Sonntag früh um kurz vor zehn. Ein herrlicher Wintertag. Fast schon frühlingshaft zärtlich streicheln die Sonnenstrahlen über das Gesicht. Ein kurzer Spaziergang über den Marienplatz, auf dem sich die ersten Touristen zeigen, führt uns zum Viktualienmarkt, und dort am Rand, am Stirnende der Schrannenhalle, finden wir das Wirtshaus Der Pschorr.
Alt und neu trifft hier aufeinander. Das Gebäude ist schon anderthalb Jahrhunderte alt, aber das Wirtshaus selbst gibt es erst seit ein paar Jahren.
Der Biergarten liegt noch verwaist da; die Tische und Stühle sind zwar eingedeckt, aber noch taufeucht. Die Sonne muss noch ein wenig höher steigen, aber dann werden sich die Gäste hier mitten im Februar draußen tummeln.
Wir lenken unsere Schritte in den großen Schankraum, der mit Treppen und Holzgeländern so aufgeteilt ist, dass er nicht groß und kahl wirkt, sondern kleinteilig und urig. Ein paar Tische stehen auf einem erhöhten Podest, und auch im oberen Stockwerk kann man sitzen und von der Galerie das bunte Treiben unten beobachten.
Noch kann von buntem Treiben aber noch keine Rede sein. Es ist erst wenige Minuten nach zehn, und Der Pschorr hat gerade erst geöffnet. Erst zwei Tische sind besetzt. Ein Kellner schießt pfeilgerade auf uns zu und errät, was wir vorhaben: „Zwei Personen? Zum Weißwurstfrühstück, oder?“ Er empfiehlt uns einen schön gelegenen Tisch, von dem aus wir den ganzen Schankraum im Blick haben.
Der Pschorr ist bekannt dafür, dass das Helle von Hacker Pschorr hier aus Holzfässern gezapft wird. Im Untergeschoss im Holzfasskeller, einem urigen Bierkeller, kann man durch eine Glaswand sehen, wie die Holzfässer gelagert werden. Liegend, auf Holzgestellen, und darüber werden große Natureisblöcke gelegt, die das Bier kühlen und mit dem abtropfenden Schmelzwasser das Holz der Fässer feucht halten und so helfen, die Fässer durch das quellende Holz dicht zu halten. Eiskalt kommt das Bier also aus den Fässern, und eiskalt sind auch die Gläser in die gezapft wird. In Kombination mit dem recht geringen Kohlensäuregehalt (denn es wird ohne Druck gezapft) soll das Bier dann besonders gut schmecken. Und damit es auch immer frisch ist, nimmt man sich im Wirtshaus vor, jedes angestochene Fass innerhalb kürzester Zeit, höchstens einer Stunde, auch auszuwechseln – ob es nun schon leer ist oder nicht.
So weit jedenfalls die Theorie. In der Praxis sieht das heute früh noch anders aus: Um ein Fass anzuzapfen, dazu sind noch nicht genügend Gäste da. Für die Handvoll Weißwurstfrühstücker lohnt es sich einfach noch nicht. Zumal sie auch fast alle Weißbier trinken – die klassische Begleitung zur Weißwurst.
Also kein Helles aus dem Holzfass. Stattdessen die Sternweisse, ein bernsteinfarbenes und etwas kräftiger eingebrautes Weissbier mit 5,5%. Kräftig und aromatisch, mit leichten Fruchtaromen in der Nase und einem runden, malzigen Körper passt es ausgezeichnet zu den dicken Weißwürsten. Wir haben uns klassisch jeder gleich drei Stück der leckeren Weißwürste bestellt und sind etwas überrascht: Hier im Der Pschorr sind sie riesig groß. Eine echte Herausforderung, der wir uns aber gerne stellen. Die frische Brezel dazu, und der Einstieg in den Tag ist eigentlich perfekt.
Langsam füllt sich der große Schankraum, während wir noch fleißig an unseren Würsten kauen. Nicht mehr lang bis zum Mittagsläuten, dann wird die Weißwurst von den Tischen verschwinden und Platz machen für deftige bayerische Küche.
Wir blicken uns noch einmal um: Die Einrichtung ist stimmig, man merkt dem Lokal gar nicht an, dass es erst vor wenigen Jahren neu eröffnet hat. Wer also das klassische Münchner Biergasthaus sucht, der ist hier durchaus an der richtigen Stelle. Und so ist es denn auch kein Geheimnis: Der Stil und die Lage direkt am Viktualienmarkt locken natürlich auch die Touristen an. Für ein wirklich lokales Erlebnis mit Einheimischen wäre man hier fehl am Platz.
Und eines gilt es noch festzuhalten: Wer hier einkehrt, muss es mit seinem Gewissen vereinbaren können, dass der Wirt seinen Bierkeller auch bereitwillig einmal der AfD überlässt und das überhaupt nicht schlimm findet. Holzschnittartiges Politisieren, ausländerfeindliche Aussagen, überhöhtes Nationalbewusstsein und statt ausgewogener Diskussion nur großes Geschrei und dumpfe Parolen, die nicht an den Verstand sondern an primitive Instinkte appellieren? Das Ganze auch noch in einem Bierkeller in der Münchner Altstadt? Wem es da nicht kalt über den Rücken läuft, wer da nicht gefährliche Parallelen zu unserer unrühmlichen Vergangenheit ziehen kann, dem ist nicht zu helfen!
Der Pschorr ist täglich ab 10:00 Uhr durchgehend geöffnet, außer am 25. Dezember (da ist ganz zu) und an Heiligabend (da ist ab dem frühen Nachmittag zu). Kein Ruhetag. Zu erreichen ist das Wirtshaus ganz bequem in drei, vier Minuten vom Marienplatz aus, wo alle S-Bahnen der Stadt sich durch die Stammstrecke quälen und im (meistens verspäteten) Minutentakt fahren.
Der Pschorr
Viktualienmarkt 15
80 331 München
Bayern
Deutschland
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