Ausbildung zum
Doemens Biersommelier

Ich tauche ein in ein schillerndes und buntes Kaleidoskop der Sinne, jage auf einer sensorischen Achterbahn durch Loopings und Schrauben und versinke in einem Strudel von Zahlen, Daten und Fakten. Zwei Wochen lang drehen sich die Gedanken von morgens bis abends nur um ein Thema: Bier! Immer wilder wird die Fahrt, bis sie schließlich abrupt stoppt. Ungläubig reibe ich mir die Augen und schaue auf die Urkunde in meinen Händen: „Volker R. Quante – Doemens Biersommelier.“ Wow!

Doemens Biersommelier

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Gräfelfing. Tag 1.

08:00 Uhr. Achtzehn Lehrgangsteilnehmer mustern sich neugierig. Junge Azubis und alte Pensionäre. Frauen und Männer. Handwerker, öffentliche Dienstler, Akademiker, Soldaten, Vertriebler, Dienstleister. Nord-, Süd-, West- und Ostdeutschland … und darüber hinaus bis Japan. Brauer, Biernerds und Lieblingsbiertrinker, die alle eins vereint: Wir wollen mehr über Bier wissen. Viel mehr. Am liebsten alles!

15:00 Uhr. Uns schwirrt der Kopf. Weit über dreihundert Seiten hat das Skript zum Lehrgang. Gefühlt haben uns die Dozenten Michael Zepf und Jens Luckart schon Dreiviertel davon eingetrichtert. Bier haben wir auch schon getrunken. Halt, nein, nicht getrunken! In winzigen Schlucken verkostet, degustiert, analysiert.

wenn Auge und Nase nicht mehr zueinander wollen

19:30 Uhr. Wir sitzen im Museumsstüberl des Bier- und Oktoberfestmuseums. Bunte Exponate aus ‘zig Jahrzehnten, deftiges Essen und reichlich Bier. Jetzt dürften wir einfach nur trinken. Dozentin Julia Steiner lacht. „Ich sehe es genau, Ihr schnuppert und schmeckt schon ganz anders als heute morgen noch …“


Tag 2.

10:30 Uhr. Bier zum Frühstück. Deutsche Bierstile quasi auf nüchternen Magen. Morgens schmeckt und riecht der Mensch am besten. Wer konnte bis gerade eben schon ein Helles, ein Export und ein Kölsch blind voneinander unterscheiden? Wir jetzt schon!

bunte Biervielfalt

15:00 Uhr. Rohstoffe und Brautechnologie. Hefe, Maischebottich, Malz, Sudpfanne, Plattenfilter, Hopfen, Abfüller, Gärtank, Brauwasser. Ein buntes Durcheinander. Uns schwirrt der Kopf. Die (Hobby‑)Brauer unter uns lächeln. Sie wissen das alles schon.

17:00 Uhr. Jens grinst: „Was für ein Bier wollen wir denn morgen brauen?“ – „Äh, öh … sollen wir das jetzt etwa ganz allein entscheiden?“ Er nickt. Eine Stunde später steht ein buntes Sammelsurium von Zutaten bereit. Malze, Hopfen, Hefen … Na, ob das was wird?


Augsburg. Tag 3.

10:30 Uhr. Begeistert rühren wir in der Maische, drehen an Temperaturreglern, öffnen und schließen Ventile und starten Pumpen. Günter Bäumler, ehemals Jetpilot der Bundeswehr, jetzt Gästeführer und Seminarleiter in der Riegele Brauwelt, versucht mit uns, aus unseren wilden Ideen ein trinkbares Bier zu brauen. Die kupferglänzende Lehrbrauerei im Seminarraum ist Kummer gewohnt.

die Lehrbrauerei ist Kummer gewohnt

12:00 Uhr. Fehlaromen. Oder Off-Flavours, wie die Fachleute sagen. Ein Seminar, das uns nicht schmeckt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Jens, Du bist grausam zu uns!

16:00 Uhr. Das „richtige“ Sudhaus, die Brauerei Riegele, lässt uns staunen. Riesige Kupferkessel, herrlicher Jugendstil, von ganz oben ein beeindruckender Blick über Augsburg.

19:30 Uhr. Günters Turbo-Verkostung der Riegele Brauspezialitäten einschließlich Bierstacheln war noch beeindruckender. Im Bus zurück herrscht Stille. Dieser Tag muss erstmal verarbeitet werden.


Gräfelfing. Tag 4.

08:00 Uhr. Off-Flavours. Unsere erste Prüfung. Gestern in Augsburg gelernt und geübt. Heute scheinbar schon wieder vergessen. Oder doch nicht? Danach erleichterte Gesichter. Alle haben bestanden. Darauf ein Bier!

