Kolumne
Bierige Bemerkungen
vom Brunnenbräu

Ist Euch das auch schon mal so gegangen? Ich stehe im Getränkemarkt meines Vertrauens und suche nach ein paar interessanten, gerne auch seltenen Bieren, um mir was Gutes zu gönnen.

„Wie wäre es denn mit einer Gose?“, frage ich mich und denke an meinen Besuch in Goslar, der Heimat dieses Bierstils, zurück. Ein helles, leichtes und erfrischendes Bier habe ich dort getrunken, das nicht nur wegen eines Hauchs von Säure auffiel. Aufgrund des harten Wassers der Gose, des Flüsschens, das durch Goslar fließt und dem Bier wie auch der Stadt den Namen gegeben hat, hatte das Bier nämlich auch einen mineralischen, fast schon salzigen Charakter. Sehr angenehm.

Ein paar verschiedene Flaschen packe ich ein und freue mich auf die Verkostung.

Ein paar Tage später: Ich teste mich durch meine Ausbeute. Das erste Bier – quietschsauer, fast wie Essig. Das zweite Bier – mit roten Früchten gebraut. Das dritte – salzig wie eingelegte Heringe. Und das vierte – gebraut mit Gurken!

Das kann man ja alles mögen, aber was hat es mit dem Original-Bierstil, also der Goslarer Gose zu tun? Früchte? Extreme Säure? Viel Salz? Gurken?

Auf meine Erwartungshaltung angesprochen, reagieren die Brauer ebenso wie der Verkäufer mit Unverständnis: „Das ist doch kreativ!“

Oh, ja, das ist es. Aber ich wüsste vielleicht gerne vorher schon, wie kreativ … Wenn vom Original-Bierstil fast nichts mehr übrig bleibt, wie soll ich als Konsument denn wissen, was ich für mein Geld bekomme?

Nun ist zugegebenermaßen die Gose ein sehr exotischer Bierstil, aber auch bei den klassischen Bieren fällt es mir manchmal auf: Da ist das Schwarzbier gerade mal mittelbraun, das eigentlich doch kräftig gehopfte Pale Ale süßlich und malzig, der starke Doppelbock wässrig und dünn und das erfrischende Sommerweizen nur schwach gespundet.

„Es gibt halt keine verbindlichen Vorgaben“, höre ich dann als Entschuldigung.

BJCP, EBS, BA, EBCU oder DLG1 … Unter welchen Kürzeln umfangreiche Stilbeschreibungen auch immer veröffentlicht werden – es sind immer nur Empfehlungen oder Spielregeln für Verkostungswettbewerbe, aber keine bindenden Auflagen für die Produktion und den Verkauf. So bekomme ich ein India Pale Ale mit 6,5% Alkohol von der einen Brauerei schon mal als „Session IPA“ angeboten, soll heißen, als leichtes, durchtrinkbares Bier, und von einer anderen als „Imperial IPA“, also als einen besonders kräftigen Vertreter des Stils.

Versteh einer die Welt!

Auch wenn’s bürokratisch klingt: Könnte man da zugunsten der Konsumentinnen und Konsumenten nicht vielleicht doch etwas mehr Struktur reinbringen und manche Bierstile nicht gar so waghalsig interpretieren? Was meint Ihr?

1 BJCP: Beer Judge Certification Program; EBS: European Beer Star; BA: Brewers Association; EBCU: European Beer Consumers Union; DLG: Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft

Dieser Text ist im Oktober 2023 im Kundenmagazin „Brauerlebnis – Das Magazin für Hobbybrauer“ von Hopfen und mehr erschienen.

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