Es ist schon geraume Zeit her, dass ich Paul Higgins in Stuttgart auf dem 10. Stuttgarter Craft Beer Festival getroffen und ihm versprochen habe, endlich mal in München bei ihm im Taproom von Higgins Ale Works vorbeizuschauen.
Heute, ein Dreivierteljahr später, ist es endlich so weit: Freitagnachmittag, kurz nach fünf, und der kleine Laden ist schon gut gefüllt. Wow! Die Münchner haben wohl nix besseres zu tun, als das Wochenende mit ein paar guten, vor Ort gebrauten Craftbieren einzuläuten.
Wir stellen uns an die Theke, mustern die Kreidetafel mit den Bieren, die am Hahn sind, und noch bevor ich mich für eine erste Kostprobe entscheiden kann, spüre ich eine Hand auf meiner Schulter. Mein guter Freund Marian, mit dem ich Kronkorken und spannende Biere austausche, steht hinter mir. „Ich empfehle Dir das Cream Ale. Genauer gesagt, das ‚Fresh Hop Harvest Cream Ale‘, denn das gibt es logischerweise als Frischhopfenbier nur einmal im Jahr!“

Fresh Hop Harvest Cream Ale
„Klar, warum nicht!“, und wenige Augenblicke später steht das Glas vor mir. Die Grünhopfenaromen spürbar, aber nicht zu intensiv, ein runder, vollmundiger, kremiger (sic!) Eindruck auf der Zunge und am Gaumen, und eine feine Bittere im Abgang. Dazu nur 5,0% Alkohol – das wäre schon mal ein Bier, an dem man sich den ganzen Abend langhangeln könnte. Vorausgesetzt, man hätte ihn, den ganzen langen Abend. Haben wir heute nämlich nicht … Insofern ist zwar nicht Eile angesagt, aber zumindest eine maßvolle Beschränkung.
„Ist Paul denn heute da?“, möchte ich von der netten Bedienung wissen. „Nee, heute nicht, da hast Du Pech gehabt“, heißt es, und achselzuckend wende ich mich wieder meinem Bier zu. „Schade“, denke ich, da taucht neben mir jemand auf, der wie ein Brauer aussieht. Wie ein typischer Craftbierbrauer. Jeder für sich ist ein Individuum, und doch scheinen sie alle eine ähnliche Aura auszustrahlen. „Hej, bist Du der Brauer hier?“, stupse ich ihn freundlich grinsend an, und er grinst ebenso freundlich zurück. „Klar. Ich schon. Du aber nicht!“
Ein paar Frotzeleien später sind wir schon tief am Fachsimpeln, und ich spreche ihn einfach direkt an: „Sag mal, meinst Du, Deine Zeit würde es erlauben, mir mal die Brauerei zu zeigen?“
Bob nickt. „Komm mit!“
Gemeinsam gehen Marian und ich mit ihm aus dem Taproom raus, drehen nach links und tauchen zwei Hauseingänge weiter in die unergründlichen Keller eines alten Münchner Mietshauses ab. Steile Treppen, dunkle Gänge, und dann öffnet sich die Tür ins Heiligtum. Ein buntes Sammelsurium von Gerätschaften taucht vor mir auf. Einfache Maischebottiche, größere Gär- und Lagertanks, Hobbybrauerequipment hier, eine halbautomatische Flaschenabfüllung dort, und hinten in der Ecke sogar ein Dosenfüller und -verschließer.
„Sehr groß ist der jetzt aber nicht“, beäuge ich den Maischebottich kritisch. „Da müsst Ihr ja Doppelt- und Dreifachsude fahren, um die Gärtanks voll zu bekommen, oder?“
„Ja und nein“, heißt es. „Mal machen wir Doppelsude, meistens aber High Gravity Brewing, also wie maischen richtig dick ein und verdünnen dann nach dem Hopfenkochen auf die gewünschte Stammwürze. Dann werden die Tanks schon gut voll, und dann passt auch alles. Dann reicht es auch für den Ausschank oben. An manchen Tagen läuft da nämlich einiges durch die Hähne!“

Braukesselselfie
Letzteres kann ich mir gut vorstellen. Neugierig stecke ich meine Nase in alle Ecken und Ritzen, aber dann mahnt mich die Uhr, mich so langsam aus der Unterwelt zu verabschieden und in die Oberwelt zurückzukehren, wo meine Liebste nämlich allein am Tresen sitzt und auf mich wartet.
„Hochinteressant war’s“, schwärme ich ihr vor, als wir wieder gemeinsam auf die Bierliste kucken. „Das müssen wir noch mit einem zweiten Bier begießen, auch wenn die Zeit knapp ist!“
Es gibt also noch ein Glas Jungle Juice, ein 5,4%iges, milchig trübes Norwegian Spruce Ale. Dick und sämig, rund und nahrhaft, und vor allem: Nur mit einem Hauch von Kiefersprossen. Gerade so viel, dass man sie spürt und identifizieren kann, aber nicht so viel, dass sie alles erschlagen und das Bier nur noch schmeckt, als würde man auf Kiefernadeln herumkauen. Gut gelungen!
Artig danke ich Bob für die nette und ausführliche Präsentation seines Zauberkellers, in dem er all die Magic Potions produziert, die hier angeschrieben stehen – derzeit immerhin sieben verschiedene. Nur ein Hahn ist heute nicht bespielt.
Ich schaue mich noch einmal kurz um, bevor es wieder losgeht. Eine rustikale, aber sehr nette Atmosphäre. Voll, aber nicht zu laut, nette Leute und spannende Biere. Kommt auf meine lange Liste. Die, die ich in meinem zweiten Leben abarbeiten werde, nämlich all die Ziele, wo ich gerne länger geblieben wäre, aber nicht konnte, und die ich deshalb unbedingt noch einmal besuchen muss.
Higgins Ale Works ist dienstags bis donnerstags ab 17:00 Uhr und freitags bis sonntags ab 16:00Uhr geöffnet. Montags ist zu. Fährt man mit S-Bahn oder Straßenbahn zur Station Hackerbrücke, sind es von dort aus sieben oder acht Minuten in nördlicher Richtung, und dann läuft man direkt auf den Schriftzug des Taprooms zu.
Higgins Ale Works
Karlstraße 122
80 335 München
Bayern
Deutschland

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