10:30 Uhr. Nicht trinken! Verkosten! Biertrinken kann harte Arbeit sein. Deutsche Stile, englische Stile. „Aufgelockert“ durch noch mehr Brautechnologie. Stimmt. Mit Gärung und Lagerung haben wir uns gestern ja noch gar nicht befasst …

Seminarabend

19:30 Uhr. Seminarabend. Bombenstimmung. Die Gruppe wächst zusammen. Die Mutigsten unter uns greifen schon mal blind in den Eiskasten, ziehen ein Bier und stellen es – ganz der angehende Biersommelier, die angehende Biersommelière – mit blumigen Worten den anderen vor. Klappt doch schon ganz gut! Michael zeigt, wie man ein Bier in der Champagnerflasche sabriert, die Flasche also mit dem Säbel oder einem robusten Messer elegant köpft. Christine und Lena wagen es – es funktioniert tatsächlich. Eindrucksvolle Showeinlage, aber nichts für jeden Tag.


Tag 5.

13:00 Uhr. Uff! Schankanlagentechnik am Freitagnachmittag. Die belgische Bierverkostung heute früh und die reichliche Brotzeit über Mittag machen sich bemerkbar. Geht in den Kopf überhaupt noch was rein? „Über’s Wochenende sacken lassen, dann geht’s schon“, macht Michael uns Mut.


Bamberg. Tag 6.

09:00 Uhr. Einige waren zuhause, einige waren in München, einige schon in Bamberg. Bier getrunken haben alle. Übung macht den Meister! Und gestern Abend war im Klosterbräu großes Auftakttreffen für die zweite Woche. Man merkt’s. Die Dozenten Hans Wächtler und Michael Eder referieren gegen verquollene Augen an.

11:30 Uhr. Wir sind alle wieder hellwach. Nach etwas Theorie über Beer & Food Pairing dürfen wir nun aus einem riesigen Büffet und weit über einem Dutzend Bieren wählen und immer wieder neu kombinieren. Sauer und süß. Bitter und salzig. Umami und Fett gegen Alkohol. Mal gewinnt das Bier, mal die Speise. Wir aber gewinnen immer. An Erfahrung, Wissen, Verständnis.

???

15:00 Uhr. Letzten Donnerstag war es noch Übermut, jetzt ist es strukturiert. Wir präsentieren Bier. Storytelling, Sensorik, Essensempfehlungen. Jeder darf mal. Oder muss – wenn das Herz bis zum Hals schlägt.

20:30 Uhr. Nach drei Halben Rauchbier und einem Schäuferla im Schlenkerla ist die Belastungsgrenze erreicht. Wir haben doch erst halb neun? Egal. Es geht nicht mehr. Nur noch ein ganz kleiner harter Kern um Hans und Michael schraubt sich jetzt noch das eine oder andere Bier rein, Unser Jüngster, Timon, leistet Großes, der Rest ist k.o. Systems overflow.


Tag 7.

08:00 Uhr. Wieso sehen Hans und Michael so frisch aus? Michael quält uns mit Zapftechnik und Schankanlagenreinigung. Spannend? Naja …

10:30 Uhr. Gläserkunde. „Ich habe mal eine Verkostung gemacht mit einem Fünf-Gänge-Menü. Jedes Mal ein anderes Glas, eine andere Temperatur. Von der Sektflöte mit eiskaltem Bier bis zum gestachelten Bier im großen Krug. Keiner hat gemerkt, dass es fünf Mal dasselbe Bier war“, berichtet Michael. Seit heute glauben wir, dass das funktioniert.

drei Mal dasselbe Bier

16:30 Uhr. Nach jeder Menge amerikanischen Bierstilen und einigen Barrel Aged Bieren rauscht es im Kopf. Anlegen eines Bierkellers? Tolle Sache, da kenne ich mich aus! Für einen Moment kommt die Aufmerksamkeit zurück.

19:30 Uhr. „Ich glaube, ich werde Schäuferla-Sommelière“, lacht Christine und drückt sich den dritten Abend in Folge eine Riesenportion Schweineschulter rein. „Bei unf in der Schweipf gibt ef daf nicht“, mümmelt sie. Märzen, Lager, Dunkles – das Bier fließt im Spezial in Strömen. Hatten wir heute seit dem zweiten Frühstück etwa immer noch nicht genug? Ein kleines Krüglein Bierlikör mit Sahne darf es auch noch sein …


Tag 8.

08:00 Uhr. Sauerbier. Wie bitte? Sauerbier? Aber bitte nicht heute in der Früh schon! Doch! Sechs Sauerbiere auf nüchternen Magen. Ein unbeteiligter Beobachter lästert in den Social Media: „Ein ganz normales flämisches Frühstück …“

Sauer macht lustig? Sauer macht hungrig!

