Prolog.
Nach den großen Erfolgen der Tour de Bier und der Städtetour de Bier hat Klaus Kling vom 22. bis zum 24. Oktober 2010 zum ersten Mal eine Wandertour de Bier organisiert. Eine kleine und überschaubare Anzahl von Tour-Teilnehmern war im Vorfeld individuell eingeladen worden, um gewissermaßen einen Probelauf, oder vielmehr eine Probewanderung durchzuführen. Sollte die Resonanz überwiegend positiv sein, so soll eine herbstliche Wandertour de Bier auf regelmäßiger Basis etabliert werden.
Freitag.
Wir ließen uns nicht zweimal bitten und nahmen über 600 km Anreise auf uns. Nach einer Zwischenübernachtung im Spreewald in der kleinen und urigen Brauerei Babben in Lübbenau kamen wir denn auch pünktlich am 22. Oktober 2010 am späten Vormittag in Hirschaid im Brauereigasthof Kraus an, bezogen rasch unser Zimmer und fanden uns zum Frühschoppen in der Schankstube ein. Neben vielen bekannten waren auch einige neue Gesichter dabei, und so nutzten wir die Zeit bis zum Mittagsläuten, um uns ein wenig zu beschnuppern und das eine oder andere Bier der Brauerei Kraus zu verkosten.
Derart gestärkt ging es erstaunlicherweise fast pünktlich los zur ersten Etappe, die uns am Rhein-Main-Donau-Kanal entlang nach Buttenheim führen sollte. Die Sonne strahlte, die Luft war herbstlich frisch und die Laune gut – die Bedingungen waren also optimal. Zwar lockten uns entlang des Kanal-Deiches immer wieder verführerische Schilder, die uns einluden, doch lieber in den nächstgelegenen Biergarten einzukehren, anstatt weiter zu laufen, aber wir blieben tapfer.
In Altendorf verließen wir den Deich und liefen entlang der Hauptstraße nach Buttenheim hinein. Ein hübsches und gemütliches Dörfchen, und schon nach wenigen Minuten hatten wir die Brauerei Löwenbräu erreicht, die kleinere der beiden einträchtig unmittelbar nebeneinander liegenden Buttenheimer Brauereien. Hier stärkten wir uns bei süffigem und frischem fränkischen Lagerbier und kräftigen, aber dennoch hochwertigen fränkischen Spezialitäten, die uns eine ordentliche Grundlage für die folgende Brauereibesichtigung gaben.
Als uns der junge Geselle ins Sudhaus führte, machte der erste Eindruck ein wenig nachdenklich. Altmodische Technik, abbröckelnde Fliesen, abblätternde Farbe – sollte hier eine Brauerei gerade verfallen und ihrem baldigen Ende entgegensehen? Weit gefehlt! Hinter der zugegebenermaßen etwas sanierungsbedürftig wirkenden Oberfläche verbirgt sich moderne Brauereitechnik, die erst vor wenigen Jahren installiert worden ist. Die alten Armaturen, der Läutergrant, die altertümliche, marmorne Schalttafel und viele Uralt-Installationen befinden sich zwar alle noch an ihrem Platz, werden aber nicht mehr genutzt, sondern lediglich aus einer gewissen Sentimentalität heraus an ihrem Platz belassen, während die Sude von aktueller, zeitgemäßer Technik gesteuert und überwacht werden. Auch die alten, offenen Gärbottiche und das riesige Kühlschiff unter dem Dach sind als Relikte erhalten, ohne genutzt zu werden. Stattdessen finden sich moderne Plattenkühler, und die Gärung findet in geschlossenen Behältern statt.
Vom Kühlschiff oben unter dem Dach bis zum Lagerkeller ganz unten stiegen wir die Treppen und Leitern wieder hinab und nutzten die Gelegenheit, das Lager und das Pils direkt aus den Lagertanks zu zwickeln und zu verkosten. Sehr schön! Sogar das Glas mit dem Brauereilogo, dem blauen Löwen, durften wir danach behalten.
