„Ach herrje, womit soll ich denn anfangen?“ Arjanneke van den Berg lacht. „Es gibt so viel zu erzählen über unsere Gooische Bierbrouwerij …“
„Am besten fange ich mal mit dem Namen der Brauerei an, das ist nämlich noch der einfachste Teil. Het Gooi, das ist der Name der Region, in dessen Zentrum Hilversum liegt, sprachlich verwandt mit Gouw, so wie bei Euch Gau oder Gäu. Eigentlich eine nicht so fruchtbare Gegend, nur Sandböden und Heide. Aber Hilversum ist eine prosperierende Stadt, denn sie ist seit rund hundert Jahren das Radio- und Fernsehzentrum der Niederlande.“ Ich nicke und denke zurück an meine Kindheit. Auf dem alten Dampfradio meiner Eltern war auf der Kurzwellenskala „Radio Hilversum“ aufgedruckt, genauso wie „Sender Freies Berlin“, „BFBS“ oder „RIAS“. Exotische Bezeichnungen, die ich als kleiner Junge gar nicht so recht einzuordnen wusste.
„Unser Logo ist ein geflügelter Chihuahua, und die Halle, in der wir uns befinden, war vor über hundert Jahren ein Showroom eines Autohändlers. Sowas gab es tatsächlich 1912 schon, aber es waren natürlich noch keine Teslas oder Porsches, die so aufwändig angepriesen wurden! Später wurden hier Radios montiert, dann wurde die Halle zu einem Festsaal, zu einem Casino und schließlich in den siebziger Jahren zu einem Kino. In der Zeit hat man vor das schön geschwungene Gebäude sogar einen rechteckigen, hässlichen Scheingiebel gesetzt, der erst 2015 wieder abgerissen wurde.“ Arjanneke zeigt in weitem Bogen durch das Rund der großen Halle. „Jetzt hat der Betreiber hier einen großen Foodcourt eingerichtet, das Mout, und am rechten Rand der Halle haben wir unsere Brauerei mit Taproom.“

Mout – eine gewaltige Halle mit Foodcourt und Brauerei
Schön ist es, auf der Empore zu stehen, zwischen den kleinen Tischen des Taprooms, und in die Halle hinunterzuschauen. Ein buntes Treiben herrscht hier. Indische Küche, vietnamesische, aber auch ein kleines Café, und am Rand, nicht nur von hier oben, sondern auch für die Gäste unten gut einzusehen, die silbern glänzenden Sudkessel der Gooischen Bierbrouwerij.
Fünfzehn Jahre ist es her, dass Arjanneke und ihr Mann, Gijs Troost, die Brauerei gegründet haben – mittlerweile ist ein großer Betrieb daraus geworden, mit rund einem Dutzend Mitarbeitern. Im Erdgeschoss des Foodcourts steht das Sudwerk, daneben zwei Tanks mit vierzig Hektolitern Inhalt.
Ich schaue auf die Kühlschränke im Taproom und auf die Bierliste. Fast zwei Dutzend verschiedene Bierspezialitäten sehe ich. „Nur zwei Tanks?“ Arjanneke lacht. „Komm mit!“
Wir steigen über eine schmale Wendeltreppe in den Keller hinunter, wo Gijs gerade fleißig schrubbt und putzt. Weitere zehn Tanks zu je zwanzig Hektoliter stehen hier – ein wahres Paradies, um eine tatsächlich gewaltige Auswahl an verschiedenen Bieren brauen zu können.
Gijs drückt mir eine kleine Flasche in die Hand. Ein dunkelroter Kronkorken, kein Etikett. „Gerade frisch abgefüllt, noch nicht etikettiert. Ein im Brandy-Fass ausgebauter Barley Wine. 11,5% Alkohol, also etwas für den bewussten Genuss an einem dunklen und kalten Winterabend“, grinst er und dreht sich wieder weg. Die Arbeit ruft.
Arjanneke erzählt Anekdoten aus der Geschichte der Brauerei, zum Beispiel davon, wie sie, die Größe des gesamten Halle gut nutzend, während der CoViD-Epidemie ihre Biere kartonweise verkauft haben und so recht gut durch diese schwierige Zeit gekommen sind. „Das war fast wie ein Bier Drive-in!“
„Tja, und danach haben wir begonnen, an Bierwettbewerben teilzunehmen. Ab und zu haben wir sogar mal was gewonnen“, zeigt sie bescheiden auf ein kleines Regal im Taproom. „Ab und zu?“ Mir bleibt der Mund offen stehen. Eine schier unendlich lange Reihe von Auszeichnungen – beim European Beer Star, bei der Brussels Beer Challenge oder bei Dutch Beer Challenge. Bei letzterer gab es sogar schon als besondere Auszeichnung ein Maischepaddel, einen Roerstok, weil das Schwarzbier „zwart“ schon drei Mal die Goldmedaille geholt hat.
Beeindruckend!
„Komm, dann lass uns doch mal das eine oder andere Bier verkosten“, schlägt Arjanneke vor und holt ein paar Flaschen aus dem Kühlschrank: Ein Schwarzbier, einen Roggenbock und einen Barley Wine. „Halt, halt, halt, ich muss doch noch fahren“, wehre ich mich, aber schon hat sie drei Gläser eingeschenkt. „Du musst ja nicht austrinken, aber probieren musst Du sie auf alle Fälle!“

