Der Traum eines jeden Autoren, Verlags, Buchhändlers? Ganz klar: Sein Buch, seine Bücher mögen weggehen wie warme Semmeln, mögen möglichst oft von möglichst vielen Lesern möglichst gern gelesen werden. Klare Sache, das.
Martin Droschke & Norbert Krines
111 fränkische Biere die man getrunken haben muss
Und so sollte man meinen, dass man sich – insbesondere seitens des Verlags – um Attraktivität kümmert, um Lesbarkeit. Und zwar speziell des Buchumschlags, denn dieser ist es doch, der im Buchladen die Aufmerksamkeit des potentiellen Käufers auf genau dieses eine Buch lenken soll.
Aber offensichtlich nicht immer. Man kann es natürlich auch anders machen: Man kann die Namen beider Autoren und den recht langen Buchtitel in Versalien schreiben, also in Großbuchstaben. Was die Lesbarkeit schlagartig um 50% reduziert, weil Struktur verloren geht und statt eines einzelnen Blicks ein zeilenweises Scannen mit dem Auge notwendig wird. Machen die Amerikaner in PowerPoint-Präsentationen immer wieder gern und wundern sich dann, wenn im Publikum Murren zu vernehmen ist.
Man kann dazu dann auch noch eine Schriftart mit Serifen nehmen, also mit den kleinen Häkchen an den Enden der Striche, die daran erinnern, wie es war, als man noch mit schräg angeschnittenen Federkielen geschrieben hat und jeder Ansatz beim Schreiben genauso ein Häkchen auf dem Papier erzeugte. Das macht das Schriftbild dann noch wuseliger und unübersichtlicher, ganz besonders bei Versalien.
das Seidla-Bild hat Schwierigkeiten, sich zu positionieren
Und wenn man dann noch, dem Thema des Buches entsprechend, ein Bild eines Seidlas samt Schatten mittig in den Text setzt und sich nicht entscheiden kann, ob es zwischen die Worte gesetzt werden soll (wie in der Zeile 4) oder ob es die Schrift überdecken soll (wie in den Zeilen 3 und 5), dann wird es gänzlich unübersichtlich.
Schließlich packen wir auf das Bierglas noch das perspektivisch nicht an die Rundung des Glases angepasste (wir haben die entsprechende Funktion bei Photoshop nämlich nicht gefunden) Wappen mit dem fränkischen Rechen drauf, ohne darauf zu achten, dass sich das wappenfränkische Rot mit dem eher ins Weinrote changierenden Rot des Buchumschlags beißt, und zum Schluss applizieren wir noch einen goldenen Aufkleber „Das Original“ auf den Umschlag (Gibt es denn schon eine Fälschung? Wenn ja, würde ich sie zu Vergleichszwecken gerne auch lesen!).
Das Original. Gibt es denn schon eine Fälschung?
Fertig! Alles ist verhunzt.
Herrje!
Das haben Martin Droschkes und Norbert Krines‘ wunderbaren Texte nicht verdient. Hat man den Einband nämlich hinter sich gelassen, folgen 111 im literarischen wie im appetitanregenden Sinne köstliche Texte zu 111 ebenso köstlichen Bieren. Ab der ersten Bierbeschreibung wird das Lesetempo nur noch dadurch gehemmt, dass man immer wieder aufstehen und sich ein gutes Bier aus dem Keller holen muss. Und ein paar Seiten weiter noch eins. Und noch eins.
Wenn schon das erste Bier mit „Mokka- und Röstmalzaromen“ und mit „der Sanftheit, mit der der Hopfen darauf besteht, dass auch er vom Gaumen beachtet und gewürdigt wird“ beschrieben wird, bekommt der Leser Durst. Und bei der Aufzählung der Spezialitäten der fränkischen Küche, Schäufele, Ente, Schweinebraten, Wildgerichte mit handgemachten rohen Klößen, auch Hunger. Das Buch wird – vorübergehend – weggelegt, jetzt muss erst gegessen und – vor allem! – getrunken werden. Und wir sind doch gerade erst bei Bier Nummer 1.
Im Buch jedenfalls. In der Realität dürstet es bereits nach dem zweiten, dem dritten…
Wie es halt so ist mit den fränkischen Bieren: Der Durst hört niemals auf: „In der gewachsenen rustikalen, urtypischen Wirtsstube geht man davon aus, dass der Durst des Gastes nie gestillt ist. Es kann durchaus passieren, dass die Bedienung schon das nächste Seidla bereithält, wenn der finale Schluck des letzten eben erst die Kehle passiert. Man dankt es ihr.“
innen besser gestaltet als außen
Und ich danke den Autoren – und zwar für diese herrlichen und kurzweiligen Texte. Bei jeder Seite denke ich „diesen Satz müsstest Du in der Rezension jetzt aber zitieren“, und dann kommt der nächste zitierenswerte Satz und der übernächste. Mit jedem Bier mindestens ein weiterer. Seitenhiebe auf das unsägliche sogenannte Reinheitsgebot („wenn das Reinheitsgebot zur Sprache kommt und sich offenbart, wie wenig selbst eingefleischte Thekenhocker darüber wissen.“) und den nicht minder unsäglichen Bayerischen Brauerbund („Er hat die Definitionsmacht, was sich ‚Bayerisches Bier‘ nennen darf und was nicht (…) und (…) hat verfügt, dass sie (diese Marke) nur von seinen Mitgliedern aufs Flaschenetikett gedruckt werden darf“), poetische Beschreibungen von Aromen und Geschmäckern („Der Trunk rinnt weich und angenehm süßlich, legt Karamell- und Mokkaaromen auf die Zunge, um sich beim Schlucken mit einer exakt auf den malzigen Körper des Biers abgestimmten Bittere zu verabschieden. Adieu! Auf ein Zweites!“) und pragmatische Empfehlungen („Wem zwölf Bockbiere zu viel Flüssigkeit sind, der kann sich mit nur einem Fläschchen Schorschbräu in einen vergleichbaren Zustand beamen“).
