Reklame?*
Caulier Sugar Free. Was sich auf den ersten Moment wie eine Bezeichnung für einen zahnfreundlichen Kaugummi anhört, ist seit 2008 eine Marke, die Biere mit extrem geringem Restzuckergehalt braut (oder brauen lässt) und vermarktet.
Brasserie 28
Vor weit über zwanzig Jahren gab es in Deutschland schon mal Versuche, sogenannte Diätbiere auf den Markt zu bringen. Ich erinnere mich an ein Diät Pils von Feldschlösschen in Dresden (das sich damals, 1995, vor der Rechtschreibreform noch Feldschlößchen schrieb und wohl bis heute an dieser Schreibweise festhält), an ein Diät-Pils von Henninger 1995, ein Edelhopfen Diät-Pilsener von Maisel aus Bayreuth, ein Diät-Pils von Holsten oder eines von Paulaner aus München (alle 1996). 1997 kam Spaten-Franziskaner mit einem Diät-Pils hinzu, das Leipziger Brauhaus zu Reudnitz braute ein Reudnitzer Diät-Bier, Sternquell aus Plauen wiederum ein Diät-Pils, in den Jahren danach folgten Köstritzer, das Freiberger Brauhaus, Dinkelacker-Schwabenbräu, Einbecker und die Dortmunder Actien-Brauerei, aber dann verebbte der Boom dieser meistens etwas alkoholschwächeren (rund 4,0%), sehr herben, knochentrockenen und oft hochgespundeten Biere. Ein letztes Mal habe ich ein Diät-Bier im Jahr 2008 getrunken, das Münchner Diät-Bier von Paulaner (4,3%).
Der Trend hatte sich totgelaufen.
Warum? Sind wir doch mal ehrlich: Diät-Bier. Das klingt viel zu sehr nach Verzicht, nach fehlendem Genuss, nach Mangel an Lebensfreude, und oft wurde es auch mit alkoholfreiem Bier verwechselt und führte dazu, das Autofahrer sich nach fünf, sechs Halben Diätbier mit vermeintlich ruhigem Gewissen hinter’s Steuer setzten und schon beim Ausparken in Schwierigkeiten kamen. Das konnte ja nichts werden.
Die Brauereien waren aber ihrer Zeit einfach nur voraus und haben darüber hinaus ein schlechtes Marketing betrieben. Um wie viel besser als Diät-Bier klingt mittlerweile der Begriff Sugar Free. Oder, noch besser: Low Carb. Und so ist heute, im Jahr 2020, der Hinweis auf ein knochentrocken vergorenes Bier nahezu ohne Restzucker ein gutes Verkaufsargument. Noch besser wäre es, dürften die Brauer mit dem Gesundheitsaspekt des Zuckerverzichts werben, aber das ist bei alkoholischen Getränken aus gutem Grund verboten.
da steht er vor mir, der Karton
So, genug der herummäandrierenden Einleitung. Es ist der 7. November 2020. Vor mir steht ein großer Karton. Der Absender ist die Brasserie 28 aus Wien, und im Karton finde ich sechs verschiedene Biere der Marke Caulier Sugar Free, jeweils mit einer großen 28 mitten auf dem Etikett. Diese Zahl verweist auf die lange Historie der belgischen Brauerei Caulier, weil irgendwann vor vielen, vielen Jahren deren Standard-Bier mit 28 kg Malz pro Hektoliter gebraut worden ist. Heute wird das Bier über Österreich vermarktet, und man betreibt auch eine enge Kollaboration mit der italienischen Brauerei Toccalmatto, aber die Zahl 28 spielt immer noch eine Rolle: „To brew low carb craft beers locally and sell them within 28 weeks of bottling in 28 gastro pubs and deliver cases within a 28 minute radius, so our guests can enjoy fresh craft beer at peak flavour.“
Ich möge die Biere doch mal probieren und vielleicht auch etwas dazu schreiben, heißt es in einer begleitenden eMail.
11 x Caulier Sugar Free, sechs verschiedene Sorten
Warum nicht? Mit dem Thema zuckerfreier Biere habe ich mich noch nie so richtig bewusst auseinandergesetzt (die Diät-Biere damals waren immer mal so nebenbei in den Einkaufskorb gewandert). Dann verkoste ich doch mal die sechs Biere. Ab in den Kühlschrank damit, und los geht’s:
Bier Nummer 1: Das Saison ist deutlich trüb, weist nur eine sehr geringe Rezens auf und bildet beim Einschenken fast keinen Schaum. Der Geruch ist typisch für ein Saison-Bier, etwas phenolisch, kräftige, kantige Aromen, die von der Hefe stammen. Auf der Zunge überrascht dieses Bier dann: Es ist knochentrocken, kein Restzucker ist spürbar. Sonst mag ich dies eigentlich nicht, das Zusammenspiel von Malzsüße, Hopfenbittere und Hefearomen macht den Biergenuss erst komplett – zu den Saison-Aromen der Hefe passt diese Trockenheit aber. Im Schluck spüre ich nur kurz eine kräftige Bittere (auf der Flasche sind 35 IBU angegeben), und dann klingt der Nachhall rasch ab. Ein schönes Bier, das kernigen Charakter mit hoher Durchtrinkbarkeit kombiniert. Fein.