drei vorzügliche Biere
Eins ist besser als das andere. Sehr, sehr schweren Herzens beschränke ich mit tatsächlich pro Bier auf einen kleinen Prüfschluck, und mit schlechtem Gewissen entleeren wir die angetrunkenen Gläser in den Ausguss. „Da stecken Begeisterung und Herzblut des Brauers drin“, jammere ich. „Das gießt man doch nicht einfach so weg!“
„Nee, aber Du kannst andererseits auch nicht einfach zu uns kommen und nix probieren“, hält Arjanneke dagegen und erstickt die Diskussion im Keim.
Biertrinken macht hungrig, aber es gibt ja genügend Essensstände im Foodcourt. „Magst Du vietnamesische Küche?“, fragt Arjanneke. „Dann tausche ich zwei gute Flaschen Bier gegen ein Essen für Dich ein. So läuft das nämlich hier!“ Augenblicke später habe ich eine kleine Portion Ente süßsauer vor mir stehen – aromatisch und auf den Punkt gebraten. Sehr fein. Und vor allem praktisch.

Erinnerungsfoto mit Gijs Troost
Wir gehen wieder runter, Zeit für ein paar Erinnerungsfotos, und dann fahren wir einmal rund um den Stadtkern auf die andere Seite, wo das Warenlager der Brauerei steht. „Von jeder Sorte hätte ich wohl gerne eine Flasche“, bitte ich Arjanneke, und sie lacht. „Wenn Du meinst …“, sagt sie noch vieldeutig und fängt an, zu packen. Hier ein Wit, dort ein Saison. Da ein Schwarzbier, hier ein Rotbier. Ein Helles, ein Bock, ein Alkoholfreies. Eine Handvoll verschiedener Grape Ales, in unterschiedlichen Fässern ausgebaut. Mehrere Versionen des Barley Wines. Als sie endlich aufhört, Flaschen zusammenzutragen, traue ich meinen Augen kaum: Neunundzwanzig verschiedene Flaschen stehen vor mir.
„Es ist ja nicht so, dass ich kein Bier zuhause hätte“, murmele ich und denke an die rund zweihundert Bierflaschen, die zuhause in meinem Keller stehen, „Na, dann sind es jetzt 230. Kommt auch nicht mehr drauf an“, lautet die lapidare Antwort, begleitet von einem fröhlichen Lachen.
Ja, da muss ich jetzt wohl durch!
Gut gelaunt verladen wir die Schätze im Auto, einen ganzen Karton vom Winterbier nehme ich auch noch mit, für eine Verkostung, und dann wird es Zeit für die Fahrt nachhause. Ein sehr schöner Besuch, so viele Informationen, so viele tolle Biere. Die lange Fahrt hat sich gelohnt!
Der Foodcourt Mout, in dem sich die Gooische Bierbrouwerij befindet, ist täglich ab 09:00 Uhr durchgehend bis spät abends geöffnet; kein Ruhetag. So kann man die Brauerei von außen problemlos anschauen, etwas essen und eines der Biere dazu trinken. Besichtigungen und Tastings werden nach Vereinbarung angeboten; der Online-Shop ist rund um die Uhr geöffnet. Zu erreichen ist der Foodcourt am besten zu Fuß, er liegt direkt am Marktplatz im Zentrum der Stadt. Mit dem Auto geht es zwar auch, aber man verheddert sich unter Garantie im Gewirr der verkehrsberuhigten Einbahnstraßen der Stadt.
Gooische Bierbrouwerij
Marktplein 3
1211 DZ Hilversum
Niederlande

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