„Du bist in Athen? Dann darfst Du auf keinen Fall The Local Pub in Chalandri verpassen – das ist zwar ein bisschen außerhalb vom Zentrum, aber mit der Metro noch ganz gut zu erreichen. Unbedingt!“ So oder ähnlich prasselten die guten Tipps auf mich herein, kaum, dass die Netzgemeinde es registriert hatte, dass ich in Athen angekommen war.
Fünf Tage später ändert sich der Inhalt ein bisschen. „Warst Du etwa immer noch nicht da? Das geht ja sowas von überhaupt nicht. Auf geht’s!“
Dass ich beruflich hier bin und gar nicht viel Zeit für lange Exkursionen habe? Schon froh sein muss, dass ich nach langen Konferenzen und Gesprächen zu Lasten meines Schlafbedürfnisses wenigstens innerhalb der Altstadt schon ein paar Bierziele besuchen konnte? Scheint alles keine große Rolle zu spielen.
Glücklicherweise ist es mittlerweile aber Freitag, und ich habe mir frei genommen, um ein wenig mehr von der Stadt zu sehen. Und so bringt mich die Metro in eine der Satellitensiedlungen, die sich rund um Athen ziehen: Chalandri. Ist es noch Athen, wie die Stadtplaner behaupten, die diese Siedlung natürlich eingegliedert haben? Oder ist es schon außerhalb, wie die Einheimischen sagen, denen all die Möchtegern-Athener da draußen vor den Toren der alten Stadtmauern suspekt sind?
Ein kurzer Fußweg ist es noch, vielleicht fünfzehn Minuten, und dann erreiche ich die kleine, gemütliche Fußgängerzone in Chalandri, und mitten drin in einem kleinen Hof sehe ich schon The Local Pub. Auf dem Pflaster vor dem Eingang stehen Tischchen, Stühle, Bierfässer, Barhocker, und wer die Abendsonne noch genießen möchte, sitzt mit dem Bier in der Hand hier vor der Tür.
Drinnen im Pub ist es angenehm kühl, das Licht ist heruntergedimmt, und es dauert einen Moment, bis ich mich an die Dunkelheit gewöhnt habe und mich orientieren kann. Viel dunkles Holz, große Spiegel, Bierwerbung auf Emailleschildern überall. Klassische Pub-Atmosphäre, unterstrichen durch eine lange Reihe von Zapfhähnen mit beleuchteten Schildchen, die die verfügbaren Biere verkünden. Langsam gehe ich die Reihe ab und überlege, für welches Bier ich mich entscheiden soll. Mindestens ein Dutzend Zapfhähne sind es, vielleicht sogar mehr. Irgendwie fällt mir die Auswahl heute schwer. Einerseits suche ich nach etwas Geschmacksintensivem, etwas Kräftigem, weil ich gerne noch etwas Besonderes genießen möchte. Andererseits bin ich durstig, draußen ist es heiß, und da möchte es vielleicht doch eher etwas Frischeres, Leichteres sein?
Ach, fangen wir einfach mal mit einem nicht zu starken IPA an, das wird schon gut gehen, denke ich mir und bestelle ein Menace IPA von Satyr Brews. 5,2% Alkohol, das ist noch in Ordnung bei der Hitze, und als India Pale Ale verspricht es zumindest genügend Geschmack. Fotis, der Barmann, zapft mir ein Glas und schiebt mir das Bier rüber. Ich nehme einen großen Schluck und bin zufrieden.
Schnell ein Bild hochladen und die Netzgemeinde beruhigen: Ich bin endlich im The Local Pub. Zufrieden?
„Nein“, tönt es. „Wie kannst Du es wagen, dort mit einem Fremdbier zu beginnen? Weißt Du denn nicht, dass Fotis mittlerweile eine eigene Brauerei hat?“, heißt es vorwurfsvoll. Ich sehe von meinem Display auf und direkt in Fotis‘ Gesicht. „Wenn Du Dich sehr für Bier interessierst – Du weißt schon, dass wir mittlerweile eine eigene Brauerei haben?“, fragt er mich.
„Ja, seit etwa dreißig Sekunden“, antworte ich und schwenke mein schlaues Telefon. „Mein Netzwerk funktioniert und hat mich gerade informiert!“
Eine Minute später stehe ich in der Anastasiou Brewery / Ζυθοποιία Αναστασίου im Nachbarraum, gerade um die Ecke. Eigentlich gut von außen zu sehen, aber wenn man, so wie ich, direkt auf den Eingang der Bar zusteuert, dann sieht man sie nicht. Dazu hätte ich mich draußen hinsetzen müssen, in den improvisierten Biergarten, und mich einmal umsehen.
