[Blick zurück auf August 2025]
Es ist völlig egal, wie lange der letzte Prag-Aufenthalt her ist – kaum ist man in der Stadt und sieht und hört sich ein bisschen um, bekommt man mit, dass seit dem letzten Besuch wieder eine neue Brauerei eröffnet hat. Mal in der Altstadt, mal in den Außenbezirken, mal irgendwo im Industriegebiet. Dieses Mal: Im Messegelände!
Die Straßenbahn bringt uns raus nach Bubeneč, und schon beim Aussteigen sehen wir vor uns den Industriepalast, das beeindruckende Jugendstilgebäude, das 1891 als Ausstellungshalle nach einem Entwurf von Bedřich Münzbergr gebaut worden ist. Zwischenzeitlich arg verfallen, zum Teil zerstört, wird es gerade wieder auf Vordermann gebracht: Der Zentralbau und der rechte Flügel werden renoviert, der linke Flügel rekonstruiert. Bis 2026 soll es wieder in altem Glanz erstrahlen.

Jugendstilornamente laden zum Genuss ein
Bereits jetzt fertig ist die Pivovar Kolkovna. Ebenfalls ein sehr schönes Jugendstilgebäude. Neugierig marschieren wir direkt hinein und stehen in einem großzügigen Treppenhaus. Dunkelbraune Holztreppen führen links und rechts nach oben, der Raum darunter wird für ein paar wenige Tische genutzt, ansonsten ist es eher eine Art „Rennbahn“ für die Bedienungen, die hier kreuz und quer entlangflitzen. Schön, dass die Tische mit deutlich mehr Abstand stehen als man es sonst gewohnt ist. Da muss man nicht ständig drauf achten, dass man beim Hinsetzen den Gast am Nachbartisch gleich umlegt oder ihm zumindest einen ordentlichen Bodycheck verpasst.
Die Edelstahl-Zapftheke offeriert, Moment, ich zähle mal schnell, insgesamt sechs verschiedene Fassbiere, fünf davon aus eigener Herstellung. Das sechste ist Pilsner Urquell – unter der Marke Kolkovna werden in Prag nämlich mehrere Pilsner Urquell Original Restaurants (PUOR) betrieben – Restaurants, deren Bier- und Zapfkultur und -pflege von der Pilsner Brauerei peinlichst genau überwacht und regelmäßig kontrolliert werden und in die man sich daher mehr oder weniger blind hineinsetzen und ein perfekt gezapftes Pilsner Urquell genießen kann.
So auch hier – die Pivovar Kolkovna zapft nicht nur perfektes Pilsner Urquell, sondern bietet sogar Zapftrainings an, bei denen die Gäste und Besucher von Pavel Pressburg, dem Pilsner Urquell Master Beertender 2014, in der tschechischen Zapfkunst trainiert werden. Und die ist, wie Kenner wissen, nicht ohne – weshalb ich sie in diesem Blogbeitrag auch mal ausführlich beschreiben habe.
Aber wir sind ja nicht wegen des Pilsner Urquells hier. „Wo steht denn Eure Brauerei?“, fragen wir also die erste Kellnerin, die unseren Weg kreuzt. „Brauerei?“ Das junge Mädchen kuckt verständnislos. „Ich habe meine erste Woche, ich habe keine Ahnung.“
Hm, nachdenklich runzeln wir die Stirn, gehen angesichts des schönen Wetters erstmal in den Biergarten und staunen: Hinter großen, leider in der Sonne fürchterlich spiegelnden Glasscheiben sehen wir dort im Anbau … die Brauerei! Also, um die zu sehen und zu wissen, wo sie ist, muss man nicht erst seine erste Woche hinter sich bringen – da reicht eigentlich die erste Minute im Service …

Hinter spiegelndem Glas nur schwer zu erkennen: Das Sudwerk.
Sei’s drum! Im Biergarten ist es nett, warm, sonnig, und trotz der frühen Uhrzeit, wir haben noch nicht einmal zwölf Uhr, gönne ich mir jetzt erstmal ein Bier. Beziehungsweise „ein“ Bier, denn in Prag trinkt man nie nur ein Bier. Das elfgrädige Kolkovna K-Ale erfreut mit schönen fruchtigen Noten, eine für ein einfaches Golden Ale sehr ausgeprägten Bitterkeit und schönem Schaum. Sehr fein!
Mutig geworden, bestelle ich mir als zweites Bier etwas noch Experimentelleres, noch Un-Tschechischeres, nämlich das K-Sour, ein Sour Ale mit 10° Stammwürze, das mit Himbeeren und Kirschen gebraut worden ist. Strahlend rot leuchtet es in der Sonne, und seine ausgewogene Säure und die gut eingebettete Kohlensäure machen es zu einem wunderschönen Sommerdrink, wie ich ihn in einer Prager Gasthausbrauerei nicht gerade erwartet hätte.
Jetzt wäre ich gerade so schön in Schwung, auch die anderen drei Biere noch zu probieren, aber meine Liebste zeigt energisch auf die Uhr. „Der Eurocity wird nicht auf uns warten! Dieser Schluck eben war das Ende unseres Prag-Urlaubs!“ Gnadenlos. Aber sie hat recht …
Schön, trotzdem kurz hier gewesen zu sein.
Die Pivovar Kolkovna ist täglich von 11:00 bis 23:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Mit der Straßenbahn (Linien 1, 2, 6, 7, 11, 14, 25 und bestimmt habe ich noch eine vergessen …) fährt man bis zur Haltestelle Výstaviště, und wenn man dann auf den Industriepalast von 1891 zuläuft, kommt die Brauerei nach wenigen Minuten auf der linken Seite ins Blickfeld.
Pivovar Kolkovna
Výstaviště 415
170 00 Praha
Tschechien
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