11:30 Uhr. Der Vorteil ist: Sauerbiere machen hungrig. Sehr hungrig sogar. Das Schäuferla von gestern ist schon lange vergessen. Das eine oder andere Fassbier zum Mittagessen geht auch schon wieder. Die Firma Weyermann lässt sich nicht lumpen, alle Zapfhähne der Theke im Seminarraum sind bespielt, das Essen ist prima.

15:30 Uhr. Der Werksrundgang durch die Weyermann Mälzerei liegt hinter uns – auf geht’s, zurück nach Gräfelfing.

Martinsried. 19:00 Uhr. Irgendein kleiner vietnamesischer Imbiss. Bei Phô-Suppe und Bier aus dem Zahnputzglas sitzen zwei angehende Sommeliers und büffeln sich durch das Skript. Morgen kommt die theoretische Prüfung. „Bei welcher Temperatur arbeitet die β-Amylase? Wo liegt das Pajottenland? Welcher Bierstil zu gedünstetem Lachs? Wer hat die Hefereinzucht entdeckt? Was unterscheidet Porter und Stout?“ Wir werfen uns gegenseitig die Fragen an den Kopf. Der Abend wird lang.


Gräfelfing. Tag 9.

08:00 Uhr. Sechzig Fragen in sechzig Minuten. Puh!

09:00 Uhr. Sechs Bierstile erkennen? Kann ja so schwierig nicht sein. Pils oder Stout? Sieht man ja schon an der Farbe! Die Tür zum Prüfungsraum öffnet sich. Sechs hellgelbe Biere stehen vor uns. Oh, Scheiße!

10:00 Uhr. Julia lacht. „Ihr habt trotzdem alle bestanden.“ Man hört achtzehn Steine von achtzehn Herzen fallen.

13:00 Uhr. Praktische Prüfung. Jetzt gilt’s! Jeder bekommt ein Bier in die Hand gedrückt. Dreißig Sekunden Zeit, und dann wollen wir eine Geschichte hören. Storytelling, Sensorik, Foodpairing, Begeisterung. So macht’s ein richtiger Sommelier, eine richtige Sommelière. Mit jeder Präsentation lockert sich die Atmosphäre, und am Ende haben achtzehn Prüflinge achtzehn verschiedene Biere vorgestellt. Cool. Wie die Profis. Alles im grünen Bereich!

praktische Prüfung

17:00 Uhr. Drei Gruppen zu je sechs Kursteilnehmern schwärmen durch die Supermärkte der Gemeinde und kaufen Lebensmittel. Morgen ist das große Bierkulinarium. Jede Gruppe kocht ein Drei-Gänge-Menü und präsentiert drei passende Biere dazu. Die Dame an der Kasse hat eine Engelsgeduld. Getrennte Rechnung, bitte. Moment, wir haben den Schnittlauch vergessen. Können wir das dritte Päckchen Butter nochmal stornieren?

19:30 Uhr. „Halt, dieses Bier nicht trinken, das ist für morgen, fürs Essen!“ Eine fröhliche und ausgelassene Runde trinkt und verkostet sich durch ein paar Restbiere, die sich im Doemens-Gebäude noch finden. Die Stimmung ist ausgelassen. Theoretisch kann jetzt nichts mehr schiefgehen. Kommt, wir gehen noch auf ein Bier!

Großhadern. 22:00 Uhr. Im Haderner Augustiner fließen Helles, Edelstoff und Dunkles. Dann kommen die Obstler. Wir decken den Mantel des Schweigens über das Geschehen …


Gräfelfing. Tag 10.

09:00 Uhr. Drei Teams. Drei Kochinseln. Viele Köche verderben den Brei? Ein Telefon geht: „Wir kommen später, wir haben vergessen, Milch zu kaufen …“

11:00 Uhr. Es ist unglaublich. Aus diesem Chaos soll etwas Sinnvolles entstehen?

14:30 Uhr. Und ob! Drei Vorspeisen, drei Hauptgänge, drei Nachspeisen. Neun Biere, neun Präsentationen. Das Bierkulinarium hat begeistert. Achtzehn Menschen, die sich vor zwei Wochen noch vorsichtig beäugt hatten, sind zu einem Team zusammengewachsen, das sich in rasender Geschwindigkeit selbst organisiert und Großes geleistet hat. Bierbrauen? Präsentieren? Verkosten? Kochen? In der Rückschau ist das alles ein Klacks.

drei Vorspeisen, drei Hauptgänge, drei Nachspeisen

15:00 Uhr. Aischa, Andreas, Andreas, Carolin, Christine, Christoph, Claus, Dennis, Florian, Lena, Lukas, Matthias, Shino, Thomas, Timon, Tobias, Tony und Volker. Achtzehn stolze Gesichter. Achtzehn Urkunden. Achtzehn Anstecknadeln.

achtzehn Freunde

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Doemens Akademie
Lohenstraße 3
82 166 Gräfelfing
Bayern
Deutschland

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