[Blick zurück auf Oktober 2024]
Oktoberfest und mehr!
Sechs „Münchner“ Brauereien haben ein seit vielen Jahrzehnten funktionierendes Kartell gebildet und teilen das größte Volksfest der Welt, das Münchner Oktoberfest, unter sich auf. Den bayerischen Politfilz interessiert dieses Gemauschel nicht – ganz im Gegenteil, fleißig mischen sie in dieser Korruptionsgemengelage mit, und ich möchte nicht wissen, wieviel Geld dort von einer schwarzen Kasse in die andere fließt. Und das alles, obwohl vier der sechs Brauereien zu großen Konzernen gehören, die mit München gar nichts zu tun haben – außer, dass sie die Stadt und die Herkunft ihrer vor Ort gebrauten Biere mit dem Image der Stadt bewerben.
Dieses Kartell hat sich, und das ist jetzt nicht ganz so verwerflich, wie die Existenz des Kartells an sich, den Namen „Oktoberfestbier“ schützen lassen. Insofern gibt es jedes Jahr genau sechs Oktoberfestbiere zu verkosten.
Aber es gibt auch eine Reihe weiterer Brauereien, die „zufälligerweise“ zur selben Zeit ebenfalls Festbiere auf den Markt bringen – mit mehr oder weniger ebenso „zufällig“ an das Oktoberfest erinnernden Markennamen.

neunzehn Bierspezialitäten
Alle sechs Oktoberfestbiere und eine ganze Reihe weiterer Festbiere zur Oktoberzeit (plus sogar noch ein paar weitere Kostproben anderer Biere – insgesamt neunzehn Stück! – und ein paar Gläser selbstgemachter Marmelade, wow!) finden sich in einem riesigen Verkostungspaket, das mich heute erreicht.
Na klasse! Da habe ich was zu tun, auf das ich mich von ganzem Herzen freue!
Verkostungsnotizen
Hofbräu – Oktoberfestbier (6,3%)
Die Farbe ist ein kräftiges Goldgelb. Das Bier ist blank filtriert und trägt einen üppigen, sehr kremigen und lange haltbaren Schaum, der beim Trinken auch feine Ränder hinterlässt.
Der Duft ist intensiv malzig mit Kuchenteignoten.
Der Antrunk ist weich und rund. Auf der Zunge dominiert von Anfang an der runde, malzige Charakter. Die dezenten Kuchenteig- oder vielleicht eher Biskuitaromen sind deutlich; eine ganz fein blumige Note fällt demgegenüber deutlich in den Hintergrund zurück. Erst nach dem Schluck wird eine feine, zurückhaltende Bittere spürbar; der Malzcharakter bleibt trotzdem dominant.
Retronasal gesellen sich zu den Biskuitnoten ganz kurz ein paar höhere Alkohole, und zwar ohne dass sie spritig wirken. Der Eindruck verfliegt auch recht rasch wieder.
Trotz seiner Fülle nicht allzu saturierend.
Löwenbräu – Oktoberfestbier (6,1%)
Das Bier ist strahlend gelb und blitzblank filtriert; es trägt einen schneeweißen, ziemlich fest wirkenden Schaum, der auch lange hält und schöne Trinkränder im Glas hinterlässt.
Der Duft ist malzig und präsentiert ein paar leicht brotige Noten – aber nicht Brotkruste, sondern das weiche Innere eines frisch aufgeschnittenen Mischbrots.
Der Antrunk ist spritzig und fast schon ein wenig pfeffrig, bevor der Eindruck auf der Zunge dann etwas malziger wird. Die Malz- und Brotteigaromen halten sich einen Moment im Mund, und retronasal werden sie angenehm rund. Die etwas scharfe Spritzigkeit bleibt allerdings auch erhalten und bremst zumindest zu Beginn die Trinkgeschwindigkeit.
Nach dem Schluck erst wird das Bier etwas runder und voller, so, wie ich es eigentlich von Anfang an erwartet hätte. Gleichzeitig warte ich quasi ungeduldig auf eine wie auch immer spürbare Hopfenbittere, aber erst ganz am Ende wird diese Geduld belohnt: Für einen kurzen Moment gibt der Hopfen ein kleines Lebenszeichen von sich, bestätigt kurz, dass er nicht vergessen wurde, sondern in diesem Bier doch alle vier Grundstoffe mit verbraut wurden, meldet sich dann aber auch rasch wieder ab, nicht ohne die Malznoten mitzunehmen und mit ihnen gemeinsam von der Bühne abzutreten.
