Becherovka – der berühmte Kräuterschnaps aus Karlsbad. Wo immer man in der Stadt einkehrt, die erste Frage lautet stets: „Möchten Sie sich ein wenig aufwärmen? Ein Becherovka gefällig?“ Und auch wenn die Schnapsproduktion nach dem alten Rezept des Apothekers Jan Becher mittlerweile unter dem Dach des Pernod-Ricard-Konzerns erfolgt, sind die Karlsbader nach wie vor stolz auf IHREN Becherovka.
So stolz, dass am unteren Ende der Fußgängerzone, dort, wo der Schnaps früher hergestellt worden ist und wo sich nun immerhin noch die Verwaltung der Firma befindet, mit dem Becherplatz ein touristisches Zentrum rund um den Becherovka entstanden ist: Ein überdachter Marktplatz mit kleinen, etwas kitschig auf alt getrimmten Souvenirlädchen, Cafes, Probierstuben und …
… einer Brauerei im Keller!
Der Zugang zur Pivovar Karel IV. ist ganz unauffällig. Eine unscheinbare Holztreppe führt vom Haupteingang des Becherplatzes in die Tiefe, aber kaum sind wir die Stufen hinuntergelaufen, finden wir uns in einem Labyrinth schier endloser Gänge wieder. Links und rechts finden sich kleine Nischen mit Tischen, an denen man in kleinen Gruppen ungestört sitzen und genießen kann. Teilweise sind die Nischen etwas größer, finden sich auch richtige Nebenräume, und aus einigen hat man durch eine Glaswand auch direkten Blick auf die Gär- und Lagertanks der Brauerei.
Wir laufen einen der Gänge bis zum Ende, kehren um, laufen zurück und stehen dann in der großen, zentralen Gaststube. Weit geschwungene Gewölbe aus dicken Sandsteinblöcken, verhältnismäßig niedrig, aber durch die Weite nicht bedrückend. Und mittendrin die kleine kupferne Brauerei. Ein holzverkleidetes Mäuerchen und ein kunstfertig geschmiedetes Gitter verwehren den Zutritt, gewähren aber einen schönen Blick auf die beiden polierten Kessel. Davor ein paar Schälchen mit verschiedenen Malzsorten als Dekoration und eine Anrichte mit Geschirr, Besteck und Gewürzen.
Stimmengewirr erfüllt den Schankraum, es ist verhältnismäßig viel Betrieb. Unter einem der Gewölbebögen finden wir ein gemütliches Plätzchen, bewacht von freundlichen jungen Damen mit großen Biergläsern in der Hand, die als Wandmalerei auf uns herabschauen.
Schon kommt der Kellner herangewuselt, und auf meine auf Tschechisch gestotterte Frage, was für Biere es denn gebe, rattert er in fließendem Deutsch die fünf Sorten herunter: Elfgrädiges Helles, zwölfgrädiges Halbdunkles, zwölfgrädiges Weizen, dreizehngrädiges Dunkles und fünfzehngrädiges Spezial. Und dann gebe es noch Kräuter- und Früchtebier.
Ich beginne mit dem Halbdunklem, dem Polotmavý 12°. Malzig, rund, süffig. Ein bisschen Restsüße, nur dezent gehopft, sehr mild. Während ich Schluck für Schluck genieße, blättern wir in der dicken Speisekarte. Viele internationale Gerichte, viel typisch tschechische Brauhauskost. Die Auswahl ist gewaltig, die Portionen, wie wir an den Nachbartischen sehen, ebenfalls.
Und auch die Preise. Man merkt, dass Karlsbad vom Tourismus verdorben ist. Die Preise sind gut doppelt so hoch wie auf dem Land und erreichen ganz normales deutsches Niveau.
Zum großen Lammspieß mit grünen Bohnen, Bratkartoffeln und Speck, einem typisch tschechischen Diätteller also, trinke ich zunächst das Světlý 11°, ein frisches und leichtes, mit einem dezenten Hauch Diacetyl grüßendes Pilsener. Spürbar hopfig harmoniert es hervorragend mit dem kräftig-würzigen Lammfleisch. Ebenso wie das nächste Glas, das Pšenične 12°, das für ein Weizen hervorragend daherkommt. Leichte Gewürznelken-Aromen, spritzig, erfrischend.
Statt eines Desserts bestelle ich mir das Tmavý 13°, ein süßliches Dunkelbier. Der klassische, tschechische Stil, ähnlich wie man es auch in Prag im U Fleků bekommt. Enorm süffig, ganz leichte Röstaromen nur, schwach gehopft und malzig-süß. So ganz anders als die herben und schlanken deutschen Schwarzbiere.
Vier leckere Biere hintereinander, ohne jede Enttäuschung. Viel Glück gehört dazu, eine solche Serie serviert zu bekommen, und fast traue ich mich nicht, auch noch das Speciál 15° zu bestellen, aus Angst, die Serie könnte zu Ende sein.
Und in der Tat: Sie ist zu Ende. Aber im positiven Sinne! Das Speciál 15° entpuppt sich als fruchtiges, aromatisches Ale im belgischen Stil. Nicht übermäßig gehopft, rund und malzig, und obendrüber ein komplexer Strauß unterschiedlichster fruchtiger und estriger Aromen. Für ein belgisches Dubbel vielleicht nicht herb genug, für ein Golden Ale zu dunkel. Irgendwo dazwischen findet sich dieses Bier wieder und stellt den hervorragenden Abschluss meiner Verkostung dar. Chapeau! Der Braumeister hier, der Sládek, kann was und weiß, was er tut.
Um ehrlich zu sein: Diese Bierqualität hätte ich in einer so durchkommerzialisierten Gasthausbrauerei nicht erwartet. Prima! Und so kommt es, wie es kommen muss: Oben im Souvenirshop erstehen wir noch eine große Anderthalbliterflasche des leckeren belgischen Ales, des Speciál 15°.
Die 2012 eröfnete Pivovar Karel IV. ist täglich ab 11:00 Uhr durchgängig geöffnet; kein Ruhetag. Parken kann man gebührenpflichtig bis maximal drei Stunden Dauer direkt vor der Tür; es empfiehlt sich aber, mit Bus oder Bahn zu kommen. Bahnhof und Busbahnhof sind nur etwa 150 m entfernt.
Pivovar Karel IV.
T. G. Masaryka 282/57
360 01 Karlovy Vary
Tschechien
Hinterlasse jetzt einen Kommentar