28 Saison
Überraschenderweise recht ähnlich das Pils. Ebenfalls deutlich trüb, mit zurückhaltender Rezens und relativ wenig Schaum. In der Nase ein Hauch Phenol, deutlich schwächer als beim Saison, aber doch intensiv genug, um beim ersten Schnuppern schon zu denken: Belgien! Für einen Moment zweifle ich an mir selbst. Bin ich voreingenommen? Ich reiche das Glas zu meiner holden Ehefrau. „Riech mal!“ – „Hm, riecht so ein bisschen wie die belgischen Biere, oder?“, lautet die Antwort, und ich fühle mich bestätigt. Auf der Zunge dann ebenfalls keine spürbare Restsüße, stattdessen leichte Hopfenaromen. Der Schluck ist trocken, kernig und kurz. Auch hier gilt: Eine überraschend hohe Durchtrinkbarkeit.
28 Pils
Die dritte Kostprobe: Das Brett. 7,5% Alkohol, mittelbraune Farbe, gleichmäßig trüb, relativ viel und lange haltbarer, eierschalenfarbener Schaum. In der Nase, wie es der Name des Biers bereits suggeriert, leicht ledrige Brettanomyces-Aromen. Der Antrunk ist wie bei den anderen Bieren auch sehr trocken, auch auf Zunge und Gaumen entwickelt sich da keine wie auch immer geartete süßliche Empfindung. Eine saubere Herbe blitzt im Abgang kurz und kräftig auf und verschwindet dann rasch. Aber es bleibt ein zwiespältiger Eindruck: Der Brettanomyces-Charakter harmoniert nicht so schön mit der Trockenheit dieses Bieres wie es bei den ersten beiden Bieren der Fall war.
28 Brett
Bier Nummer Vier. Der Name: Super. Vielleicht etwas einfallslos. Der Stil: Golden Strong Ale. Der Alkoholgehalt: Schneidige 9,5%. Die Farbe: Dunkelgelb, schon ganz leicht ins Orangene changierend. Gleichmäßig trüb. Der Schaum: Weiß, üppig, haltbar. Der Duft: Überreife Ananas und weitere tropische Früchte. Aber Ananas dominiert. Der Antrunk: Weich, kremig, ganz angenehm die Zunge belegend. Im Mund: Ebenfalls kremig, sehr fruchtig. Der Schluck: Ein wenig alkoholische Wärme, aber schön weich. Besonderheit: Auf dem Etikett ist ein Restzuckergehalt von weniger als 0,5 g angegeben, und trotzdem wirkt es im Mund süßlich. Faszinierend.
28 Super
Das fünfte Bier: White Oak IPA. Der Alkoholgehalt ist vielleicht nicht wirklich so hoch, wie man das von einem IPA erwartet, gerade mal 5,5%. Auch die Bitterwerte sind mit 20 IBU dezent. Im Glas ist das Bier sehr hellgelb, stark trüb und mit reichlichem, schneeweißem und recht lange haltbarem Schaum. In der Nase finden sich holzige Aromen, aber auch ein ganz dezenter Hauch von Liebstöckel. Der Antrunk ist leicht säuerlich, auf der Zunge etwas holzig-adstringierend und knochentrocken. Der Schluck bestätigt die holzigen Aromen nachdrücklich und bringt retronasal eine Ahnung von Süßholz. Ein sehr spannendes Bier, mit Gersten- und Weizenmalz gebraut.
28 White Oak IPA
Als ein wahrer Alkoholhammer erweist sich das sechste Bier, das Imperial Stout. Tiefschwarz steht es im Glas, gekrönt von bräunlichem Schaum, der vorübergehend so sahnig im Glas steht wie die dicke Kräusenschicht im Gärbottich. Der Geruch ist mild kakaoartig mit einer feinen Säure, der Antrunk röstig, etwas mokkaartig und trocken. Wie alle Biere dieser Reihe weist auch dieses Bier kaum eine spürbare Süße auf, die intensiven Aromen, die ein kräftiges Stout kennzeichnen, agieren daher ohne Hintergrund – es fehlt ein wenig an einem kräftigen Malzkörper, der die Rauigkeit der Röstaromen kompensieren kann. Und den Alkohol. Denn die immerhin 12,0% Alkohol machen das Bier ohne die Malzmatrix ein wenig spritig. Schmeckt nicht schlecht, aber es fehlt das gewisse und vor allem harmonische Etwas.
28 Imperial Stout
Also, vier ganz hervorragende Biere, die ich mir jederzeit kaufen würde, und zwei recht ordentliche, bei denen ich mir nicht sicher bin, ob andere die von mir beschriebene Unausgewogenheit des Brett oder die fehlende Harmonie des Imperial Stout genauso empfinden würden, oder ob nur ich da so überkritisch bin.
Ergänzend zu den Bierproben bekomme ich noch ein paar mehr Informationen: Unter der Marke Brasserie 28 werden auch glutenfreie Biere und Biobiere vertrieben, man hat derzeit auch aufgrund der Zusammenarbeit mit Toccalmatto großen Erfolg, und es läuft eine Crowdfunding-Kampagne. Klingt alles sehr interessant, und ich wundere mich, dass ich die Biere mit der großen 28 mitten auf dem Etikett bisher überhaupt noch nicht auf dem Schirm hatte.
Jetzt habe ich das aber.
Brasserie 28
Währinger Straße 2-4/1/48
1090 Wien
Österreich
* Reklame? Es gibt immer wieder Diskussionen, ob die Beschreibung von Artikeln, die ich kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen habe, Reklame ist. Im Zweifelsfall sollte ein Blogbeitrag daher entsprechend gekennzeichnet werden. Ich habe das Probierpaket von der Brasserie 28 gratis bekommen. Bei der Rezension der Biere habe ich versucht, mich davon nicht beeinflussen zu lassen.
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