„Immer nur von einer Brauerei zur nächsten zu reisen – wird das denn nicht irgendwann langweilig?“ – Manchmal, wenn ich diese Frage gestellt bekomme (und natürlich für mich sofort verneine), denke ich nach, was wohl meine holde Ehefrau dazu sagen würde.
Aber, wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass diesbezügliche Bedenken völlig unangebracht sind, dann war es unser Ausflug nach Loket.
Loket? Nie gehört.
Eben. Aber mein schlaues Telefon zeigte mir in einer interaktiven Landkarte, dass es dort eine Brauerei gebe. Und so kam es, dass das Bier uns einmal wieder eine Perle, ein touristisches Kleinod bescherte. Und zwar abseits vom Bier.
Loket, auf Deutsch Elbogen, ist ein wunderhübsches historisches Städtchen, nicht weit von Karlsbad entfernt. Seine gerade mal 3000 Einwohner siedeln unterhalb der Burg auf einem Granitrücken, der von dem kleinen Flüsschen Eger fast komplett umströmt wird. Der enge Bogen dieses Flüsschens hat der Stadt ihren Namen gegeben – Loket heißt auch auf Tschechisch Ellbogen. Und niemals, wenn es denn hier nicht eine Brauerei gäbe, hätten wir dieses sehenswerte Städtchen besucht.
Also: Bierreisen sind langweilig? Nein, im Gegenteil. Sie zeigen uns Orte, die wir ohne das Bier niemals angefahren wären.
Jetzt aber genug von der Stadt, wir stehen mittlerweile vor der Brauerei, der Rodinný Pivovar Svatý Florián. Beziehungsweise vor dem großen Hotel Císař Ferdinand. Prächtig und eindrucksvoll steht es vor uns, wirkt einladend, und hätten wir nicht schon eine Reservierung ein paar Kilometer weiter, würden wir sofort hier übernachten wollen. Aber mehr noch als die Fassade des Hotels interessiert uns die Aufschrift Pivovar.
Rechts neben dem Hotel geht es in die Einfahrt. Wir stapfen durch den Schnee; große Holzfässer weisen uns den Weg. Am Ende des Gebäudes geht eine kleine Treppe in den Keller, die Pivnice. Unter dem Ziegelgewölbe kauert sich links eine kleine Theke in den Winkel, vor uns ein halbes Dutzend Biertische, und am Ende des Kellerraums ein kupfernes Sudwerk. Recht groß, fast schon ein wenig überdimensioniert für den niedrigen Kellerraum, aber schön anzusehen.
Rechts neben dem Sudwerk geht es noch einmal ein paar Stufen tiefer, und wir kommen in einen zweiten Kellerraum, der ebenfalls als Schankraum, aber auch als kleines Museum der Geschichte der Brauerei dient. Eine kleine, historische Theke steht als Ausstellungsstück in der Ecke, eine Puppe als Schankkellner zapft ein frisches Bier. Die Zeit ist stehengeblieben, reglos steht sie da, das Glas wird und wird nicht voll, der Schaum wird niemals zerfallen.
In die Wände dieses kleinen Raums sind Glasvitrinen eingelassen mit einer schönen Sammlung historischer Bierflaschen, mit alten Utensilien und zahlreichen Dokumenten aus dem vergangenen Jahrhundert. Ich wandere von Vitrine zu Vitrine und begebe mich auf eine Zeitreise, die mich viele Jahrzehnte zurückführt, bin mit den Gedanken in einer völlig anderen Ära. Bis mir irgendwann meine holde Ehefrau auf die Schulter tippt. „Möchtest Du denn auch etwas trinken, oder reicht es Dir, hier im Saal herumzustehen?“
Ich werfe einen raschen Blick in die Bierkarte – vier Sorten werden angeboten. Neben „normalem“ Hellem und Dunklem gibt es ein Rauchbier und ein Rubin. Die Entscheidung fällt also leicht. Ich tippe auf das Rauchbier, das Tmavý Uzený Speciál 13°, und der Kellner nickt anerkennend. „Unser Bestes!“, sagt er und eilt davon.
In der Tat. Das Bier ist wirklich sehr gut. Das Raucharoma ist präsent, ohne aufdringlich zu wirken. Weder hat es unangenehm torfige noch verkohlt-verschwelte Aromen, sondern erinnert eher an ein frisch angefachtes Holzfeuer. Dazu ein kräftiger Malzkörper und eine schöne mittelbraune Farbe. Ein gutes Bier, und sicherlich auch für den Rauchbier-Anfänger geeignet, um ihn sachte an diese Aromenwelt heranzuführen.
Das zweite Bier, das Rubínový Speciál 15°, steht dem Rauchbier qualitativ nicht nach. Kräftig malzig, mit leichten, aber nicht zu intensiven Melanoidin-Noten. Würzig und vollmundig, ein wenig wärmend und sättigend. Genau das richtige Bier für einen frostigen Winterabend so wie heute.
Durch die Glasscheibe, die den unteren Kellerraum nach hinten abschließt, betrachten wir noch die Lagertanks. Sauber aufgereiht, dicht an dicht, stehen sie dort. Schlichte, stählerne Eleganz.
Gerne hätten wir jetzt noch den beworbenen Souvenirshop besucht und vielleicht einen schönen Krug oder ein anderes Andenken gekauft, doch leider ist er heute Abend bereits um sieben Uhr geschlossen worden. Der einzige ärgerliche Moment heute. Zumindest können wir uns aber an der Theke eine Ein-Liter-PET-Flasche füllen lassen und nehmen noch das Světlý Ležák 11° mit, um es später im Hotel gemeinsam trinken zu können.
Die Rodinný Pivovar Svatý Florián befindet sich im Keller des Hotels Císař Ferdinand mitten in Lokets historischer Altstadt. Sie ist täglich von 11:30 bis 22:00 Uhr geöffnet; kein Ruhetag. Es werden vier verschiedenen Biersorten angeboten; dazu gibt es solide und qualitative regionale und internationale Küche. Zu erreichen ist die Brauerei bequem mit dem Auto, es gibt aber nur sehr wenige Parkplätze in der Altstadt. Wenn man außerhalb parken und über die Eger laufen muss, dann kann man auch gleich mit dem Zug kommen – der Bahnhof ist etwa fünfhundert Meter Fußweg von der Brauerei entfernt.
Rodinný Pivovar Svatý Florián
T. G. Masaryka 136
357 33 Loket
Tschechien
Oh, ja, wie schön! Diese Brauerei haben Gerrit und ich auch schon mal „gefunden“. Man muss aber auch sagen, dass der Ort sehr sehr malerisch liegt und sich der Besuch wunderbar mit einer Wanderung am Fluss Ohře an der Felsformation Svatošske skály vorbei kombinieren lässt. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, fand ich damals (2013 muss es gewesen sein) insbesondere das „normale“ Dunkel/Tmavý überzeugend. Schön karamellig und leicht nussig, aber zugleich mit recht leichtem Körper. Mmmh!
Hallo, Nina,
in der Tat – die Brauerei liegt toll, nicht wahr?
Die Wanderung zu den Svatošske Skály wäre natürlich auch toll gewesen, aber es war ja erstens schon stockdunkel, und zweitens war alles tief verschneit – auf Wanderwege hatten wir da kein Lust. Aber vielleicht ergibt sich ja mal eine Gelegenheit in der schöneren Jahreszeit. Obwohl… Da befürchte ich dann, dass alles von Touristen überlaufen sein wird.
Liebe Grüße zu Euch Nordlichtern, und lasst Euch das Bier gut schmecken!
Volker