„… und jetzt werden wir zu einem japanischen Konzern gehören. Ob und wie es mit uns weiter geht, das ist ungewiss!“ Die Dame, die uns fast anderthalb Stunden lang fachkundig durch die Brauerei und das Museum geführt hat, gut bedauernd, und es sieht aus, als befürchte sie das Schlimmste.
Die 1874 von Franz Ringhoffer eröffnete Pivovar Velké Popovice, Brauerei Großpopovitz, besser bekannt unter ihrem Markennamen Kozel, wuchs relativ rasch, überlebte zwei Weltkriege und den Sozialismus. 1992 wurde sie in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, später dann mit den Brauereien Radegast und Pilsener Urquell fusioniert. Seit 2002 gehören die fusionierten Brauereien zu South African Breweries (SAB), die wiederum mit Miller zu SABMiller fusionierten. In 2016 betrieb der Weltmarktführer ABInBev die Übernahme von SABMiller, wollte sich aber auf Druck der Kartellbehörden im Zuge der Übernahme vom SABMiller-Europageschäft trennen – eine Gelegenheit, die der japanische Bierkonzern Asahi ergriff. Hundertvierzig Jahre tschechischer Brautradition kommen nun also in japanische Hand. Kein Wunder, dass sich das Personal hier vor Ort als Spielball im Ringen um Marktanteile fühlt.
Doch genug der Investmentspielchen, zurück zum hier und heute:
Wir stehen im Besucherzentrum der Brauerei Kozel. Ein kleiner Souvenirshop mit Gläsern, Krügen und sonstigen Andenken, gerne auch eine komplette Ausstattung mit Lederschürze, Hose, Schlappen und Mütze. Was immer der Markenfanatiker sich wünschen mag. Ein kurzer Blick nur, der Gedanke an die übervollen Regale daheim und an den nächsten Umzug, und tapfer passieren wir die Kasse, ohne etwas zu kaufen außer der Karte für die anschließende Brauereiführung.
Und da geht es auch schon los. Pani Edita nimmt unsere kleine Gruppe unter ihre Fittiche und führt uns zunächst ins alte Sudhaus, das die Ausstellung der Geschichte der Brauerei beherbergt. Beginnend mit dem Kupferschmied Ringhoffer, der die Idee zur Brauereigründung hatte, über die ersten Erfolge, die Fährnisse in den beiden Weltkriegen und die stetige Modernisierung. Selbst die Zeit, in der der Schriftzug am Eingang der Brauerei in sozialistischem Rot leuchtete und vom fünfzackigen Sowjetstern gekrönt war, hat die Brauerei gut überstanden.
Ein uralter Kupferbottich und ein nicht ganz so alter, aber dennoch schon veralteter Stahlbottich stehen hier im alten Sudhaus einträchtig nebeneinander, legen Zeugnis davon ab, wie schnell sich die Brauereitechnik weiterentwickelt. Das neue Sudhaus steht nur wenige Meter weiter, und auch wenn es auf den ersten Blick altmodisch wirkt – unter den Kupferhauben verbirgt sich moderne und effiziente Technik.
Ohne jede nostalgische Verblendung: Die gewaltigen zylindrokonischen Gärtanks. Wie eine Raketenbatterie stehen sie in der riesigen Halle, zum Abschuss bereit. Keine Brauereiromantik mehr, nur Effizienz und Edelstahl. Im Keller unter der Halle noch ein paar Reminiszenzen an früher. Eine alte Fassfüllanlage, und daneben eine schön gearbeitete Theke, die von einem Geißbock, einem Kozel, geziert wird. Wir bekommen die Gelegenheit, die Kozelbiere zu verkosten – und wie es bei Brauereibesichtigungen immer so ist: Das perfekt gepflegte Bier, direkt aus dem Tank und unmittelbar nach der Fassabfüllung, schmeckt am besten, und so überzeugen sowohl das Dunkel, das Černý 13°, als auch das Obergärige, das Ale 11°, rundum. Leicht röstig und mit einer angenehmen Restsüße das Dunkle, und fruchtig-komplex, fast schon belgisch wirkend, das Ale.
Ein kurzer Blick in die Abfüllerei darf natürlich nicht fehlen, wenn sie auch heute, an einem Sonntag, nicht in Betrieb ist und daher nur halb so beeindruckend wirkt wie erwartet.
Bevor es schließlich wieder in Richtung Ausgang geht, müssen wir noch den Ziegenbock Olda besuchen. Der Bock, das Symbol der Brauerei von Anfang an, ist seit vielen Jahren auch das lebende Maskottchen. Mittlerweile ist es schon der siebte Ziegenbock, der hier in seinem kleinen Stall lebt – wie alle seine Vorgänger heißt er Olda, benannt nach dem Pfleger Oldřich Lenc, der für den allerersten Ziegenbock verantwortlich war.
Nachdem alle Besucher ihn haben kraulen dürfen (und nun entsprechend stinkende Finger haben…), stehen wir wieder im Besucherzentrum und lauschen den niedergeschlagenen Worten Editas über die ungewisse Zukunft der Brauerei. Interessant war es, und ein großes Lob an Edita, die die Führung nicht nur routiniert abspulte, sondern mit Herz und Begeisterung dabei war und auf wirklich alle Fragen eine Antwort geben konnte.
Was liegt näher, als die Brauereibesichtigung nun mit einem guten Essen und einem letzten Bier im Brauereirestaurant Velkopopovická Kozlovna abzuschließen?
Aber ach, was für eine Enttäuschung. Zwar ist es gemütlich eingerichtet und auf den ersten Blick sehr einladend, aber wie soll man sich hier wohl fühlen, wenn alle Kellner und Kellnerinnen, das gesamte Personal missmutig herumläuft, die Gäste kurz angebunden und muffelig bedient, und wenn dann auch noch eines der beiden bestellten Essen wenig appetitlich auf den Teller geknallt wird und die – für hiesige Verhältnisse durchaus teure – Portion nicht reicht, um satt zu werden? Nein, das ist kein schöner Abschluss für einen ansonsten sehr angenehmen Brauereibesuch. Das haben wir an anderer Stelle schon viel besser, gastfreundlicher und schmackhafter erlebt. Und der Gipfel ist, dass das angebotene und kräftig beworbene Sonderbier Rubinový Ležák gar nicht aus der eigenen Kozel-Brauerei kommt, sondern aus der Gambrinus-Brauerei. Zwar aus dem gleichen Brauereiverbund, aber dennoch: Im brauereieigenen Restaurant hätten wir ein wenig mehr Stolz auf die eigenen Produkte erwartet. Nicht schön!
Das Besucherzentrum mit Souvenirverkauf der Pivovar Velké Popovice ist täglich von 10:00 bis 16:00 Uhr, im Sommer bis 18:00 Uhr, geöffnet. Führungen finden im Winter (Oktober bis März) sonnabends und sonntags um 13:00 Uhr statt, im Sommer (April bis September) täglich um 13:00 und um 15:00 Uhr. Das direkt am Brauereieingang gelegene Brauereirestaurant Velkopopovická Kozlovna ist täglich ab 10:30 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Zu erreichen ist die Brauerei am besten mit dem Auto, es sind zehn Minuten von der Autobahn D1. Parkplätze gibt es gebührenfrei direkt am Eingang. Alternativ bieten sich die Buslinien 363 und 461 an.
Pivovar Velké Popovice „Kozel“
Ringhofferova 1
251 69 Velké Popovice
Tschechien
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