Am 23. Juni 2018 hat das Bierland Hamburg seine Pforten geschlossen. Nach dreizehn Jahren als Pionierin der Bierszene hat Esther Isaak de Schmidt-Bohländer nun aus wirtschaftlichen Gründen den kleinen und liebenswürdigen Bierladen zugemacht. Dreizehn Jahre Kampf für besseres Bier – ein Kampf, den sie erfolgreich geführt hat. Gutes und kreatives Bier ist mittlerweile allgegenwärtig – ob in der Gastronomie, im Lebensmitteleinzelhandel, an Tankstellen und Kiosken und mittlerweile auch bei den Discountern.
Aber genau dieser erfolgreiche Kampf hat nun ein Opfer gefordert: Das Bierland.
Discounter sind billiger, neue Bottleshops mit ordentlich Kapital im Rücken sind größer und liegen verkehrsgünstiger und zentraler, und der Bedarf an exotischen Biersorten kann mittlerweile an so vielen verschiedenen Stellen gedeckt werden, dass der Markt keinen Raum mehr für ein so liebenswertes, kleines inhabergeführtes Lädchen bietet.
Das Kapitel Bierland ist abgeschlossen. Es bleiben die Erinnerungen an schöne Verkostungen, an tolle Einkäufe, an stets gute und gut gelaunte, fachkundige Beratung und an große Biere und Biermomente.
Ein wehmütiger Blick zurück:
Bier erleben – das muss nicht immer nur ein großes oder berühmtes Bierfestival oder eine mehrtägige Bierreise sein. Manchmal sind es auch die kleinen Momente, die ein echtes Erlebnis darstellen, wie zum Beispiel der Einkauf in einem gut sortierten und mit Herz geführten Bierfachgeschäft. Momente, in denen man mit Gleichgesinnten nach leckeren Spezialitäten stöbern, ein wenig fachsimpeln und vielleicht sogar eine kleine Kostprobe nehmen kann.
Eines dieser Bierfachgeschäfte ist das Bierland in Hamburg. Hier in der Seumestraße, einer kleinen Nebenstraße der Wandsbeker Chaussee, hat Esther Isaak de Schmidt-Bohländer mit ihrem Mann Thomas in mehreren Kellerräumen eines Vorkriegs-Wohnhauses, die einmal einen Kolonialwarenladen beherbergt haben, ein Paradies für den Liebhaber handwerklich gebrauter Biere geschaffen.
Fernsehbiere wie Warsteiner, Krombacher oder Jever sucht man hier wohl vergebens – stattdessen findet man neben zahlreichen Bieren von regionalen Kleinbrauereien aus ganz Europa auch die eine oder andere Spezialität, die in Deutschland ausschließlich hier oder über persönliche Beziehungen zu bekommen ist.
Das TAP X Mein Cuvée Barrique der Schneider-Brauerei aus Kelheim ist beispielsweise solch ein Exot. Ein Bier, das monatelang in Barrique-Fässern gereift hat und dann in einer extrem geringen Menge auf Flaschen gezogen wurde – für den Export in die U.S.A. bestimmt. Wie es Esther Isaak gelungen ist, davon einige Flaschen abzuzweigen und ihren Stammkunden anzubieten? Das bleibt ihr großes Geheimnis – aber die Vermutung liegt nahe, dass sie sich aufgrund ihrer perfekten Fachkenntnisse gute persönliche Kontakte nach Kelheim geschaffen hat, die ihr dabei geholfen haben.
Neben seltenen deutschen Bieren sind natürlich auch jede Menge internationale Spezialitäten in den vielen Regalen des Bierlands zu finden, ob aus Großbritannien, Italien, Belgien oder den Vereinigten Staaten. Mehr noch: Wer, außer den Stammkunden des Bierlands, hat denn beispielsweise schon einmal von der chilenischen Kleinbrauerei Kross gehört? Ein echter Geheimtipp – stark gehopfte, herrlich aromatische Biere in attraktiven 0,75 Liter Flaschen. Biere, die nicht nur hervorragend schmecken, sondern zum Essen auf dem elegant eingedeckten Tisch auch noch einen besonderen Eindruck machen.