Ein kurzer Blick zurück auf das Brauereigebäude und den hoch daneben aufragenden Turm der Mälzerei, und wir wandten uns unserem nächsten Ziel zu, dem Levi-Strauss-Museum.
Levi Strauss, der Erfinder der gleichnamigen Jeans – ein Buttenheimer? Genau so ist es! Leider mussten wir aber, als wir frohgemut an der Türklinke rüttelten, feststellen, dass das Museum geschlossen hatte, und so blieb uns nichts anderes übrig, als unverrichteter Dinge weiter zu ziehen.
Zum Glück hatte Klaus Kling aber gleich den nächsten Tipp parat: In Altendorf, also genau auf unserem Weg zurück in Richtung Kanal, sollte es eine alte Mühle geben, die zu einem wunderschönen Restaurant umgebaut worden sei. Stimmt. Das Wirtshaus Mühle hatte sogar geöffnet. Und was das Beste von allem war: Es gab vier verschiedene Bockbiere vom Fass: Mahr‘s, Keesmann, Bambergator (vom Fässla) und Schlenkerla. Wir waren im Paradies angelangt.
Leider jedoch nur für kurze Zeit, denn ab 18:00 Uhr war der Restaurantbereich komplett reserviert, so dass es für mehr als eine Bockbierprobe leider nicht reichte. – Vielleicht war dies aber auch gut so, denn mehr als nur ein Glas vom Schlenkerla Rauchbock oder gar vom Bambergator, Bambergs stärkstem Bier, wäre der Rückwanderung nach Hirschaid möglicherweise nicht sehr zuträglich gewesen.
Wir liefen noch einmal durch die Nebensträßchen Altendorfs, erfreuten uns an den vielfältig mit Kürbissen geschmückten Gärten und Wegen, und wanderten dann in der Abenddämmerung am Kanal entlang zurück nach Hirschaid, zur Brauerei Kraus, in der wir dann den ersten Abend bei gebackenem Karpfen, Schäuferla und anderen leckeren fränkischen Spezialitäten ausklingen ließen.
Sonnabend.
Der Tag begann nach einem gemütlichen Frühstück mit gerunzelter Stirn. Wo soll es denn heute eigentlich hin gehen? Beziehungsweise, wo sollen wir denn entlanglaufen? Die große Straßenkarte, die Klaus als Vorbereitung besorgt hatte, erwies sich als nicht wirklich hilfreich – es sei denn, wir hätten entlang der Bundesstraßen wandern wollen. Nach einem stärkenden und die Sinne schärfenden Schluck aus dem Flachmann entschlossen wir uns, einfach mal drauf los zu marschieren – irgendein Weg werde sich schon finden lassen, war die einhellige Meinung.
In den sich lichtenden Morgennebeln überquerten wir zunächst den Rhein-Main-Donau-Kanal, dann die Regnitz, und schließlich liefen wir durch wunderschöne Wälder und Felder in strahlender Sonne bis Großbuchfeld, wo wir eine kleine Pause einlegten. Erneut wurde beratschlagt, wie der Weg von hier denn weiter gehen könnte, aber abgesehen vom Ziel, der Brauerei Rittmayer in Hallerndorf, herrschte wenig Einigkeit über die Route.
Wir liefen erneut einfach drauf los, und siehe da, irgendwann waren wir doch alle in Hallerndorf angekommen und konnten uns über die Besichtigung des Abfüllzentrums der Brauerei freuen. Der Betriebsleiter, Uwe Kraus, zeigte uns voller Stolz seine Anlage – man hat sich auf die Abfüllung von Bügelflaschen spezialisiert, und teilweise kommen die Tanklastzüge von weit her, um das Bier auf den Rittmayer-Anlagen auf Bügelflaschen füllen zu lassen. Alle Details des Abfüllprozesses, jeden einzelnen Vorgang von der Flaschenannahme über die Reinigung, die Füllung, die Etikettierung und das Verpacken bekamen wir erläutert – endlich mal jemand, der wirklich genau weiß, was im Inneren dieser gigantischen Maschinen in rasender Geschwindigkeit vor sich geht, und der dies auch anschaulich erklären konnte.
