Schlag elf Uhr stehen wir vor dem Eingang der 1516 The Brewing Company. Ruhig ist es. Noch … Wir drücken die Tür zum Schankraum auf, wir sind die ersten Gäste. Fast auf den Tag genau acht Jahre ist es her, dass wie hier das letzte Mal eingekehrt waren, ein Besuch mit sehr gemischten Gefühlen. Tolle Biere, ja, aber auch hohe Preise, eine etwas angespannte Atmosphäre unter den Gästen und ein wenig hilflose Bedienungen.
1516 The Brewing Company
Und heute? Heute soll es anders werden. Nicht in allem, gewiss, denn dass die Biere unverändert toll sein sollten, versteht sich von selbst. Aber eine weniger gereizte Atmosphäre wäre schon nicht schlecht, und Bedienungen, die nicht nur hübsch aussehen, sondern auch ihr Handwerk verstehen, wären auch nicht zu verachten.
Wir gehen die steile Holztreppe hoch, an den psychedelisch bunten Wandmalereien vorbei, und setzen uns in den oberen Schankraum. Fast gleichzeitig erscheint Andreas Hartl, einer der beiden hier beschäftigten Brauer, ein alter Bekannter von unserer letzten Wienreise – damals arbeitete er noch bei der Stadtbrauerei Schwarzenberg, nur zweihundert Meter weiter. Mittlerweile also hier, und er erzählt uns ein wenig von seiner Arbeit.
psychedelisch bunte Wandmalereien
Zehn Hektoliter pro Sud entstünden hier, auf einem Sudwerk der Firma automationstechnik gmbh austria. Fast täglich müsse er hier mit seinem Kollegen brauen, insbesondere das Helle Lager würde in solchen Mengen getrunken, dass sie mit der Produktion fast nicht hinterher kämen. Er nimmt uns mit ins Erdgeschoss, zeigt uns das Sudwerk und erzählt davon, wie er immer mal wieder neue Rezepte ausprobiert, insbesondere mit neuen, spannenden Hopfensorten, oft auch auf Anregung durch Hobbybrauer, die hier vorbeikämen, ihre selbstgebrauten Biere mitbrächten und mit ihm fachsimpeln würden. Aber auch die Hefe, die er von der Hefebank in Weihenstephan bekäme, würde ihm besonders am Herzen liegen.
Andreas Hartl bei der Arbeit
Er nimmt uns außen um das Gebäude herum mit, und durch ein mondänes Treppenhaus erreichen wir den kleinen und verwinkelten Gär- und Lagerkeller. Insgesamt sechzehn Tanks stehen hier, dazu für das Helle Lager und das Weißbier noch ein paar Ausschanktanks. Jeder Quadratmeter dieses eigentlich viel zu kleinen Kellers ist ausgenutzt – mehr geht nicht.
Wir quetschen uns an den Tanks vorbei, werfen einen Blick in die große Kühltruhe mit den Hopfenvorräten und in die Kammer mit den Malzsäcken. Eine große Auswahl, insbesondere auch viel Rohfrucht – Weizen- und Haferflocken, beispielsweise. Ich muss grinsen. Der Name 1516 The Brewing Company spielt auf das Jahr an, in dem das sogenannte bayerische Reinheitsgebot erlassen worden ist, nach dessen moderner Interpretation viele der hier gelagerten Zutaten gar nicht zulässig wären. Ein seltsamer Widerspruch. Aber der Name der Brauerei hat sich etabliert, hat einen guten Ruf. Und in Österreich gilt das Reinheitsgebot sowieso nicht, hier richtet man sich stattdessen nach dem Lebensmittelkodex.
im Gärkeller
Wir haben genug gesehen, haben Andy lange genug von der Arbeit abgehalten. Es geht zurück in den Oberen Schankraum – jetzt wird verkostet. Den Auftakt macht das J’AM’s NZ Double Trouble [whole leaf], ein Imperial India Pale Ale, mit leckeren Fruchtnoten und einem gewaltigen Körper. Ein Hammer zum Auftakt. Das Slipper Pale Ale kann qualitativ zum Glück mithalten, wenn es auch deutlich weniger muskulös auftritt. Eine schöne Hopfennase, saubere Bittere, gut trinkbar. Das Rogg Bock mit kräftigem Raucharoma und einer kontrastierenden Karamellsüße provoziert ein wenig. Gebraut ist es mit Roggen und Hafer. Spannend! Das Bavarian Dunkles (100 % Dark Malt) V2 vermag mich nicht so sehr zu überzeugen – zu dominant sind die Melanoidinnoten des Dunkelmalzes, bilden kein harmonisches Ganzes, sondern wirken eher ein wenig penetrant. Das Victory Hop Devil IPA macht diesen Eindruck aber mit Leichtigkeit wieder wett. Knackig hopfig, kerniger und weniger fruchtig als das Double Trouble schmeckt es ganz hervorragend. Zum Abschluss kommt das 1516 Lager, aber das hätten wir besser sein gelassen. Unangenehm grün und unausgegoren schmeckt es – hätte gut und gerne noch zwei Wochen im Lagertank reifen dürfen. Aber wie Andy uns erzählt hatte: Als Brot- und Butterbier der Brauerei läuft es so schnell, dass für ein langes Lagern gar keine Zeit bleibt. Schade …
Verkostung
Trotzdem, insgesamt ein guter Eindruck.
