„Von außen?“
„Wie … nur von außen?“
„Ihr habt den Turm wirklich nur von außen gesehen?“
Ungläubige Blicke ruhen auf uns; fast schon fühlen wir uns unwohl angesichts der bohrenden Fragen.
Und ja, wir müssen es zugeben: Wir waren in der Brauerei zum Kuchlbauer GmbH & Co. KG, sind zunächst im Brauereigasthof Zum Kuchlbauer eingekehrt und haben danach eine Brauereibesichtigung gemacht – aber den berühmten Hundertwasser-Turm haben wir nur von außen gesehen. Nur von außen!
Wie konnte es nur soweit kommen …
Wir sind mal wieder unterwegs. Eine lange Strecke, und pünktlich zur frühen Mittagszeit stellen wir fest, dass Abensberg nur einen Katzensprung von unserer Route entfernt liegt. Schnell war der Entschluss gefasst, hier im Brauereigasthof Zum Kuchlbauer eine Rast einzulegen und lecker zu essen. Und dann der Blick auf die Uhr: Die Brauerei selbst ist ja nur ein paar Schritte entfernt – ein kleiner Verdauungsspaziergang ist definitiv drin.
Leuchtend gelb steht das Brauereigebäude also vor uns, linker Hand das Kunstmuseum, das uns schon mit bunten Formen und Farben begrüßt, und auch die Brauerei selbst weist den einen oder anderen ungewöhnlichen Kunstschmuck auf. Neugierig betreten wir die Eingangshalle, sehen den kleinen Souvenirshop und daneben den Hinweis auf die Brauereiführungen. Die nächste beginnt in wenigen Minuten. „Wie lange dauert eine Führung“, frage ich, und der junge Mann am Ticketschalter erwidert „So eine gute Stunde, etwa!“
Ich schaue meine holde Ehefrau an, und sie schaut mit wenig hilfreichem Blick zurück. „Eine Stunde? Das können wir uns leisten, dann machen wir anschließend keine weiteren Pausen mehr und werden trotzdem pünktlich zu unserem Abendtermin da sein, oder?“, frage ich sie. „Na, wenn Du meinst…“, flötet sie zuckersüß zurück, ohne sich festzulegen. Die Verantwortung liegt wieder einmal bei mir.
Schon sind die beiden Tickets gekauft, wir gehen durch das Drehkreuz und warten auf den Beginn der Führung.
Die künstlerische Gestaltung des Eingangsbereichs macht neugierig. Überall runde Formen, bunte Farben, abwechslungsreiche Vielfalt. Und da kommt auch schon unser Führer. Ein kurzer Einführungs-Video-Clip, in dem uns der Brauereichef Leonhard Salleck begrüßt, und dann marschieren wir los.
Wir beginnen unmittelbar im Sudhaus, bestaunen die beiden großen, kupfernen Geräte, die in ihrem Inneren aber neueste Technik verbergen, wie auch der futuristisch aussehende Schonkocher neben der Sudpfanne noch einmal unterstreicht. Die Brauerei zum Kuchlbauer GmbH & Co. KG hat sich mittlerweile ausschließlich auf Weißbierproduktion spezialisiert, erzählt uns unser Führer und zählt die verschiedenen Sorten auf, von der leichten Weisse Sportsfreund über die helle Kuchlbauer Weisse, die Turmweisse und die dunkle Weisse Alte Liebe bis hin schließlich zum Weizenbock, dem Aloysius.
Überall in den Gängen des Gebäudes hängen Bilder, Plakate, Werbeschilder, und immer wieder finden sich auch alte Gegenstände aus der Brauereigeschichte als Dekoration. Optisch zusammengehalten wird dies durch die Brau Kunst Spur, einen Pfad aus Tonscherben, Flaschenböden und anderen bunten Mosaikelementen, der die Besucher durch die gesamte Brauerei leitet.
Nach dem Sudhaus betreten wir die sogenannte Apotheke, einen kleinen Raum, in der Tat einer Apotheke gleich, in dem Gesundheitsprodukte gezeigt werden, die mit dem Bier und der Brauerei zu tun haben – Hefetabletten beispielsweise, aber auch Liköre und Schnäpse. Immer getreu dem Zitat des alten Epikur: „Wo immer das Lusterzeugende vorhanden ist, da findet sich, solange es gegenwärtig ist, nichts Schmerzendes oder Betrübendes.“
Die Brau Kunst Spur und unser Führer geleiten uns anschließend durch den Gärkeller. In geheimnisvollem Blau beleuchtet stehen hier die Gärbottiche, in denen die Hefe in offener Gärung den Alkohol erzeugt. Der Prozess ist stilisiert als Mosaik in die Brau Kunst Spur integriert – man sieht die Hefezellen und die aufsteigenden Kohlensäurebläschen.
