Boerenerf
Huizingen
BEL

[Blick zurück auf Anfang Mai 2025]

Seit 2020 wirken Senne Eylenbosch und Vincent Alluin auf dem kleinen Familienbauernhof Boerenerf im Sennetal südlich von Brüssel und züchten dort nicht nur Hochlandrinder, sondern produzieren auch spontanvergorene Sauerbiere, Fruchtweine und hybride Getränke. Natürlich gehen die Anfänge noch weiter zurück, denn um zum ersten Mal ein im Fass gereiftes und gelagertes Sauerbier auszuschenken, bedarf es jahrelanger Vorarbeit. 2020 ist aber das Jahr, in dem die Biere zum ersten Mal verkauft wurden.

Eigentlich reicht die Braugeschichte noch viel weiter zurück in die Vergangenheit, wie wir während unseres Besuchs lernen werden, nämlich bis ins Jahr 1871, als hier eine Brauerei in Betrieb genommen worden war, aber da diese 1965 ihren Betrieb eingestellt hatte, gibt es leider eine große Lücke in der Historie.

Zurück ins Jahr 2025.

„Welkom Boerenerf“. Ein kleines Holzschild nur, gefertigt aus einem Fassdeckel und mit weißer Farbe bemalt. Noch schlichter, noch bescheidener kann man seine Gäste kaum willkommen heißen …

Wir gehen über den Schotter in eine alte Scheune hinein. Alte Ziegelmauern, denen man ihre Geschichte ansieht. Heiße Sommer, kalte Winter, Regen, Hagel, Schnee haben sie verwittern lassen und ihnen ihr malerisches Aussehen gegeben.

Drinnen empfängt uns warme Gemütlichkeit. Dicke Ledersofas, weiche Teppiche und ein Rinderfell an der Wand im Salon, holzverkleidete Wände und robuste Holzmöbel im großen Verkostungsraum. Senne stellt uns in kurzen Worten die Geschichte des Hofs und der Brauerei dar, und während er erzählt, nimmt er bereits eine erste Flasche zur Hand, spannt sie vorsichtig in den gewaltigen, stationären Korkenzieher, der schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hat, und zieht mit einem leisen Schnalzen den Korken aus der Flasche.

Mus’iek im Glas und in den Ohren

Es ist Musik in unseren Ohren, und Mus’iek steht auch auf der Flasche. Ein Kunstwort, denn bei dem tiefroten Getränk, das Senne uns nun verkosten lässt, handelt es sich um ein Blend aus Kriek-Lambik und Muscateller-Trauben. Säuerlich fruchtig schmeckt es, mit viel Tiefe und Komplexität. Man muss schon sehr sorgfältig hinschmecken, um wenigstens ein paar ganz flüchtige Malzakzente im Hintergrund zu erspüren, die dieses Getränk letztlich doch als Bier identifizieren. Ein Bier-Wein-Hybride, bei dem sogar die Bierkomponente schon so exotisch ist, dass sie weit über das hinausreicht, was man üblicherweise mit dem Begriff Bier assoziiert.

Das Blenden von immer neuen und interessanten Kombinationen sei ihre Passion, erzählt Senne über sich und Vincent, und er gibt uns eine kleine Vorstellung davon, was man alles an Früchten und Lambiks miteinander kombinieren kann: Zum einen sind es verschieden Traubensorten, zum anderen aber auch zahlreiche Früchte, die auf dem Hof oder in der unmittelbaren Nachbarschaft wachsen. Klassisch natürlich die Krieken, also die belgischen Schwarzkirschen, aber auch mit Rhabarber, Mirabellen und Birnen wird gearbeitet. Und im Symbiose finden sich sogar gleich drei Komponenten wieder – Lambik, Cider und Met.