Hm, habe ich etwas Kräftigeres erwartet? Oder doch nur etwas Runderes, Weicheres? Ich bin mir nicht ganz sicher …
Augustinerbräu – Oktoberfest Bier (6,3%)
Die Farbe ist ein schönes Goldgelb. Das Bier ist blank gefiltert, der Schaum ist reichlich, schneeweiß, vielleicht ein bisschen zu grobporig, aber schön lange haltbar.
Der Duft ist aus meiner ganz persönlichen Sicht Augustiner-untypisch – es fehlt nämlich die den Augustiner-Lagerbieren sonst meistens eigene, leichte Schwefelnote.
Der Antrunk ist mild, und auf der Zunge dominiert ein weicher, runder Malzcharakter, der nur von einer ganz schwachen Hopfenherbe ergänzt wird. Retronasal spüre ich klassische Malznoten mit feinen Biskuitaromen. Auch nach dem Schluck bleibt das Bier weich, malzig und rund. Und schwefelfrei!
Paulaner – Oktoberfest Bier (6,0%)
Das Bier präsentiert sich blitzblank filtriert in goldgelber Farbe und mit schneeweißer Schaumkrone, die sich allerdings recht fix verdünnisiert.
Der Duft ist eher zurückhaltend mit dezenten Malznoten und einem Hauch Biskuit.
Der Antrunk ist weich, fast schon ein bisschen sämig. Auf der Zunge macht das Bier einen runden, fülligen Eindruck, ist sehr malzbetont und nur sehr, sehr zurückhaltend in der Hopfenherbe. Retronasal sind die Malz- und Biskuitnoten angenehm, aber nur schwach zu spüren. Nach dem Schluck warte ich und hoffe ich auf ein wenig mehr Bittere, um den Malzcharakter ein bisschen zu ergänzen, aber stattdessen spüre ich nur eine fein viskose Textur auf den Schleimhäuten, die im weitesten Sinne als seifig empfunden werden könnte.
Letzteres ist nicht wirklich mein Fall und regt jetzt nicht zum Weitertrinken in großen Schlucken an.
Hacker Pschorr – Oktoberfest Bier (6,0%)
Die Farbe dieses Oktoberfestbiers ist dunkelgelb, fast schon rotgolden. Es ist blank filtriert, entwickelt durchschnittlich viel, schneeweißen Schaum – der verschwindet aber blitzschnell, so dass es schwierig ist, ihn überhaupt zu fotografieren.
Der Duft ist, nun ja, extrem zurückhaltend. Ein ganz feiner Malzduft, nur ein Hauch, und gleich dahinter eine zarte Brotteignote, ganz flüchtig.
Der Antrunk ist durchaus scharf, fast schon ein bisschen pfeffrig. Auf der Zunge verschwindet diese Schärfe rasch und macht einem milden Malzcharakter Platz. Eine feine Herbe ist zu spüren, und retronasal werden die Brotteignoten ein bisschen stärker spürbar, während das eher getreidige Malzaroma verblasst. Nach ein paar Schlucken kommt retronasal auch eine leicht metallische, rostige Note hervor.
Nach dem Schluck kommt eine feine Hopfenherbe zum Vorschein, sie bleibt aber sehr dezent.
Die metallische Note und das blitzartige Verschwinden des Schaums gefallen nicht wirklich; abgesehen davon ist das Bier schön ausbalanciert.
Spaten – Oktoberfestbier (5,9%)
Eins steht schon vor dem Einschenken fest: Das Spaten Oktoberfestbier hat das Etikett, das mich am ehesten anspricht. Ich mag retro!
Im Glas ist das Bier dann goldgelb und blank filtriert. Es entwickelt nur wenig, und dann auch noch sehr flüchtigen Schaum.
Der Duft ist malzig mit feinen Brotteignoten – es wirkt einen Hauch würziger als die vorherigen Oktoberfestbiere, was nicht heißt, dass der Geruch intensiver sei.
