„Man müsste ja mal …“ – „Irgendwann habe ich mal Zeit und Gelegenheit …“ – „Hoffentlich klappt es nächstes Jahr …“
Lange schon begleiten mich diese Gedanken, irgendwann einmal im Restaurant De Gebrande Winning einzukehren, dem besten Bierrestaurant der Welt, und mich dort mit einem mehrgängigen Menü mit Bierbegleitung verwöhnen zu lassen.
Viel zu lange schon.
Immer kommt was dazwischen, immer ist irgendwas. Manchmal gab es auch Phasen, da habe ich gar nicht mehr dran gedacht.
Heute, am 2. Mai 2025, ist es aber soweit. Dank Frederic Paquet von belgoshop.de und der von ihm organisierten Bier-Genusstour 2025 stehe ich jetzt vor dem schlichten Ziegelgebäude, das von außen nach kaum mehr als einem alten Bauernhaus aussieht.
Letztlich ist es auch genau das. Ein alter Bauernhof aus dem frühen 17. Jahrhundert, der 1784 von Ganoven, die mit mafiaähnlichen Methoden illegale Steuern eintreiben wollten, in Brand gesetzt und zerstört worden war. Nach dem Wiederaufbau bekam der Hof seinen sprechenden Namen – De Gebrande Winning.
Raf Sainte hat hier 2014 begonnen, vorzügliche Küche mit ebenso vorzüglichen Bieren zu kombinieren, und in regelrechter Besessenheit, was die Qualität und die Details seiner Gerichte anbelangt, hat er es geschafft, nur sechs Jahre später im Portal Ratebeer zum besten Bierrestaurant der Welt gekürt zu werden. Dass er seit 2019 im Guide Michelin geführt wird und im Gault Millau 13 von 20 Punkten hat, ist dann quasi „nur noch“ Dreingabe.
Neugierig betreten wir den großen, aber durch geschickte Raumteilung überhaupt nicht groß wirkenden Speisesaal – der elegant gedeckte Tisch wartet schon auf uns.
Kaum haben wir es uns bequem gemacht, serviert uns Joachim Tops, der Chef-Bierkenner (Zythologe, wie es hier in Belgien heißt), ein spezielles Aperitif-Bier der Brouwerij De Vlier, und zwar ein mit Champagnerhefe vergorenes, acht Prozent starkes und knochentrockenes Bière Brut namens Gerafineerd, übersetzt raffiniert, und benannt zu Ehren von Raf Sainte. Wie auch zu allen anderen Bieren, die noch folgen werden, erzählt er ein wenig über die Brauerei, das Geschmacksprofil und warum er gerade dieses Bier jetzt gerade serviert. Wir knabbern dazu am frischen Brot mit zart geschlagener Butter, die in Form von kleinen Totenköpfen serviert wird.
Tja, und dann beginnt das kulinarische Feuerwerk, bei dem weder die Fotos noch die Beschreibung auch nur annähernd an das herankommen können, was uns an Gaumenfreude bereitet wird.

ein kulinarisches Feuerwerk
Noch zum Gerafineerd Brut werden kleine Zigarrenkisten bereitgestellt – der Inhalt: Kroketten in Zigarrenform, Kalbfleisch mit Thunfischsoße (Vitello Tonnato) und Schinken, alles zart geräuchert. Nicht nur optisch eine Überraschung!
Es folgt zarte Entenbrust mit Spargel und tropischen Früchten, begleitet vom 6,5%igen Prana IPA der Brauerei Soma aus Girona in Spanien. Eine perfekte Kombination, und vor allem der Beweis: Die Bierdose hat es in die gehobene Küche geschafft! Joachim präsentiert uns die bunte Bierdose mit der gleichen unaufdringlichen Eleganz wie die edle Flasche des Bière Brut vorher.
Es folgt zart angerösteter Spargel mit Nordseegarnelen und Bärlauch, begleitet von einem Bierhybriden, einer Assemblage von Bier und weißen Trauben, dem siebenprozentigen Grappe Blancs 2023 der Brasserie La Malpolon.
Die Ochsenbäckchen, die als nächstes serviert werden, werden ebenfalls von Spargel begleitet, dazu Kartoffeln und Erbsen als feinstes Püree. Das 7,2%ige Bruxellensis Reserva der Brüsseler Brasserie de la Senne passt – natürlich! – perfekt dazu.