Es kommt vor, dass nicht nur ein Kunde, der zum ersten Mal das Bierland betritt, sondern auch ein Stammgast mit großen Augen und gelegentlich etwas unentschlossen vor der beeindruckenden Auswahl an Spezialitäten aus aller Welt steht. Aber bevor sich das zu Hilfslosigkeit ausweiten kann, steht Esther schon mit Rat zur Seite. Mit ein paar gezielten Fragen nach den persönlichen Vorlieben verschafft sie sich ein Bild der Wünsche ihres Kunden, und dann läuft sie zu Hochform auf. Ein gezielter Griff ins Regal, eine seltene Flasche, und dann, unweigerlich, eine Geschichte dazu: Was für ein Bier ist es? Woher kommt es? Was ist das Besondere an ihm und an der Brauerei, in der es entstanden ist? Warum gerade dieses Bier, und warum gerade für diesen Kunden? Zu jedem Bier weiß Esther etwas zu erzählen, kennt die Hintergründe, und es ist selbstverständlich, dass sie auch alle Kostbarkeiten, die in ihren Regalen stehen, selbst verkostet hat.
„Hier habe ich etwas ganz Besonderes! Der Brauer kann was – das ist einfach nur toll!“, ist einer von Esthers typischen Sätzen, den wohl jeder der Stammkunden schon einmal gehört hat, und schon drückt sie mir am 30. März 2013 mit diesen Worten eine Flasche in die Hand. „Ein herrliches Bier – achte mal darauf, wie sich Hopfenaromen und Malzkörper harmonisch zusammenfügen!“ fügt sie noch hinzu.
Und tatsächlich: Tage später, zuhause, gemütlich am Abend, wenn die Flasche geöffnet wird und das Bier leicht opalisierend im gegen die Lampe gehaltenen Probierglas funkelt, mit einer dünnen Schicht cremigen Schaums, sanft steigen mir Hopfen-, Kräuter- und sogar Tannennadelaromen in die Nase, und dann der erste Schluck – eine wahre Geschmacksexplosion. Und der Gedanke: „Ja, Esther, Du hattest recht! Das ist wirklich etwas Besonderes, wie speziell für mich gebraut…“
Aber Esther verkauft ihre Biere nicht nur – sie organisiert im Bierland auf Wunsch auch Verkostungsabende und bietet dabei eine ganz andere Bierprobe, als man dies üblicherweise im Rahmen einer Brauereibesichtigung gewohnt ist. Und sie engagiert sich mit heißem Herzen dafür, Frauen für Bier zu begeistern und das überkommene Vorurteil zu überwinden, dass herbes, kräftig gehopftes Bier nur etwas für Männer ist. Gemeinsam mit gleichgesinnten Brauerinnen und Bierexpertinnen ist sie dazu im deutschen Chapter der Barley‘s Angels aktiv und hat unter anderem während der BrauKunst Live! Messe in München am 9. und 10. März 2013 an einem gemeinsamen Stand die Kombination „Frauen und Bier“ beworben.
Das Bierland in der Seumestraße ist dienstags bis freitags von 10:00 bis 20:00 Uhr geöffnet; sonnabends von 10:00 bis 18:00 Uhr. Montags ist Ruhetag, oder um es mit Esthers Worten zu sagen: „Montags trinken wir selber!“ Zu erreichen ist das Bierland am besten mit der U-Bahn oder S-Bahn (Station Wandsbeker Chaussee); wenn man viel Bier einkaufen will, dann besser mit dem Auto – aber es ist schwierig, einen Parkplatz zu finden.
Nachtrag 8. August 2015: Man sollte meinen, dass es für mich langsam schwierig werden sollte, selbst in einem so gut sortierten Bierfachgeschäft wie dem Bierland noch in größerem Maßstab fündig zu werden. Und dennoch – kaum war eine halbe Stunde vergangen, hatte ich einen riesigen Pappkarton mit Bier gefüllt. Jede Menge gute Tipps, Geschichten und natürlich den vielsagenden Abschiedsgruß Bis bald! inklusive. Die Bilder hier und hier legen Zeugnis ab…
Bierland Getränke
Seumestrasse 10
22 089 Hamburg
Hamburg
Deutschland
Eilbek ist um eine Attraktion ärmer! Ich werde das Bierland sehr vermissen!