Der Antrunk ist malzig und präsentiert sogar eine leichte Herbe. Auf der Zunge ist das Bier recht trocken und schlank, und es wirkt ein bisschen mineralisch. Der Malzcharakter ist zwar spürbar, aber nur zurückhaltend. Retronasal spüre ich die würzigen Brotteignoten nur dezent, aber sie sind vorhanden.
Nach dem Schluck klingt das Malzaroma langsam ab; eine feine Herbe bleibt für einen Moment länger präsent. Nicht genug, um auf klassische Art die Schleimhäute trocken zu machen und nach dem nächsten Schluck lechzen zu lassen, aber immerhin: Es ist von den sechs Oktoberfestbieren aus meiner Sicht das herbste. Und das alkoholschwächste.
Giesinger – Festbier (6,0%)
Das Bier hat eine kräftig dunkelgelbe Farbe, ist blank filtriert und trägt einen schönen, weißen Schaum, der allerdings nicht übermäßig lange hält.
Der Duft ist malzig, wie es sich für ein Festbier gehört. Feine und dezente Brotkrustennoten im Hintergrund runden das olfaktorische Erlebnis ab.
Der angenehm runde und volle Antrunk gefällt, ebenso das weiche Mundgefühl. Satt und malzig breitet sich das Bier im Mundraum aus, ohne dabei zu mastig zu werden und an Durchtrinkbarkeit zu verlieren. Retronasal spüre ich die Malznoten mit leichten Biskuitaromen und einem jetzt weiter in den Hintergrund tretenden Brotkrustenaroma. Bittere ist kaum zu spüren, und auch nach dem Schluck bleibt das volle, runde Malz dominierend.
Sehr ansprechend und trotz der Malzfülle nicht saturierend.
Bergfeldbräu – Festbier (5,6%)
Für ein Festbier ist dieses Bier relativ hell. Es ist blank filtriert und bildet nur wenig, nicht sehr haltbaren Schaum aus.
Der Duft ist malzig mit keksteigigen Noten.
Der Antrunk ist malzig mild, und auf der Zunge offeriert das Bier eine mittelstarke Malzfülle, bleibt weich und leicht kremig und zeigt retronasal wieder die Keksteig-Malzaromen. Die Hopfenbittere ist sehr zurückhaltend.
Im Abgang bleibt es beim malzigen Charakter, der durch seine dezent kremige Textur doch ein bisschen sättigend wirkt.
Weiherer – Festbier (5,8%)
Das Bier hat eine kräftige, dunkel-strohgoldene Farbe, ist blank filtriert und trägt nur eine Mini-Schaumschicht, die auch nicht übermäßig lange hält.
Der Duft ist malzbetont, etwas brotig und mit spürbaren Melanoidinmalz-Noten, die eine ausgeprägte Vollmundigkeit erwarten lassen.
Der Antrunk zeigt: Genau so ist es dann auch. Ein nicht zu weicher, aber trotzdem sehr voller Eindruck, eine fast schön sämige Fülle, die sich schwer auf die Schleimhäute im Mundraum legt, eine runde Malzsüße und eine recht zurückhaltende Hopfung, die es nicht wagt, so viel Bittere aufzubieten, als dass sie die Malzfülle in Schach halten könnte. Im Abgang wird der brotige Charakter des Biers noch ein bisschen deutlicher.
Ein Bier wie eine Mahlzeit. Wenige Schlucke genügen, um sich satt zu fühlen. Obwohl die Gerüche und Geschmäcker alle sehr schön sind, fehlt mir eine Leichtigkeit, die das Bier durchtrinkbar machen würde. Ein Bier für Messer und Gabel; für mich persönlich zu saturierend.
Brauhaus Garmisch – Olympiator – Dunkler Doppelbock (8,3%)
Achtkommadrei Prozent? Das ist doch mal eine solide Ansage! Das Bier erfüllt optisch mal die Erwartungen: Dunkelbraune, im Licht leicht ins Rubinrote changierende Farbe, eine leichte Trübung und ein beigefarbener, kremiger und feinporiger Schaum.