Und auch die beiden jungen Damen, die uns heute bedienen, verstehen ihr Geschäft. Blitzschnell, aufmerksam, professionell – das war gut. Das Essen war auch prima. Kleinigkeiten haben wir zwar nur genommen, das Hotelfrühstück war noch nicht lange her, aber sie waren lecker. Ärgerlich lediglich, dass man mit dem Brot zur Suppe geizt. Anstelle, wie wir es von der Gastronomie daheim gewohnt sind, einen Brotkorb hinzustellen, bekommen wir zwei winzige Scheibchen abgezählt, und beim Nachbestellen erneut zwei winzige Scheibchen. Peinlich, wenn eine Gastronomie am Brot geizen muss. Zumal angesichts des nur zur Mittagszeit fairen, sonst eher happigen Preisniveaus.
1516 The Brewing Company ist täglich ab 10:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Von der Straßenbahnhaltestelle Schwarzenbergplatz sind es nur drei, vier Minuten zu Fuß.
1516 The Brewing Company
Schwarzenbergstraße 2
1010 Wien
Österreich
Der Vollständigkeit halber hier noch mein Bericht von meinem ersten Besuch am 29. Februar 2008:
Die 1516 The Brewing Company in Wien genießt unter Bierfreunden einen außerordentlich guten Ruf – gibt es hier doch immer wieder neue Biere zu verkosten, die meisten sehr charakterstark eingebraut, und mittlerweile auch in 0,1-l-Probiergläsern zu einem gerade noch angemessenen Preis zu bekommen.
Die edelsten Hopfensorten werden hier in verschwenderischer Menge dem Bier zugesetzt, in den wechselnden Bieren mit dem Passus „Hop Devil“ im Namen sicherlich am bittersten, hervorragend aromatisch seinerzeit aber auch im Yankee Sticke.
im Obergeschoss war heute nicht viel los
Die Bedienungen sind durchweg jung, wechseln häufig, gelegentlich sind sie unerfahren, aber doch immer freundlich und bemüht. Eine wirklich nette Gasthausbrauerei, der es zuzurechnen ist, dass sie die Bierszene in Wien und Österreich schon zu bewegen und prägen begonnen hat, als es in den meisten anderen Bierlokalen neben österreichischem Märzen kaum etwas Anderes gab.
Die nette, noch junge und unerfahrene Bedienung, die wir am 29. Februar 2008 hier trafen, tat sich ein wenig schwer mit der Sprache, aber ihr Charme und der süße italienische Akzent ihres amerikanischen Englisch glichen das problemlos aus; das Bier schmeckte ausgezeichnet, und so gab es das Endergebnis und Siegerehrung: Ein kurzer und heftiger, aber bierqualitativ ausgezeichneter Brauereibesuch!
ein bierqualitativ ausgezeichneter Brauereibesuch
Und doch, es bleibt ein gewisser Nachgeschmack. Zum Einen ist der in Österreich um diese Gasthausbrauerei tobende Hype nicht wirklich nachvollziehbar – die 1516 The Brewing Company ist zwar gut, aber definitiv nicht die einzige österreichische Gasthausbrauerei dieser Qualität. Und zum Anderen bemüht man sich überaus verkrampft um internationale Erscheinung. Speisekarte, Beschriftungen, Werbung, ja selbst die Homepage – alles ist ausschließlich auf Englisch. Und auch, dass die Bedienung kaum deutsch spricht (angeblich sogar kein deutsch sprechen soll), gehört zu diesem eigenartigen Gebaren. Ich finde es zwar ganz nett (und ausländischen Touristen gegenüber sogar ausgesprochen fair!), dass hier allenthalben englisch gesprochen wird, aber diese einseitige Ausrichtung am Englischen, wie sie praktiziert wird, albern. In dieser Ausschließlichkeit empfinde ich das mitten in Wien nicht weltoffen oder weltmännisch, sondern einfach nur lächerlich.
Hinterlasse jetzt einen Kommentar