[Blick zurück auf September 2025]
Eine kleine Oase typischer Ruhrpott-Gemütlichkeit. Eine Atmosphäre, die sich nicht sofort erschließt, sondern die man sich regelrecht erarbeiten muss. Indem man nämlich alle Vorurteile über Bord wirft und sich einfach einlässt auf das, was hier passiert.
Auf den ersten Blick sieht man einen schon arg in die Jahre gekommenen Straßenkiosk. Eine Art Trinkhalle. Ästhetik der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts. Die Zeit, in der mit Beton schnell und billig hochgeklotzt wurde, um nach den Zerstörungen des Kriegs Wohnraum und Gewerbegebiete zu schaffen, breite Straßen für den boomenden Individualverkehr zuzulassen und neues auszuprobieren.

eigentlich mittlerweile ein Baudenkmal …
Ein kühn geschwungenes Betondach. Nierentischromantik. Neonleuchten, hell wie der lichte Tag. Nach harter Arbeit ein kurzer Zwischenstopp auf ein kleines Bier, bevor zuhause die Familie wartete. Ein bisschen Abstand finden von der Maloche, und dann vor‘n Fernseher und ins Bett.
Heute sind diese Kioske mehr oder weniger spurlos verschwunden. Ausradiert, abgerissen, überbaut.
Auch die meisten der großen Dortmunder Brauereien sind nicht mehr da. Übernommen, stillgelegt, höchstens noch als Marke weiterproduziert – als kleiner Teil im riesigen Portfolio der wenigen verbliebenen Konzerne. Und dann das: Der Markenschutz der Marke „Dortmunder Bergmann Bier“ ist ausgelaufen. Niemand interessiert sich mehr dafür, dass das einst ein großes Bier war. Außer Thomas Raphael, der diese Marke 2005 entdeckte, sie für sich erneut eintragen und schützen ließ und 2006 bei der Vormann Brauerei in Hagen-Dahl den ersten Sud eines Dortmunder Bergmann Biers brauen ließ.
Der Erfolg war groß. So groß, dass rasch eine GmbH gegründet wurde, und schon 2010 wurde aus dem Lohnbrauen in Hagen-Dahl ein „richtiges“ Brauen in Dortmund: Die Verwirklichung des Traums einer eigenen Brauerei. Im Norden, in einer ehemaligen Gießerei. Aber eine eigene Brauerei heißt noch lange nicht ein eigener Ausschank. Für den gelten nämlich ganz andere rechtliche (lebensmittelrechtliche!) Rahmenbedingungen.
Erneut kam wohl der Zufall zu Hilfe, und kurz nach Inbetriebnahme der eigenen Brauerei wurde man auf den langsam vor sich hin gammelnden und verfallenden Kiosk am Hohen Wall aufmerksam. Eigentlich ein schönes Baudenkmal. Uneigentlich eine ungenutzte, gammelige, heruntergekommene Ruine, von der niemand wusste, wem sie gehörte. Auch die Stadt Dortmund nicht, die wohl am meisten von der Information überrascht wurde, dass sie die Besitzerin des Kiosks war.
Heute, rund fünfzehn Jahre später, ist der Kiosk schon laaange renoviert. Er hat eine Schanklizenz und eine Konzession für einen Biergartenbetrieb, und er hat sich etabliert. Das ganze Portfolio der Dortmunder Bergmann Brauerei wird hier ausgeschenkt. Vom klassischen Export bis zum neumodischen India Pale Ale. In einfachen Willibechern, zu niedrigen Preisen. Vor dem Kiosk stehen ein paar Bierbänke und -tische, direkt dahinter tobt der Verkehr. Sechsspurig auf dem Dortmunder Ring. Gerne auch mit Vollgas, stinkendem Reifengummi und Auspuffklappen. Immer rum im Kreis, die Benzin-Idioten. Hoher Wall – Hiltropwall – Südwall – Ostwall – Schwanenwall – Burgwall – Königswall – und wieder Hoher Wall. Hirn aus und Ring frei für die nächste Runde.
Biergartenruhe und Gemütlichkeit werden eigentlich anders definiert. Trotzdem: Der Kiosk wurde zur Institution. Kein Dortmund-Reiseführer mehr, der ohne einen Verweis auf diese Tränke auskommt.
Hinter der Theke: Ein paar Jungs mit tiefenentspanntem Humor. Freundlich. Kultur- und generationenübergreifend das Bier ausschenkend. Zu jedem Glas einen aufmunternden Spruch, einen flachen Witz oder ein cooles Statement.

gemütlich definiert sich eigentlich anders
Man setzt sich auf einen freien Platz oder drängelt sich irgendwo mit dazu. „Hömma, rückma ‘n Stück!“ Wenn an milden Sommerabenden auch das nicht mehr geht, dann steht man halt rum. Zwischen den Tischen und Bänken.
So oder so – man kommt in Kontakt mit den Einheimischen. „Wat? Deine Frau will’n Kaffe? Gibs hier nich. Hol ma gegenüber, kannste dann hier mit ihr trinken. Ich pass solange auf Dein Bier auf.“ Oder man redet übers Wetter, den Fußball oder darüber, wer das nächste Bier holt.
Alleine bleibt man aber nicht. Garantiert nicht.
Schön hier. Und, der Vollständigkeit halber: Die Brauerei in der alten Gießerei ist mittlerweile auch schon nicht mehr. Zu klein geworden. Stattdessen braut man jetzt in Hörde, im Süden. Da gibt’s direkt an der Brauerei dann auch einen Stehbierausschank, aber das wird dann eine andere Geschichte.
Der Kiosk der Dortmunder Bergmann Brauerei am Hohen Wall ist dienstags bis donnerstags ab 16:00 Uhr, freitags ab 15:00 Uhr, sonnabends ab 12:00 Uhr und sonntags ab 13:00 Uhr geöffnet und montags zu. Wenn sich daran was ändert, steht’s im Netz. Und wie kommt man da hin? Man nimmt die U43 oder U44, steigt am Westentor aus, nimmt die Treppe in Richtung Süden, und dann muss man eigentlich nur noch einmal über die Straße, und dann sieht man ihn schon, den Kiosk.
Kiosk der Bergmann Brauerei
Hoher Wall 36
44 137 Dortmund
Nordrhein-Westfalen
Deutschland

Hinterlasse jetzt einen Kommentar