Auch der Duft passt: Dick und feist wie ein Malzbonbon mit feinen Kräuternoten. Ein Schelm, wer dabei an Ricola denkt …
Der Antrunk ist kräftig, leicht viskos, und auf der Zunge macht sich eine dicke Malzsüße breit. Die Malzbonbon-Assoziationen passen immer noch. Zusätzlich zur Malzsüße spüre ich aber auch einen feinen Röstcharakter mit einer leichten Bittere. Retronasal erfreuen mich die Kräuter, die ich beim Schnuppern am Glas schon in der Nase hatte.
Der Antrunk ist nicht so klebrig süß wie erwartet, sondern durchaus angenehm. Schlank kann man ihn nicht gerade nennen, aber durch eine feine Bittere wird die Mastigkeit gekontert und das Bier bleibt trinkbar.
Munich Brew Mafia – Mordsgaudi – Festbier (5,8%)
Das Bier ist kräftig strohgelb sowie leicht und gleichmäßig trüb. Der Schaum ist schneeweiß, nicht übermäßig üppig, aber recht lange haltbar.
Der Duft ist festbiertypisch – schöne, kräftige Malznoten, die ein leicht brotiges Aroma aufbieten. Nach einem Moment im Glas macht sich aber ein ganz leicht säuerlicher Hauch bemerkbar – wie bei einem Sauerteig und durchaus nicht unangenehm.
Der Antrunk ist frisch und spritzig und spiegelt die eben gerochene Säure dezent wider.
Auf der Zunge ist das Bier rund, nicht ganz so mundfüllend wie das eine oder andere vorher schon verkostete Festbier, und es offeriert sogar eine leichte Bittere. Der Blick auf das Etikett verrät, dass es mit Ariana und Saphir gebraut wurde, die beiden Hopfen bringen eine von mir als leicht grasig wirkend empfundene Aromatik ins Bier. Retronasal kommen ein paar kräuterige Noten hinzu; der Eindruck von frisch geschnittenem Gras bleibt aber ebenfalls erhalten.
Nach dem Schluck bleibt eine viskose Textur auf den Schleimhäuten haften, die ich persönlich nicht als begeisternd empfinde und die die Durchtrinkbarkeit des Biers leider reduziert.
Brauhaus Herrsching – Herrschinger Hell (4,9%)
Das Bier ist kräftig gelb und bei vorsichtigem Einschenken zunächst ganz klar. Der Schaum ist kremig, wirkt fast schon ein bisschen viskos und hält ganz schön lang. Beim Nachschenken dann die Überraschung: Das Bier ist gar nicht filtriert, sondern naturtrüb. Und das ganz schön kräftig. Ist allerdings nicht stiltypisch für ein klassisches Helles.
Der Duft ist malzig mit feinen Keksteignoten. Harmonisch!
Der Antrunk ist frisch, nicht zu spritzig, und auf der Zunge ist das Bier rund, fast schon samtweich. Eine Hopfenbittere ist zunächst gar nicht zu spüren, stattdessen ist die Malzsüße auf eine sehr ausgewogene Art präsent. Retronasal kommen zu den Keksteignoten ein paar warm-estrige Noten hinzu – Pfirsich und Honigmelone.
Nach dem Schluck wird erstmals eine ganz schwache Hopfenbittere spürbar – gerade so viel, dass sie in der Lage ist, zu verhindern, dass das Bier süßlich klebrig wird und der Nachklang vom Weitertrinken abhält.
Yankee & Kraut x BrewAge – Raging Heisl – Double NEIPA (7,7%)
Man muss schon das Kleingedruckte auf der Dose lesen, um herauszubekommen, um was für einen Bierstil es sich hier handelt – der Name „Raging Heisl“ sagt ja nix aus. Aber das hat dann auch den Vorteil, dass man auch die anderen kleingedruckten Informationen zur Kenntnis nimmt: „Drink fresh, buy more! Don’t forget to rate it 5/5 on untappd, because we love you too!“ Fehlendes Komma inklusive.
Das Bier ist hellgelb und milchig trüb und trägt eine dichte, weiße, üppige Schaumkrone, die auch relativ lang hält.
Der Duft ist süßlich und fruchtig mit Papaya- und Maracujanoten – ziemlich intensiv tropisch.
