Eine Bar, so bunt wie die Stadt: The BeerTemple in Amsterdam.
Eigentlich können die Niederlande mit einer abwechslungsreichen Bierszene aufwarten: Während Deutschland seinerzeit noch im Dämmerschlaf des Fernsehbiers ruhte, begannen die Niederländer, beeinflusst von der Bierkultur Belgiens, den Ales aus Großbritannien und der Craftbeer-Revolution in den Vereinigten Staaten bereits vor mehr als zehn Jahren zu experimentieren. Langsam zwar, aber nach und nach wuchs das Angebot.
Aber egal, wie groß das nationale Angebot auch sein mag, der Reiz des Neuen und des Exotischen, das Fernweh, abgefüllt in ein Bierglas, bleibt trotzdem – und so öffnete Peter van der Arend, der sich vorher schon mit dem Proeflokaal Arendsnest einen Namen gemacht hatte, im September 2009 The BeerTemple, um vor allem amerikanische Biere anzubieten.
Schon von der anderen Straßenseite aus sehe ich das schwarz-weiße Gebäude. Die Ziegelsteine sind schwarz überstrichen, die Fensterrahmen weiß (vermutlich waren sie irgendwann einmal sogar strahlend weiß…), und im Erdgeschoss flattert eine ebenso schwarzweiße Markise im noch kühlen Frühlingswind: „Craft Beer Revolution – Beer Temple“ steht darauf. Darunter in schönem farblichem Kontrast knallrote Stühle und ein paar Tischchen. Gedacht für die Raucher und für die wetterfesten Biergenießer.
Ich trete durch die Tür, und schlagartig hat es ein Ende mit dem schlichten Schwarzweiß. Höchstens noch die großen Tafeln, die auf schwarzen Brettern vom Bierangebot künden, passen noch ein wenig in diesen Stil, aber alles andere ist knallbunt. Ob es die endlos lange Reihe von leeren Bierflaschen am rechten Rand ist, die sich durch die ganze Länge der Bar zieht, oder die darüber an die Wand geklebten Etiketten. Oder die an die Wände und unter die Decke geklebten Plakate mit Bierwerbung aus aller Welt. Oder die ebenfalls unter der Decke in einer kastenförmigen Ausbuchtung gesammelten und präsentierten Tap-Handles. Oder ganz einfach das Publikum. Um es mit Nina Hagen zu sagen: „Alles so schön bunt hier!“
Während ich an der Theke stehe und mich zwischen den rund 35 angebotenen Fassbieren nicht entscheiden kann, immer wieder mit dem Blick über die große Tafel wandere, klettert die junge Barfrau hinter mir auf einen Barhocker und wechselt auf der gegenüberliegenden Wand in einem gefährlich aussehenden Balanceakt ein paar der dortigen Bretter aus – das Angebot an Flaschenbieren wird aktualisiert.
„Wenn Du Dich nicht bald entscheidest, dann fängt sie hier an der Theke auch an, die Bretter zu wechseln und das Angebot zu aktualisieren, und dann wirst Du nie fertig mit Deiner Entscheidung“, flachst mich der Barmann an. Es ist aber auch gar zu schwierig. Rund zwanzig der Biere würden mich interessieren, nur ein einziges will und darf ich heute trinken. Und die Wand mit den Flaschenbieren hinter mir habe ich besser noch gar nicht gelesen, da kommen bestimmt noch ein paar Dutzend spannende Sachen dazu.
Schließlich nehme ich etwas ganz Konservatives, ein English Bitter. Nicht zu stark im Alkohol, nicht gewaltig gehopft, sondern einfach nur etwas für den Durst, jetzt, zu dieser frühen Nachmittagsstunde: Das Honkers Ale von Goose Island. Kupferfarben, klar, mit einer stabilen Schaumkrone und – obwohl es sich English Bitter nennt – gar nicht bitter, sondern ausgewogen, mild und süffig. Für diesen Moment eine gute Wahl.
Um mich herum Menschen aus allen Schichten. Ein paar Anzugträger, ein verlotterter Althippie, ein paar Pärchen verschiedenen Alters – von gerade einmal legalem Trink-Alter (wenn überhaupt…) bis zu grauhaarigen Rentnern. Helle Haut, dunkle Haut, asiatische Gesichtszüge, europäische, ein buntes Sprachengewirr. So bunt wie die Bar, so bunt wie die Stadt.
Mit dem Glas in der Hand studiere ich nun in Ruhe das Bierangebot. Jedes einzelne der 35 Fassbiere hat ein eigenes Brett, auf dem mit verschiedenfarbigen Kreiden der Brauereiname, der Biername, der Stil, der Alkoholgehalt und der Preis vermerkt sind. Manchmal auch noch ein paar Informationen mehr. Nicht immer ist alles leserlich, leider, aber der Barmann hilft nicht nur den Kurzsichtigen gerne aus, sondern auch denen, die keine Hobby-Ägyptologen sind und sich mit dem Entziffern von Hieroglyphen nicht so gut auskennen.
Die große Tafel auf der anderen Seite, der Theke gegenüber, besteht ebenfalls aus einzelnen schwarzen Brettern und informiert über die Flaschenbiere. Rund hundert Bretter zähle ich, aber nach Angaben des Barmanns gibt es noch viel mehr verschiedene Flaschenbiere, rund 200 dürften es sein. Und schon wieder macht sich seine Kollegin daran, auf einen Barhocker zu klettern und ein paar der Bretter auszuwechseln. Es kommt also ständig Neues hinzu.
Noch lange könnte ich hier an der Wand lehnen, ein Bier in der Hand, dem bunten Gewusel zusehen, ein bisschen erzählen hier, ein bisschen flirten dort. Ein wenig fachsimpeln, oder auch einmal für einen Moment schweigen und nur dem Stimmengewirr lauschen.
The BeerTemple – definitiv einen Besuch wert!
The BeerTemple ist täglich ab 12:00 Uhr mittags durchgehend geöffnet. Neben 35 Fass- und rund 200 Flaschenbieren werden ein paar einfache Snacks angeboten. Und natürlich einige Merchandising-Produkte, T-Shirts beispielsweise. Zu erreichen ist die Bar mit ihrem vorwiegend amerikanischen Craftbeer-Angebot am besten mit der Straßenbahn: An der Haltestelle Dam, nur wenige Schritte entfernt am Koninklijk Paleis, halten zahlreiche Linien.
The BeerTemple
Nieuwezijds Voorburgwal 250
1012 RR Amsterdam
Niederlande
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