Zwischen den Gängen blättern wir begeistert in der Bierkarte. Edel in dickem Holz eingebunden und mit einem kleinen Vorhängeschloss verschlossen, wird sie uns an den Tisch gereicht – eine Lektüre für absolute Bierkenner und -liebhaber. Oh, und was hier alles für Schätzchen angeboten werden. Ob es über zwanzig Jahre alte Trappistenbiere sind oder edle Biere in belgischem Stil, aber in Übersee gebraut … Die Augen gehen uns über, und die Phantasie geht auf Reisen in die tiefen Keller des alten Bauernhauses, in dem angeblich noch viel, viel mehr Spezialitäten und Schätzchen schlummern als selbst die umfangreichste Bierkarte aufzulisten vermag.
Übermütig wird eine große Flasche Lee Kriek Réserve – Cacao & Vanilla Cuvée – Spontaneous Red Ale bestellt, ein 7,7%iges, spontanvergorenes Bier im Lambik-Stil, aber gebraut bei der de Garde Brewing in Tillamook in Oregon. Das kommt jetzt, obwohl aus den USA, nicht in der Dose, sondern in einer edlen Flasche mit Naturkorken, serviert im geflochtenen Strohkörbchen, um die Flasche leicht schräg zu fixieren, auf dass sich der Bodensatz nicht gleich in die Gläser ergieße. Nach drei Jahren Lagerung in Eichenfässern ist dieses Bier 2021 auf Flaschen gezogen worden. Zwar bekommt jeder aus unserer Gruppe nur ein kleines Schlückchen, es ist ja auch nur eine einzige, wenn auch größere, Flasche, aber: Es ist ein Gedicht!
Hervorragende Stimmung macht sich breit, und der Zufriedenheit und allerhöchstes Gaumenglück widerspiegelnde Lärmpegel steigt ein wenig. Joachim tritt an unseren Tisch und schimpft: „Shut up, you talk too loud!“ Ein wenig erschrocken schauen wir auf, es wird still am Tisch. Joachim lacht. „Das ist der Name des nächsten Biers, eines achtprozentigen Hazy Double India Pale Ale der Brauerei BramBrass aus Zwevegem.“ Auch aus der Dose! Das dazu servierte Hähnchen (Brust und Keule) mit Spargel, Pastinakenmus und Zucchini ist ein perfektes Match. Nase, Zunge und Gaumen wissen gar nicht, wohin sie als erstes riechen und schmecken sollen, und für einen Moment wird es wieder genießerisch still an unserem Tisch.

was für eine hervorragende Bierauswahl
Zeit für den Nachtisch. Auch hier wieder eine geniale Kombination. Aus der Küche kommt eine Creme Brulée mit Rhabarber und Pistazien, aus dem Keller das Faustina, ein 5,4%iges Kersenvlaai Pastry Sour aus der Brouwerij De HopHemel. Wie alle HopHemel-Biere aus der Dose und mit einem Heiligenbildchen, diesmal von der Heiligen Faustina, auf dem Etikett. Die kremige und feiste Textur der Creme Brulée kontrastiert mit der frischen Säure des Biers, Rhabarber aus der Creme und Kirsche aus dem Bier ergänzen sich in vollendeter Harmonie.
Seufz! Das war schon das Dessert – ein eindeutiges Zeichen, dass der Genuss sich langsam dem Ende zuneigt. Es gibt noch einen Kaffee zum Abschluss, ein bisschen Gebäck und Süßigkeiten, und … auf individuelle Bestellung auch eine kleine Flasche Orval aus dem Jahr 2004. Einundzwanzig Jahre alt, 6,2% stark und mit zwar etwas geringerer, aber noch durchaus spürbarer Rezens und einem faszinierenden, vielschichtigen Aroma.
Was für ein gigantischer Genuss! An fünf Tagen die Woche servieren Raf Sainte, Joachim Tops, Loes Smets und Lieve Otten jeweils zwei Mal, mittags und abends, ein perfekt komponiertes Biermenü allererster Klasse. Ein wahrer Traum, und zurück im Hotel dauert es noch eine ganze Weile, bis die Begeisterung so weit nachgelassen hat, dass an Schlaf zu denken ist.
Das weltbeste Bierrestaurant De Gebrande Winning serviert täglich außer montags und mittwochs, beginnend im Zeitfenster 12:00 bis 13:15 Uhr und 18:00 bis 19:30 Uhr bis zum Ende des Desserts mehrgängige Biermenüs mit immer wieder neuen und interessanten Beer-Food-Kombinationen. Eine Reservierung im Voraus ist dringend geboten; vegetarische und vegane Küche gibt es nicht. Zu erreichen ist das Restaurant am besten mit dem Taxi oder einem halbstündigen Fußweg vom Bahnhof Sint-Truiden aus. Das eigene Auto empfiehlt sich angesichts der Bierauswahl überhaupt nicht!
De Gebrande Winning
Zepperenweg 7
3800 Sint-Truiden
Belgien
Vielen lieben Dank an Frederic Paquet und belgoshop.de für die Organisation dieses Besuchs!
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