gose fast schon zu weinig und mit 6,5% auch recht stark, aber trotzdem ein sehr angenehmes und trotz des Alkoholgehalts noch gut durchtrinkbares, erfrischendes Sommerbier, dessen Abgang überraschend lang (und immer noch weinig …) ist.
Rügener Insel-Brauerei – Baltic Farm (6,5%)
Die Farbe des Biers gefällt mir – ein dunkles Gelb, das fast schon ins Orangefarbene abdriftet. Das Bier ist leicht trüb und entwickelt eine ansprechende Schaumschicht, die in deutlich reduzierter Dicke dann recht lange hält.
Der Duft ist phenolisch-würzig und auf interessante und angenehme Art und Weise kantig-rau. Ein paar feine Fruchtnoten (Weintrauben) kann ich identifizieren.
Der Antrunk ist spritzig und knochentrocken. Auch auf der Zunge ist der knochentrockene Eindruck der dominierende. Ein paar holzige Aromen spüre ich, aber ohne, dass das Bier adstringierend wirken würde. Am Zungengrund und im Rachen ist eine kräftige Bittere spürbar, und über all diesen Eindrücken liegt auch retronasal wieder das interessante, kantig-phenolische, aber nie medizinisch, sondern immer nur holzig-kräuterig wirkende Aroma.
Nach dem Schluck bleiben die trockenen, holzigen Sinneseindrücke und das Aroma von Weintrauben noch einen kurzen Moment haften – sehr schön!
Rügener Insel-Brauerei – Baltic Dubbel (8,5%)
Kräftig braun und noch kräftiger trüb ergießt sich das Bier ins Glas. Der beigefarbene Schaum entwickelt sich recht ordentlich, weist aber nur wenig Ausdauer auf – nach wenigen Minuten steht das Bier eher schmuddelig wirkend als braune Brühe im Glas.
Der Duft ist würzig, ein bisschen kräuterig und etwas schokoladig.
Der Antrunk ist überraschend spritzig und fast ein wenig spitz, auf der Zunge zeigt sich eine hauchfeine Säure, eine leichte, weinartige Süße mit einem feinen Touch Schokolade, und nach dem Schluck kommen retronasal angenehme, lakritzige Aromen zum Vorschein.
Alles ganz interessant, doch irgendwie wirkt es unausgewogen und nicht so richtig harmonisch.
Aber … nach ein paar Bissen würzigem Bergkäse stellt sich das Bier anders dar. Viel runder wirkt es nun, weicher und stimmiger. Also ein guter Kandidat für eine Bier-Käse-Verkostung!
Rügener Insel-Brauerei – Baltic Ale (7,5%)
Ein schönes und leuchtendes Gelb zeichnet dieses Bier aus. Es ist fast klar und trägt einen schneeweißen Schaum.
Der Duft ist kräuterig-herb, erinnert ein wenig an Sandelholz und Weißwein mit einer dezent phenolischen Note im Hintergrund.
Der trockene and weinige Antrunk wird gefolgt von einem fruchtig-weinigen Eindruck auf der Zunge. Angenehme Weißwein- und Traubennoten machen sich retronasal bemerkbar, eine feine, ganz zurückhaltende Säure ist zu spüren, und hinten auf der Zunge spüre ich einen leichten, nicht unangenehmen, adstringierenden Effekt. Obwohl das Bier knochentrocken ist, wirkt es durch die fruchtig-weinigen Aromen leichtfüßig, und sowohl die Bittere als auch die Phenole halten sich gerade so weit zurück, dass sie einen interessanten Akzent setzen, aber nie eine Dominanz anstreben.
Nach dem Schluck rückt der weinige und kräuterig-herbe Eindruck noch stärker in der Vordergrund.
Ein interessantes Bier, das zum Schluck-für-Schluck-Hinterhersinnieren einlädt.
Rügener Insel-Brauerei – Baltic Stout (7,5%)
Tiefschwarz und blickdicht ist das Bier, und nur der in der Flasche am Boden klebende leichte Bodensatz beweist, dass das Bier unfiltriert ist – eine Trübung hätte ich im Glas sonst nicht erkennen können. Der Schaum ist beigefarben, feinporig und nicht allzu lange haltbar.
Der Duft des Biers ist merkwürdig. Einerseits rieche ich angenehme Röstaromen, einen Hauch von Kaffee und etwas Mokkaschokolade. Andererseits spüre ich auch einen Hauch Salmiak, der dem ganzen einen ganz leichten Hauch von Abwasserkanal verleiht.
Der Antrunk ist weich und präsentiert zunächst die Kaffee- und Mokka-Aromen in einer süßlichen Matrix. Auch auf der Zunge setzt sich dieser Eindruck fort. Kaum habe ich jedoch geschluckt und atme vorsichtig durch die Nase wieder aus, kommt erneut der Kanalgeruch retronasal zum Vorschein. Es sind fast schon Fäkalnoten, die ich hier wahrnehme.
Keine Ahnung, was da passiert ist, aber so sollte ein Stout definitiv nicht riechen …
Rügener Insel-Brauerei – Baltic Tripel (9,5%)
Das sechste und letzte Bier dieser Verkostungsrunde versöhnt mich wieder – das Baltic Tripel ist in allerbester Form:
Es hat eine schöne, leuchtende strohgelbe Farbe, ist dezent trüb und trägt eine sehr schöne, altweiße Schaumkrone, die sich sehr lange hält – was für ein Bier dieses Alkoholgehalts, es sind immerhin fast zehn Prozent, durchaus ungewöhnlich ist.
Der Duft ist weinig-würzig mit feinen Fruchtnoten (gelbe Stachelbeeren, Quitte) und weist im Hintergrund die fast allen Bieren der Rügener Insel-Brauerei eigene, ganz leicht cider-artige Note auf.
Der Antrunk ist frisch, fast schon spritzig, und auf der Zunge geriert sich das Bier spielerisch und leichtfüßig. Feine weinige und würzige Aromen tanzen auf der Zunge, bleiben neckisch und spielerisch und werden von einer nur leicht zuckrig wirkenden Süße unterfüttert. Erst kurz vor dem Schluck kommt eine leichte Bittere zum Vorschein, die nach dem Schluck dann durchaus kräftig wird, aber wunderbar mit den retronasal nun recht prägnant werdenden weinigen Aromen harmoniert.
Einen Moment später kommt eine feine alkoholische Wärme und eine ganz leicht spritige Note hinzu – letztere ist es, die dem Bier auf der Zielgeraden noch den fünften Stern wieder wegnimmt. Aber nur ganz knapp.
Ein sehr schönes Bier!
Weitere Berichte über den Tauschhandel am Arbeitsplatz sind von hier aus erreichbar.
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