Am Platzl – vermutlich eine der bekanntesten Adressen in München. Jeder Biertourist sucht hier nach dem Hofbräuhaus, und findet es meistens auch, wenn er oder sie nicht auf dem Weg dorthin schon in einem der zahlreichen Münchner Bierhäuser so versackt ist, dass es zu völligem Orientierungsverlust gekommen ist.
Am Platzl stehen aber noch mehr Wirtshäuser, und die bieten neben üblicherweise guter Bier- und Speisenqualität auch etwas, das im Hofbräuhaus nur schwer zu finden ist: Ruhe.
Während es im Hofbräuhaus schon seit dem frühen Sonntagmorgen heftig zugeht, öffnet beispielsweise das Ayinger am Platzl erst zwei Stunden später, gegen 11:00 Uhr, seine Pforten. Pünktlich wie die Uhrmacher stehen wir in strahlendem Sonnenschein vor dem kleinen Biergärtchen und müssen uns noch zwei Minuten gedulden. Sorgfältig malt die Kellnerin mit weißem Kreidestift das Tagesangebot auf die Tafel, und erst, als sie dies beendet und sich die Hände wieder sauber gewischt hat, öffnet sie die Tür und lässt uns ein.
Wir sind die ersten Gäste und haben freie Platzwahl. Wir suchen uns einen Tisch in der Nähe der Fenster mit schönem Blick auf den Biergarten. Obwohl: Auch der Blick in die Gaststube und in den hinteren Bereich ist im Ayinger am Platzl sehr hübsch. Die abgeteilten Sitzbereiche sind in einer rustikalen Eleganz eingerichtet, die durchaus etwas hermacht. Man könnte das Gefühl bekommen, in einer uralten oberbayerischen Schankwirtschaft zu sitzen, die erst unlängst ein wenig aufgefrischt worden ist.
Nichts könnte jedoch falscher sein: Gerade einmal dreißig Jahre zählt das Gebäude, es wurde 1986 bis 1988 neu errichtet. Es wirkt aber, als stünde es schon immer hier.
Die Geschichte des Ayinger am Platzl geht etwas weiter zurück als nur dreißig Jahre, denn es war bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, als die kleine Landbrauerei Aying vor den Toren Münchens den Mut hatte, die Kriegsruine zu übernehmen, herzurichten und ein Wirtshaus mit Brauereiausschank zu errichten. War das mutig? Oder war es den damaligen Bedingungen geschuldet, wo eigentlich jeder einen Neuanfang mit vollem Risiko wagen musste, um in den Jahren des Wiederaufbaus nach dem Krieg wieder Fuß zu fassen?
Mein Sinnieren über die Geschichte des Wirtshauses findet jäh ein Ende, als die Wirtin an unseren Tisch herantritt und mich fixiert. „Lassen Sie mich raten – zu dieser frühen Stunde ein Weißbier, ein Paar Weißwürste und eine Brez’n, oder?“
Ich nicke, während meine Frau sich beeilt, ein „…aber alkoholfrei, bitte!“ hinzuzufügen und mein Gegenüber sich als Münsteraner Preuße und damit aus Sicht der Wirtin als völliger Banause outet: Er ordert statt des Weißbiers ein Helles. „Des passt fei gar net…“, murmelt die gute Dame halblaut, zuckt mit den Schultern und geht resigniert zur Theke zurück. Was die Preiß’n heut in der Früh schon wieder für Sonderwünsche haben, denkt sie vermutlich.
Die Biere kommen blitzschnell und in der von der Ayinger Brauerei gewohnt guten Qualität. Das Weißbier schmeckt fruchtig, erfrischend und trotzdem recht voll; das Helle mild, weich und ausgewogen.
Augenblicke später kommen auch die Weißwürste. Dampfend, frisch, mit schönem, festem Fleisch, das sich hervorragend aus der Pelle schälen lässt. Dazu frische Brezeln und eine große Portion süßer Senf – das Münchner Traditionsfrühstück passt einfach immer wieder gut.
So langsam füllt sich das Wirtshaus nun auch. Nicht lange bleiben wir die einzigen Gäste. Und auch wenn der eine oder andere Tourist mit kräftigem Akzent oder gleich ganz in Englisch nachfragt, ob dies hier das berühmte Hofbräuhaus sei und dann mit einem breiten Grinsen wieder fortgeschickt wird – die meisten kommen dann doch bewusst und direkt hierher, wissen, was sie hier wollen und was sie hier erwartet: Klassische Münchner Brauhauskultur, deftige und schmackhafte regionale Küche und solide gebraute Biere.
Passt!
Das Wirtshaus Ayinger am Platzl ist täglich ab 11:00 Uhr durch gehend geöffnet; kein Ruhetag. Von der U- und S-Bahn-Station am Marienplatz aus sind es nur drei, vier Minuten zu Fuß; alternativ kann man mit der Straßenbahn (ach nein, hier in München heißt das ja Tram…) zum Nationaltheater fahren und ist dann noch ein bisschen näher dran, wenn auch aus einer anderen Richtung kommend.
Ayinger am Platzl
Am Platzl 1A
80 331 München
Bayern
Deutschland
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