Überall, an allen Ecken und Enden begegnet dem Besucher Kunst im Stil Friedensreich Hundertwassers. Der Künstler selbst hat in seinen letzten Lebensjahren eng mit dem Brauereibesitzer zusammengearbeitet, und nach seinem Tod wurden viele seiner Ideen vom Architekten Peter Pelikan aufgenommen, angepasst und zu Ende geführt.
Nach dem Gärkeller folgt ein Museumsbereich. Ein paar alte Gerätschaften – Flaschenwäscher, Flaschenfüller – stehen hier, aber auch eine Miniaturbrauerei, vorgestellt von Brauerei-Zwergen, die auf eine Idee von Hundertwasser zurückgehen.
Im unteren Bereich des Museums betreten wir ein großes Gewölbe, an dessen Stirnwand sich eine große Replika des Abendmahls von Leonardo da Vinci befindet. Dieses Gemälde hat den Brauereibesitzer so fasziniert, dass er diese Replika erstellen ließ, und unser Brauereiführer nimmt sich viel Zeit, uns die Analyse vieler Bestandteile dieses Bilds vorzustellen – mit Sicherheit gründlicher, als dies vor dem Original im Kloster Santa Maria delle Grazie in Mailand jemals möglich wäre.
Durch ein verspiegeltes Treppenhaus gelangen wir in einen Ausstellungsraum, in dem uns verschiedene Werke Hundertwassers nahegebracht werden, und würden viele seiner Kunstwerke nicht auch Bierflaschenböden oder ganze Bierflaschen integrieren, hätten wir vermutlich schon lange vergessen, hier in einer Brauerei zu sein.
Schließlich kommen wir hinter dem Brauereigebäude doch wieder ans Tageslicht, können noch eine kleine Sammlung von alten Kutschen bewundern, und dann soll es zur Besichtigung in den berühmten Hundertwasser-Turm gehen.
Weit mehr als eine Stunde ist bereits vergangen, und jetzt beginnt die Zeit doch zu drängen. Es reicht lediglich noch zur Besichtigung des Eingangsbereichs des Turms. Wir hören von der Entstehungsgeschichte, davon, dass er ursprünglich 70 m hoch werden sollte, nach Widerstand des Bürgermeisters und der Denkmalschutzbehörden nun aber nur noch 35 m erreicht hat. Davon, dass Friedensreich Hundertwasser den Turm zwar noch geplant hat, vor dessen Fertigstellung aber gestorben ist und die Arbeit von Peter Pelikan vollendet worden ist. Und auch davon, dass der Turm nun zwar ein Besuchermagnet ist, der viele Touristen nach Abensberg zieht, dadurch fast schon zu einem Wahrzeichen Abensbergs geworden ist, der Bürgermeister der Stadt ihn aber nach wie vor ablehnt.
Wir könnten den Turm nun noch besteigen, ihn im Inneren in allen Details erkunden und von seiner goldenen Kuppel aus den herrlichen Blick über das Land genießen. Anschließend könnten wir noch in der Sonne im Biergarten sitzen und unseren Getränkegutschein gegen ein frisches Weißbier eintauschen. Aber es bleibt alles im Konjunktiv – unsere Zeit ist definitiv zu knapp, und wir brechen den Besuch schweren Herzens ab. Wer hätte auch schon geahnt, dass wir für den Eintrittspreis von 12,00 EUR pro Person ein Programm geboten bekommen, das weit mehr als nur einen klassischen Brauereirundgang umfasst und uns locker zweieinhalb Stunden beschäftigen kann?
Und so haben wir den Hundertwasser-Turm tatsächlich nur von außen gesehen, haben die Kunst in seinem Inneren nicht bewundert und haben auch die goldene Kuppel nicht bestiegen. Grund genug, wieder einmal nach Abensberg zu kommen und unsere Eindrücke zu vervollständigen.
Die Brauerei zum Kuchlbauer GmbH & Co. KG bietet Führungen und Besichtigungen des Museums einschließlich des Hundertwasser-Turms das ganze Jahr über an – von Januar bis Ostern mittwochs, sonnabends und sonntags, von Ostern bis Dezember täglich. An Karfreitag und Allerheiligen ist geschlossen, ebenso zwischen Heiligabend und Dreikönigstag. Genaue Uhrzeiten der Führungen werden auf der Website der Brauerei detailliert bekanntgegeben. Dort kann man sich auch anmelden. Achtung: Kredtikarten werden im Souvenirshop und an der Kasse nicht akzeptiert, nur Bankkarten – was es für ausländische Touristen schwierig macht und nervt. Zu erreichen ist die Brauerei bequem mit dem Auto in wenigen Minuten von der A93, alternativ bietet sich die Bahn von Ingolstadt aus an – der Bahnhof Abensberg ist knapp zehn Minuten von der Brauerei entfernt.
Brauerei zum Kuchlbauer GmbH & Co. KG
Römerstraße 5–9
93 326 Abensberg
Bayern
Deutschland
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