Er weist auf die Holzregale hinter sich. „Sucht Euch aus, was Ihr als nächstes verkosten mögt. Gläser stehen bereit.“ Das lassen wir uns nicht zwei Mal sagen, und Augenblicke später stehen sieben kleine und große Flaschen auf den groben Holztischen vor der Scheune. Kreuz und quer wird probiert, und trotz langer und intensiver Diskussionen können wir uns nicht einigen, welches dieser Blends denn nun wirklich das beeindruckendste ist:

  • Musʼiek – Muscat x Kriek 2024 (6,95%)
  • Kriek Bourbon – Kriek x Lambiek 2023 (8,9%)
  • Ravendel – Rhabarber x Lavendel x Lambiek 2024 (5,65%)
  • Edelrood – Pinot Noir x Kriek 2023 (6,95%)
  • Alsacien – Quetsche x Lambiek 2024 (5,9%)
  • Oude Kriek – Kriek x Lambiek 2024 (6,67%)
  • Avondrood – Pinot Noir x Kriek 2023 (8,4%)

„Auf geht’s, etwas Bewegung tut gut. Es ist noch früh am Tag, und auch wenn heute Sonntag ist, sollte Euch der Alkohol nicht jetzt schon zu Kopfe steigen“, lacht Vincent, und führt uns nun durch die Nachbargebäude. In großen Holzfässern lagern in den alten Scheunen und Hallen die unterschiedlichsten Mischungen, kryptisch mit Kreidezahlen beschriftet. Uralte Fässer, nagelneue Fässer – sorgfältig geordnet, aber nach Ordnungsprinzipien, die sich nur dem erschließen, der sie geschaffen hat.

Verkostung inmitten der alten Holzfässer

Ein paar Schritte weiter die Straße rauf steht das alte Brauereigebäude. Weiß gekalkte Ziegelwände, mehrere Stockwerke hoch. Große, in die Fassade eingemauerte Jahreszahlen stehen dort. 1876 für die Errichtung des Gebäudes, 1926 für die Fünfzig-Jahres-Feier, 2008 für den Umbau der denkmalgeschützten Gebäude in moderne Loftwohnungen. „Dort oben, das ist unser Appartement“, zeigt Vincent stolz. Ein Ambiente, wie es schöner kaum sein kann.

Für einen Moment geht es noch einmal zurück in den Schankraum. Rucksäcke werden gefüllt, Biere und Souvenirs erstanden.

„Die Nachfrage nach unseren Blends ist so gewaltig, dass wir mit den Scheunen hier auf dem Hof jetzt schon nicht mehr auskommen“, erzählt Senne, und so fahren wir ein paar Kilometer bis zum Stadtrand, wo in einer großen Industriehalle hunderte weiterer Holzfässer stehen und wo mittlerweile auch die Hauptgärung in großen Stahltanks stattfindet. Hat uns die Vielfalt an Fässern in der Scheune schon fasziniert … hier erschlägt sie uns geradezu. Nicht nur neue und alte Fässer stehen hier bunt gemischt, sondern auch zahlreiche Fässer mit unterschiedlichen Vorbelegungen – Stout, Amarone, Armagnac, Calvados, Cognac und unzählige verschiedene Weinsorten.

unzählige Fässer reifen hier

Senne genießt unsere Begeisterung, und seine Augen leuchten, während er von seinen Plänen schwärmt. Schier unbegrenzt ist die Zahl der möglichen Blends, unendlich das Universum der verschiedenen Aromen und Geschmäcker. Und wir sind uns sicher: Angesichts dieser Begeisterung, gepaart mit dem richtigen Händchen (oder besser Näschen …) für die richtige Mischung werden wir von der noch so jungen Brauerei Boerenerf mit Sicherheit noch viel hören!

Der Boerenerf Verkostungsraum (mit Flaschenverkauf) ist sonnabends von 14:00 bis 19:00 Uhr geöffnet. Besondere Anlässe werden auf der Website angekündigt. Zu erreichen ist der kleine Bauernhof mit der Bahn (S5). Ab dem Haltepunkt Huizingen sind es etwa zehn Minuten zu Fuß bis zum Hof.

Bildergalerie

Boerenerf
Sollenberg 3
1654 Huizingen
Belgien

Vielen lieben Dank an Frederic Paquet und belgoshop.de für die Organisation dieses Besuchs!

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