Es herrscht lebhaftes Treiben. Großreinemachen war angesagt, der Brauer und seine kleinen Helfer haben gespült, geschrubbt und gewienert und räumen gerade die letzten Spuren ihrer Arbeit auf. Das kleine Edelstahlsudwerk glänzt im Licht der tiefstehenden Sonne. Vor zwei Monaten sei die Brauerei erst in Betrieb gegangen, erfahre ich. Sie ist winzig, nur zweieinhalb Hektoliter entstehen bei jedem Sud, aber die Biere seien ja auch nur als Ergänzung des ohnehin schon großen Angebots im The Local Pub gedacht. Da sei die Größe schon okay.
Wir kommen ein bisschen ins Gespräch, und der Brauer erzählt mir, dass er unter anderem auch auf Kreta in der Cretan Brewery / Κρητική Ζυθοποιία gearbeitet und gelernt habe. „Ach, bei Ioannis Lionakis?“, frage ich. Große, erstaunte Augen: „Wie, den kennst Du?“ „Naja, vorletztes Jahr habe ich seine Brauerei besichtigt, da hatte er gerade das große Sudwerk in Betrieb genommen, die Galerie und der Ausschank waren aber noch nicht fertig“, erzähle ich, und wir stellen fest, dass wir uns seinerzeit nur knapp verpasst haben.
Einen Blick auf die Gär- und Lagertanks gönne ich mir noch, dann wird es aber Zeit, in das Pub zurückzugehen. Erstens möchte ich die Biere nun auch verkosten, und zweitens stehe ich in dieser winzigen Brauerei mitten im Weg. Schrubber, Schläuche, Eimer, alles muss um mich herumgetragen werden, egal, wo und wie ich mich hinstelle.
Zurück an der Theke frage ich Fotis nach den Bieren, nach seinen eigenen, also. Zwei könne er mir anbieten, beim dritten hätte er gerade Probleme mit der Zapfanlage, da sei technisch irgendetwas nicht in Ordnung. Na gut, dann also die ersten beiden. „Aber nacheinander, bitte“, lache ich.
Benannt sind die Biere nach Fotis‘ Familiennamen, Anastasiou. Ζυθοποιία Αναστασίου, Anastasiou Brewery, heißt die Brauerei.
Ich beginne mit dem ersten Bier, dem California Common Steam Lager mit 5,4%. Frisch, fruchtig, nicht übermäßig gehopft – das wäre das ideale Bier für den ersten großen Schluck direkt nach dem Hereinkommen gewesen. Ein Bier für den Durst, das trotzdem eine ordentlichen Eigengeschmack aufweist und nicht wie die Biere der Großbrauereien bizzelig-überspundet und nahezu geschmacklos daherkommt. Schön!
Das zweite Bier, ein American Pale Ale namens Asteroessa / Αστερόεσσα, ist sogar noch besser. Ebenfalls nicht sehr alkoholstark (5,3%), aber schön frisch, fruchtig, mit kräftigerem Hopfenaroma, schön ausbalanciert. Ein Weilchen sitze ich bei diesem Bier in der untergehenden Abendsonne vor dem Pub im Hof, lasse die Zeit verstreichen und genieße. Ein schöner, harmonischer Abschluss eines langen und abwechslungsreichen Tages. Chalandri, ein Stadtteil Athens, der keinen Touristenansturm kennt, und der doch mit einer hervorragenden Bierbar nebst eigener Brauerei aufwarten kann.
Jawoll, liebe Netzgemeinde, hier muss man in der Tat unbedingt herkommen, wenn man die Athener Bierszene erkunden will. Ohne dieses Pub wäre das Biererlebnis einfach nicht vollständig, und so hat sich die etwas längere Tour mit der Metro auch definitiv gelohnt!
Die Bierbar The Local Pub ist täglich ab 18:00 Uhr bis tief in die Nacht durchgehend geöffnet; montags ist Ruhetag. Die Anastasiou Brewery / Ζυθοποιία Αναστασίου befindet sich in einem Nebenraum, von außen aber gut einsehbar und beliefert das Pub mit regelmäßig wechselnden Biersorten. Zu erreichen sind Pub und Brauerei mit der Metrolinie M3, Haltestelle Agia Paraskevi, von dort aus sind es dann noch etwa 15 Minuten zu Fuß. Wenn man Glück hat, kommt auch gerade ein passender Stadtbus vorbei und fährt in die richtige Richtung.
The Local Pub & Anastasiou Brewery / Ζυθοποιία Αναστασίου
Chaimanta / Χαϊμαντά 25
Chalandri / Χαλάνδρι
152 34 Athen / Αθήνα
Griechenland
Be the first to comment