Verkostung in der Craftbeer Lodge
Freiburg im Breisgau
DEU

Man kann Craftbeer-Lädchen anschreiben, eine Liste hinschicken, ein großes Paket abwarten und dann herrliche Biere genießen. Manche bieten auch direkt einen Online-Shop an.

Man kann auch in solch ein Lädchen reingehen, sich Taschen, Körbe, Rucksäcke und Kartons füllen, heimfahren und dann genießen.

Und man kann anfangen, im Lädchen vor Ort zu verkosten, mal hier, mal da, immer noch eins und noch eins, und ehe man sich versieht, ist es spät in der Nacht. Das sind dann eigentlich die schönsten Biereinkäufe und -verkostungen.

die Craftbeer Lodge

So halb zufällig, halb geplant ist uns das in der Craftbeer Lodge in Freiburg gelungen. „Wir treffen uns mal, und dann sehen wir, wo wir in Freiburg zusammen ein Bier trinken“, hatte Andrea, der die Craftbeer Lodge gehört, signalisiert. „Emma kommt übrigens auch!“ Emma, das ist die Brauerin hinter dem Bierlabel Emma – Biere ohne Bart. Eigentlich heißt sie Almut, aber ihr zweiter Vorname hat sich mit ihrem Bierprojekt verselbständigt.

Zu fünft – Lucas, der im Laden arbeitet, ist auch noch dabei – stehen wir vor der kleinen Theke in der Craftbeer Lodge und beratschlagen, was die Freiburger Bierszene uns denn heute bieten könnte.

„Ach, kommt, wir trinken jetzt erstmal eine wunderbare Gueuze“, schlägt Andrea vor, „das lockert die Gedanken, und dann sehen wir weiter!“ Sie greift in den Kühlschrank und öffnet eine große Flasche Oude Mûre Tilquin À l’ancienne aus der Gueuzerie Tilquin in Belgien. Über 300 g Brombeeren werden in diesem Bier pro Liter verarbeitet, monatelang reift das saure Bier mit den Früchten im Fass, wird anschließend sorgfältig geblendet und auf Flaschen gezogen. Das Ergebnis ist ein weiches, samtig-fruchtiges Sauerbier mit rund sechs Prozent Alkohol. Nicht nur edel in der Präsentation der großen Flasche, sondern auch edel und ausgewogen in seiner Aromatik.

Oude Mûre Tilquin À l’ancienne

Begeistert genießen wir das orange bis rötlich im Glas schimmernde Bier und diskutieren über die belgische Bierkultur, über Sauerbiere im Allgemeinen und über Lambiks und Gueuze im Speziellen.

Meine holde Ehefrau, die Sauerbieren nicht so viel abgewinnen kann und der es eigentlich für das erste Bier noch ein bisschen zu früh ist, begeistert sich derweil für ein Bamberger Heinzlein. Erst vor kurzer Zeit ist dieses Leichtbier auf den Markt gebracht worden, eigentlich etwas für den fränkischen Markt völlig Ungewöhnliches. Zwar beruft sich die Schlenkerla-Brauerei auf alte Traditionen und ein angeblich lange vergessenes Brauverfahren, aber ein ausdrucksstarkes und geschmacklich durchaus kräftiges Bier mit gerade mal 0,9% Alkohol hat es gleichwohl auf dem Markt bis vor wenigen Monaten nicht gegeben. Das Bier ist erstaunlich aromatisch und rund, und wir sinnieren, ob der Unterschied zwischen einem als alkoholfrei eingestuften Bier mit <0,5% Alkohol und diesen 0,9% wirklich auch ursächlich für diesen Geschmacksunterschied ist.

Emma Heimspiel, eines der Biere ohne Bart

Lange halten wir uns mit dem alkoholarmen Bier aber nicht auf, denn als nächstes ist ein Heimspiel angesagt. So nennt sich nämlich das German Pale Ale, das nun vor uns steht. Es ist Ehrensache, dass wir, wenn sie schon mit uns genießt, auch ein Bier aus Almuts Produktion verkosten, von ihrem Label Emma – Biere ohne Bart. In die Würzepfanne dieses Biers sind ausschließlich deutsche Hopfensorten gekommen, was den Namen Heimspiel erklärt. Feine, dezent fruchtige Noten prägen das Aroma, eine runde, spürbare, aber nicht zu dominante Bittere ergänzt das angenehme Mundgefühl dieses Biers. Sehr schön durchtrinkbar, und fast schon bedaure ich, dass die Flasche nur 0,33 l enthält. Das ist dann pro Person bei unserer Verkostung recht wenig …

„So langsam müssten wir uns überlegen, was wir in Freiburg noch so alles machen wollen“, denke ich mir im Stillen, aber Andrea holt mit großer Begeisterung eine Flasche Fraoch aus dem Kühlschrank. Der Gedanke, noch durch die Stadt zu touren, ist schon lange vergessen. Stattdessen wird fleißig verkostet und zu jedem Bier eine tolle Geschichte erzählt.

Zum Fraoch weiß Andrea zum Beispiel zu berichten, dass es aus Schottland stammt, aus Alloa, und dort in der Williams Bros Brauerei hergestellt wird. Heidekraut und Gagel werden mitverbraut und ergänzen die dezente Hopfung dieses 5,0%igen Biers mit kräuterigen Noten. Ein sehr spannendes und trotz seiner Exotik sehr schön trinkbares Bier. Seit 1988 wird wieder nach diesem Rezept gebraut und eine angeblich mehr als 4000 Jahre alte schottische Historie damit wiederbelebt.