Der Antrunk setzt diesen Eindruck harmonisch und stetig fort. Zart schmeichelt eine kremige Süße der Zungenspitze. Dann breitet sich das Bier im Mundraum aus. Retronasale Tropenfruchtaromen steigen auf, gleichzeitig wird es aber auf der Zunge pelzig und rau, fast schon bekomme ich das Gefühl, als ob sich dort die oberste Schleimhautschicht beginnt, abzulösen. Merkwürdig.
Nach dem Schluck verstärkt sich dieses Gefühl für einen Moment, macht dann aber einer klassischen Bittere in Kombination mit einer leicht viskosen Textur Platz. Auch merkwürdig.
Kein schlechtes Bier, aber die Merkwürdigkeiten verhindern eine Spitzennote.
Crew Republic – Roundhouse Kick – Imperial Stout [2021 – 3 Jahre alt] (9,2%)
Tiefschwarz wie die Seele eines armen Sünders, der in der Hölle schmort – so steht das Bier im Glas. Leicht trüb ist es, und es trägt einen schönen, beigefarbenen und sich sehr üppig entwickelnden Schaum.
Der Duft ist vielschichtig – kräftige Röstaromen paaren sich mit Kaffee und Mokka sowie intensiven Kakao- und Bitterschokoladenoten.
Der Antrunk ist weich und rund, fast schon ein wenig viskos, und eine deutliche Süße ist spürbar. Auf der Zunge kommt zu dieser Süße eine kräftige Röstbittere hinzu. Gleichzeitig brennt ein retronasales Schoko-, Kakao- und Mokka-Feuerwerk ab, wie ich es selten erlebt habe. Zarte Vanillenoten geben diesem Feuerwerk einen verspielten Charakter. Ganz wunderbar.
Nach dem Schluck wird die Röstbittere noch dominanter, aber – oh Wunder! – sie bleibt samtig weich, wird auch nicht für den kleinsten Moment rau oder kratzig, und im Nachklang entwickelt sich eine feine, alkoholische Wärme.
Crew Republic – Rest in Peace – Barley Wine [2021 – 3 Jahre alt] (10,1%)
Ein seit mindestens drei Jahren gelagerter Barley Wine – das klingt außerordentlich vielversprechend!
Im Glas leuchtet das Bier dunkelrotbraun. Es ist dezent und gleichmäßig trüb, und es präsentiert sich mit einem üppigen, feinporigen und leicht gelblichen Schaum, der allerdings nicht lange hält.
Der Duft ist intensiv malzig und geprägt von dunklen, reifen Früchten – Pflaumen, überreife Erdbeeren, Cranberries.
Der Antrunk ist rund und süßlich, die Spundung ist nicht sehr hoch. Rasch macht sich auf der Zunge eine runde, fast schon warm wirkende Malzigkeit breit, die schöne, weinige Fruchtnoten mit sich bringt. Rosinenaromen, etwas schweren Madeira-Wein, in Rum eingelegte Trockenpflaumen – all das ist zu spüren, wird aber, und das ist für einen Barley Wine jetzt etwas untypisch, begleitet von einer feinen Röstnote, die die Süße kontrastiert, ihr die Klebrigkeit nimmt, gleichzeitig aber auch die runde Wärme etwas reduziert.
Nach dem Schluck wird die Röstnote etwas intensiver. Eine kräftige Bittere macht sich breit, die aber auch vom Hopfen getrieben zu sein scheint. Sie bleibt aber angenehm sanft, wird nicht rau oder gar kratzig.
Ganz am Ende schwebt noch eine leichte Kakaonote als letzter Hauch im Rachenraum, bevor sich das Bier sensorisch endgültig verabschiedet.
Yankee & Kraut – Lumberjack Snack – West Coast IPA (7,1%)
Ist es noch ein Dunkelgelb oder schon ein Hellorange? Auf alle Fälle leuchtet das Bier schön, ist gleichmäßig trüb und trägt eine schneeweiße, nicht allzu üppige Schaumdecke.
Der Duft ist sehr angenehm hopfig mit kräftigen, harzigen Noten, die genau die Aromen widerspiegeln, die das Label impliziert: Kiefernnadeln und -zapfen. Sehr schön!