Nach dieser Besichtigung konnten wir aus den vielen verschiedenen Kästen die unterschiedlichsten Kostproben nehmen – vom Winterbier über das Bockbier bis zum Pils; vom Whisky-Malzbier über das Weizen zum Rauchbier, es war einfach für jeden Geschmack etwas dabei. Wir rückten ein paar Bierbänke in den Hof der Abfüllerei und genossen in den noch etwas wärmenden Strahlen der Herbstsonne die herrlichen Biere. Und so saßen wir und saßen. Der Brauereibesitzer, Georg Rittmayer, gesellte sich ebenfalls zu uns und erzählte von der bis ins Jahr 1422 zurückreichenden Geschichte der Brauerfamilie und über die Rittmayersche Produktwelt des Jahres 2010.
Viel zu schnell verrann die Zeit, und im Brauereigasthof wartete die Wirtin mit dem – verspäteten – Mittagessen auf uns. Kurzerhand verlud uns Georg Rittmayer auf die Ladefläche seines Biertransporters und fuhr uns, nicht ganz legal, die wenigen Meter bis zum Brauereigasthof. Hier lernten wir, dass fränkische Küche auch durchaus edel zubereitet werden kann und sich nicht nur auf deftige, große Portionen beschränken muss. Zu edlen fränkischen Speisen wie zum Beispiel Rehschäufala verkosteten wir weitere Rittmayer-Biere, während uns Georg Rittmayer und Uwe Kraus von den Plänen eines Brauerei-Neubaus berichteten. Der alte Bau rutscht auf sandigem Untergrund langsam in Richtung Aisch und kann daher nicht mehr erweitert oder gar komplett umgebaut werden, und so entsteht auf der grünen Wiese neben dem Abfüllzentrum ein ultramoderner Neubau, aber mit klassischen Brauverfahren. So ist zum Beispiel selbstverständlich eine offene Gärung geplant. An einem Holzmodell zeigten uns die beiden mit leuchtenden Augen jedes kleine geplante Detail.
Mittlerweile war es bereits Nachmittag, aber anstelle von Kaffee und Kuchen standen noch ein zweiter Versuch beim Levi-Strauss-Museum und ein weiterer Brauereibesuch auf dem Programm. Erneut brachte uns der Rittmayer-Lieferwagen ein paar Meter weiter, und in Buttenheim angekommen, hatten wir Glück: Das Museum war geöffnet. Bewaffnet mit neumodischen „Audio-Guides“ machten wir uns auf eine Zeitreise zurück ins 19. Jahrhundert und wanderten in die Vereinigten Staaten aus. Die Ausstellung war interessant, und die Zeit verging wie im Flug.
Mit der St. Georgen Brauerei wandten wir uns wieder dem eigentlichen Thema unserer Wandertour zu. Direkt neben der Löwenbrauerei gelegen, ist sie gewissermaßen die etwas größere Schwester. Vor wenigen Jahren war die Eigentümerfamilie Modschiedler in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, und die Brauerei lief Gefahr, trotz ihrer jahrhundertelangen Tradition sang- und klanglos pleite zu gehen. Die Rettung kam im Jahr 2009 durch den Braumeister der Brauerei, Norbert Kramer, der in einem mutigen Schritt die Brauerei übernommen hat. Mit sichtlichem Stolz zeigte er uns seine Brauerei und berichtete über gerade abgeschlossene und für die nahe Zukunft geplante Investitionen. Modernste Technik im Filter-, Gär- und Lagerbereich trifft derzeit noch auf eher ältere Anlagen im Sudhaus, daneben sind noch eine Reihe wunderbarer alter Maschinen und Anlagen als historische Schmuckstücke erhalten, und so malte uns Norbert Kramer aus, wie die moderne Technik, die klassischen Brauereiverfahren und die historischen Museumsstücke aus einem einfachen Brauereirundgang ein beeindruckendes Erlebnis machen werden, wenn seine Pläne erst alle Wirklichkeit geworden sein werden.