Fraoch aus Schottland mit Heidekraut und Gagel

„Ach, von dieser Brauerei gibt es noch so viel mehr wunderbare Biere“, schwärmt Andrea und greift nach einer Flasche Double Joker. Ein India Pale Ale ist es, das sich aber trotz, dass es in Schottland gebraut wird, in seiner Interpretation dieses Stils weit vom britischen Original entfernt. Statt harziger und kräuteriger Hopfennoten und nur einer zurückhaltenden Stärke trumpft es stattdessen mit 8,3% Alkohol und mit fruchtig-aggressiver Hopfung auf. Double Dry Hopped, also zwei Mal hopfengestopft – darauf weist schon der Name Double Joker hin, und so sind die Fruchtaromen und Bitternoten von den Mosaic und Galaxy Hopfengaben sehr, sehr ausgeprägt. Ein ganz schön heftiges Bier.

Beinahe wäre jetzt noch einmal der Gedanke an eine Runde durch die Freiburger Altstadt aufgekommen, aber schlagartig verschwindet er wieder, als Andrea mit drei verschiedenen Bockbieren der Brauerei Faust an den Tisch tritt. „Ich habe hier den aktuellen dunklen Doppelbock von denen, und dann habe ich noch die Jahrgangsböcke 2018 und 2017, die können wir parallel verkosten“, schlägt sie vor.

Vorbereitung der Parallelverkostung dreier Böcke

Eine ganze Batterie Gläser ist schnell aufgebaut, und schon machen wir uns an den strukturierten Genuss. Der „normale“ dunkle Doppelbock ist schön malzig, weist aber auch eine gewisse Herbe auf, die ihn etwas kantig wirken lässt. Ein Bier mit ausgeprägtem Charakter. 7,5% Alkohol.

Deutlich runder und ausgewogener die beiden ebenfalls 7,5% starken Jahrgangsböcke. Weicher, milder, voller, weniger herb. Aber wir schmecken auch hier einen Unterschied: Der drei Jahre alte Bock ist noch ein bisschen weicher und runder als der zweijährige, und er hat ein schon spürbares Honigaroma, das sehr angenehm zu seiner Komplexität beiträgt. Sehr schön, zu sehen, wie sich das Bier über die Zeit weiter entwickelt.

drei Böcke der Brauerei Faust aus Miltenberg

„Vielleicht haben wir mit diesem Bier auch Glück, dass es schön gereift ist“, sagt Andrea und stellt uns, quasi zum Abschluss unserer Verkostung, einen Flasche Sidama Brown Coffee Porter der spanischen Brauerei Althaia Artesana auf den Tisch. Zwei Jahre alt ist es und hat 5,8%. Aber wir stellen rasch fest: Das Bier ist zwar noch gut trinkbar, die Kaffeearomen sind auch noch deutlich identifizierbar, aber es hat schon eine leicht ranzige Note entwickelt. Nur schwach, aber doch spürbar. Nein, dieses Bier eignet sich nicht für eine längere Lagerung. Kein Vorwurf an die Brauerei, denn das MHD ist schon lang abgelaufen, und auch kein Vorwurf an Andrea, denn wer nicht mit der Langzeitlagerung experimentiert, der wird zwar einerseits nicht enttäuscht werden, andererseits aber auch viele wunderbare Reifungsprozesse verpassen.

Klar ist aber: So können wir eine Verkostung nicht beschließen. Da muss schon noch ein weiteres Bier kommen, um diese kleine Scharte auszuwetzen. Die Wahl fällt auf das Orange Velvet von Lervig. Ein Double Dry Hopped Lactose IPA mit 5,5%. Andrea schenkt ein, wir nehmen den ersten Schluck, und unsere kleine Gruppe zerfällt in zwei Lager. Mir behagt dieses Bier überhaupt nicht. Die Süße des Milchzuckers, das ebenso süße und fruchtige Aroma und die Bittere am Gaumen und nach dem Schluck harmonieren für mich gar nicht – das ist aus meiner Sicht kein schönes Bier. Lucas ist vorher schon ausgestiegen – Lactose kommt für ihn wegen Unverträglichkeit gar nicht in Frage.

ein Double Dry Hopped Lactose India Pale Ale von Lervig

Die Damen am Tisch sehen es aber anders: Fruchtigkeit, Süße und die leicht klebrige Lactose scheinen ihnen zu munden und die Bittere so weit auszubalancieren, dass ihnen das Bier gut gefällt. Beeindruckend, wie stark die individuellen Vorlieben bei ein und demselben Bier doch deutlich werden!

Mittlerweile ist es spät geworden. Draußen ist es schon lange dunkel, und ab und an haben Spaziergänger mit ihrem Wegbier in der Hand uns durch die Schaufensterscheibe zugeprostet. Wir sitzen aber auch wie auf einer hell erleuchteten Bühne, als hätten wir die Verkostung für die Nachtschwärmer als Theaterstück inszeniert.

Almut, Karin, Volker, Andrea, Lucas

Ein paar neue Bier-Impressionen. Viele Stunden spannende Unterhaltung mit Andrea, „Emma“ und Lucas. Ein bisschen Käse, ein paar Kräcker, ein paar Oliven. Ein rundum gelungener Abend. Zwar haben wir nichts von Freiburg gesehen, und die Erkundung der Bierszene der Stadt beschränkte sich auf 20 m², aber es war trotzdem ausnehmend schön.

Die Craftbeer Lodge bietet nach Absprache solche Bierverkostungen kommerziell an, sei es vor Ort in der Lodge oder aber virtuell über das Internet als Cybertasting. Heute war es zwar eine private Degustation im Freundeskreis, aber auch die kommerziellen Veranstaltungen sind nicht minder spannend und unterhaltsam.

Bilder

Verkostung in der Craftbeer Lodge
Oberlinden 10
79 098 Freiburg im Breisgau
Baden-Württemberg
Deutschland

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