Der Antrunk ist frisch und lässt schon im allerersten Moment eine intensive Harzigkeit spüren – die Schleimhäute an der Zungenspitze werden leicht rau, als würde ich an einem Stückchen Kolophonium lutschen. Einmal auf der Zunge und an den Mundschleimhäuten angekommen, unterstreicht das Bier diesen Eindruck – kräftige Harze und, vorrangig retronasal, dazu kräftige Terpenaromen.So was mag ich.
Nach dem Schluck werden diese harzigen Eindrücke und der raue Charakter auf den Schleimhäuten noch intensiver und kerniger – jetzt wird es fast des Guten zu viel, und das Bier verliert auf der Zielgeraden leider noch die Höchstwertung.
Trotzdem: Ein sehr gelungenes Bier!
Brewdog x Giesinger – Giesinger Erhellung (5,3%)
„Wie haben das Helle von Giesinger Bräu München neu interpretiert“, steht auf der Dose, und mein erster Gedanke ist: Ein Helles ist das aber nicht mehr!
Das Bier hat eine schöne, gelbe Farbe und einen stabilen, schneeweißen Schaum. Beides ist stiltypisch. Das war es dann aber auch.
Die kräftige, gleichmäßige Trübung passt schon nicht mehr – auch wenn sie gut aussieht.
Der Duft ist ausgeprägt hopfig, mit vorwiegend harzigen und kräuterigen Noten, aber auch einer feinherben Fruchtaromatik im Hintergrund. Gefällt mir, passt aber auch nicht zum Stil.
Der Antrunk ist spritzig und herb, und auf der Zunge dominiert vom ersten Moment an eine kräftig ausgeprägte Hopfenherbe nebst dazu passender Hopfenaromatik. Die harzigen und kräuterigen Noten machen sich retronasal gut bemerkbar; die herbfruchtigen Aromen kommen jetzt etwas deutlicher hinzu. Macht einem Pale Ale oder einem India Pale Lager alle Ehre – soll aber ein Helles sein.
Auch der Nachtrunk ist eher helles-untypisch: Knackige Herbe, harzig-fruchtige Aromen, leicht trockene Schleimhäute, die zum Weitertrinken anregen. Kann man als Pale Ale oder Hopfenlager oder was auch immer gut machen.
Ein sehr schönes Bier, aber: Definitiv kein Helles. Das ist keine Interpretation eines Hellen mehr, sondern ein völlig anderes (gutes!) Bier.
Bitburger – Winterbock [2021 – 3 Jahre alt] (7,0%)
Das Bier ist dunkelgoldgelb, fast schon orange und weist eine leichte, etwas flockig wirkende Trübung auf. Der dezent beigefarbene Schaum entwickelt sich recht üppig, ist aber nicht übermäßig lange haltbar.
Der Duft ist fruchtig mit Noten von überreifen, roten Stachelbeeren, Brombeeren und Rumtopf-Pflaumen, weist aber auch Honigaromen auf, die auf seine Alterung hindeuten.
Der Antrunk ist weich und ein wenig süßlich. Einmal auf der Zunge angekommen, füllt das Bier den Mund- und Rachenraum mit süßlichen Honignoten und einer feinen Biskuitmalzsensorik gut aus. Eine Hopfenbittere ist zwar spürbar, bleibt aber zurückhaltend. Retronasal sind jetzt die Honignoten im Vordergrund, dicht gefolgt von Pfirsicharomen.
Nach dem Schluck kommt eine dezent oxidiert wirkende Bittere hinzu – ein leichtes, adstringierendes Gefühl von nassem Karton macht sich auf den Schleimhäuten breit.
Das Bier bleibt trotzdem sympathisch.
Flötzinger – Wies’n-Märzen (5,8%)
Das Bier ist kräftig gelb bis strohgelb, blank filtriert und trägt einen schönen, schneeweißen Schaum.
Der Duft ist malzbetont mit feinen Keksteigaromen.
Dem weichen und fast schon samtig wirkenden Antrunk folgt ein runder, malziger Eindruck auf der Zunge. Die Malzsüße ist deutlich zu spüren, sie wirkt aber nicht zuckrig oder gar klebrig. Die süßlichen Keksteigaromen sind auch retronasal das prägende Element.
Nach dem Schluck wird eine sehr zurückhaltende Hopfennote spürbar.
Obwohl kaum Herbe vorhanden ist und die Süße dominiert, bleibt das Bier gleichwohl gut durchtrinkbar.
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