Köstlich, unterhaltsam, durst- und appetitanregend.
Und die schauderhafte Umschlaggestaltung ist spätestens nach dem dritten gelesenen oder getrunkenen Bier schon längst vergessen.
Martin, Norbert, ich hoffe, Ihr sitzt bereits wieder beisammen und schreibt schon am nächsten Buch! Es ist höchste Zeit!
111 fränkische Biere, die man getrunken haben muss: Auf 111 Doppelseiten wird jeweils ein fränkisches Bier vorgestellt. Auf der linken Seite sind Brauerei, Ort und Biername in der Überschrift angegeben, es folgt eine ausführliche freie Beschreibung. Auf der rechten Seite findet sich ein irgendwie mit dem Bier korrespondierendes Farbbild und in einem Info-Kasten Name und Adresse der Brauerei, Telefonnummer, Internet-Adresse, eine Liste der in dieser Brauerei produzierten weiteren Biere und die Öffnungszeiten. Es schließt sich jeweils am Ende des Info-Kastens ein weiterführender Tipp an. Im Anschluss an die 111 Bierbeschreibungen folgen noch zwei Übersichtskarten, viel Eigenreklame des Verlags und die Vorstellung der beiden Autoren. Das Buch ist durchgängig auf hochwertigem Papier gedruckt, verfügt über eine angenehme Haptik und eine feste Bindung und wird in Deutschland für 16,95 EUR verkauft.
Martin Droschke & Norbert Krines
111 fränkische Biere die man getrunken haben muss
Emons Verlag GmbH
Köln, 2016
ISBN 978-3-95451-922-4
Anmerkung: Das Buch wurde mir vom Verlag zu Rezensionszwecken unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Ich habe versucht, mich davon nicht beeinflussen zu lassen.
Wg. dem Cover: Das Buch ist ja Teil einer großen Serie des Verlages,
hat der Autor null EInfluss.
https://www.amazon.de/Deutsche-Biere-getrunken-haben-muss/dp/3954514141
https://www.amazon.de/Deutsche-Weine-getrunken-haben-muss/dp/3954514656
https://www.amazon.de/Orte-York-gesehen-haben-muss/dp/3954515121
Ergänzend: Ich habe in meiner Ausbildung gelernt: Serifen nur Schwarz auf Weiß.
Bei weißer Schrift gehen die Serifen verloren, erst recht bei (hellen) Farben.
Ja, Ludger, Du hast leider recht.
Hinten im Buch ist die ganze Serie „111 Dinge, die man gesehen, probiert, besucht haben muss“ beworben, auf vier oder fünf Seiten. Da wird dem Leser besonders bewusst, wie grottenschlecht die Umschlaggestaltung ist, denn man muss wirklich jeden einzelnen Titel genau anschauen (wenn man es denn will…), um zu lesen, worum es geht. Ein kurzer Blick genügt nicht. Das ist bei vielen anderen Buchserien deutlich besser gelöst – „corporate identity“, also Wiedererkennungswert, und trotzdem leserlich und auf einen Blick einprägsam.
Bei einer Serie haben die Autoren dann in der Tat keinen Einfluss. Das entschuldigt den Verlag aber nicht…
Und, kleine Randbemerkung: Es gibt in dieser Serie auch einen Band „111 Orte für echte Männer, die man gesehen haben muss“ Mich gruselt’s vor diesem Chauvinismus, unabhängig davon, dass der Titel mehrdeutig ist. Sind es die Orte, die man gesehen haben muss, oder sind es Orte, bei denen man die echten Männer, für die sie bestimmt sind, gesehen haben muss? Das kommt davon, wenn man sich mit den vereinheitlichten Titeln der Serie vergaloppiert…
Aber nix für ungut – der Inhalt von Martins und Norberts Buch ist göttlich.
Mit bestem Gruß,
Volker
Hallo Volker,
noch habe ich es nicht ganz gelesen, aber schon mal kritisch besprochen:
http://aktiongutesbier.de/literatur/
Prima, Ludger, habe ich gerne gelesen.
In dem Zusammenhang: Hast Du mein Buch eigentlich? Und wenn ja, planst Du da auch irgendwann mal eine Rezension? (http://blog.brunnenbraeu.eu/?p=3319)
LIebe Grüße nach Berlin,
Volker
Hallo Volker,
Dein Buch liegt schon genauso lange, d. h. seit Weihnachten, auf meinem Schreibtisch, wie das von Norbert. Dass Norbert schon seine Besprechung hat, liegt am Thema „Franken“. Da kenne ich mich aus, da fühle mich quasi berufen, die Auswahl zu monieren und Fehler zu suchen.
Von den Brauereien in Deinem Buch habe ich – nachgezählt – nur acht besucht, dazu einige Biere anderweitig getrunken. Von vielen Orten außerhalb Deutschlands habe ich erst durch Dein Buch erfahren. Da kann ich inhaltlich doch nix kritisieren!
Bei der „Form“ des Buches gibt’s nichts zu bemängeln. In Sachen Gestaltung und Layout kommt es – bei gleichem Preis – gediegener rüber als die „111 Biere“. Die Texte haben einen höheren Stellenwert als die Fotos, „Leser“ wissen das zu schätzen. Beim Oktober-Verlag scheint auch ein Lektor nochmal drübergelesen zu haben, die Text sind „sauber“.
Ludger
P.S. Bei der Auswahl ist mir dann doch eine unverzeihliche Lücke aufgefallen (in Berlin dawo ich mich auskenne), aber Schwamm drüber…