Solange die Qualität seiner Biere so bleibt, wie sie ist, sollte diese Brauerei nicht erneut in Schwierigkeiten geraten, waren wir uns alle einig, als wir nach der Besichtigung in der Brauereigaststätte saßen und die Biere verkosteten.
Mittlerweile war es draußen dämmrig geworden, und Klaus Kling mahnte zur Rückkehr nach Hirschaid. Ein kleiner, harter Kern machte sich trotz der Dunkelheit zu Fuß auf den Weg, während die Mehrheit den örtlichen Taxi-Service nutzte.
Als wir schließlich nach einem letzten Fußmarsch wieder im Brauereigasthof Kraus einliefen, saßen die „Taxler“ schon beim Bier und guten Essen. Es wurde ein langer und fröhlicher Abend. Und ein nahrhafter. Als wir alle schon sattgegessen an der Tafel saßen und den leckeren Bieren frönten, kam die Chefin Hilde Kraus, genannt die „Wilde Hilde“, mit einem Arm voll Würsten aus der eigenen Metzgerei. Lautstark und in der ihr eigenen Art, keinen Widerspruch zu dulden, pries sie die Produkte an und fand auch reichlich Abnehmer – kein einziges unverkauftes Wurstzipfelchen blieb übrig.
Sonntag.
Nach einem gemütlichen Frühstück im Brauerei-Gasthof hieß es für uns, die wir weit angereist waren, bereits schon wieder Abschied zu nehmen – natürlich nicht, ohne zu bekräftigen, dass die Wandertour de Bier zu einer festen Einrichtung werden solle. Für die anderen bot sich am Vormittag noch ein Besuch des Hirschaider Herbstmarktes an. An die hundert Aussteller hatten sich der Rathausstraße bemächtigt und boten ihre Waren an – und viele tausend Besucher kamen. Zusammen mit dem verkaufsoffenen Sonntag bot dieser Markt noch einen schönen Abschluss der Wandertour de Bier.
Wir hingegen, die Verfasser dieser Zeilen, befanden uns leider schon auf der Autobahn, machten in Diensdorf am Scharmützelsee im Haus am See, das über eine eigene kleine Brauerei verfügt, noch einmal Rast und fügten so dieser Wandertour de Bier noch eine weitere Station hinzu, bevor wir reich an Erlebnissen wieder daheim ankamen.
Fazit.
Nach sieben „normalen“ Touren und drei Städtetouren war dies nun die erste Wandertour der Bier gewesen – ein Versuchsballon, gewissermaßen. Eine schöne Sache für alle Teilnehmer, wenn auch für diejenigen, die nicht so gut zu Fuß sind, etwas anstrengend. Aber das liegt in der Natur der Sache. Wenn es nach uns geht, jederzeit wieder, und wir würden uns freuen, wenn sich die Wandertour de Bier genauso etablieren würde, wie die normale Tour de Bier. Und mit zunehmender Erfahrung wird Klaus Kling sicherlich auch in der Lage sein, neben einer „Autobahnkarte“ auch richtige Wanderkarten zu besorgen, so dass das Maß an Ungewissheit, ob wir unsere Ziele auch erreichen werden, auf ein erträgliches Niveau gesenkt werden kann.
Bleibt nur zu hoffen, dass wir dann auch in Zukunft ein solch perfektes Wanderwetter haben werden!
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