3. Fränkische Kreativbierverkostung
Bamberg
DEU

„Frankens Kreativbrauer haben wieder ein cooles Paket geschnürt und stellen es euch am Freitag, den 20.11.2020 vor (…), um euch den Novemberblues zu versüßen.“

So stand es auf der Website der Deutschen Kreativbrauer e.V. in der Ankündigung einer von mittlerweile vielen virtuellen Bierverkostungen. Niemand kann sich mehr in seiner geliebten Bierbar oder am Tresen in seiner Dorfbrauerei mit Gleichgesinnten treffen und sich durch die Bierwelt trinken. Also machen wir es halt virtuell – ob als bidirektionales Treffen im kleinen Kreis, an dem jeder aktiv Teilnehmen kann, oder als unidirektionale Übertragung für größere Gruppen, bei denen ein Austausch nur über die parallel geschaltete Chatfunktion möglich ist.

3. Fränkische Kreativbierverkostung

Hier und heute soll es eine Verkostung von sechs kreativen Bieren sein, das heißt, von Bieren jenseits konservativer Vorstellungen, was ein anständiges fränkisches Landbier zu sein habe. Und zum Teil auch jenseits dessen, was uns der Bayerische Brauerbund immer als sogenanntes „Reinheitsgebot“ verkaufen möchte.

Norbert Krines, Bierfeinschmecker, Bierbuchautor, Kenner der Fränkischen Bierszene und beliebter Sparringspartner des Bayerischen Brauerbunds in Diskussionen über das Bierrecht trifft sich virtuell mit den fünf Brauern der sechs Biere, stellt mit ihnen gemeinsam jedes einzelne vor, und wir können „am anderen Ende der Leitung“ ebenfalls diese Biere genießen und uns per Livechat mit unseren Geschmackseindrücken aktiv beteiligen.

das Paket kam pünktlich per Post

Das Paket mit den Bierproben (jeweils zwei Flaschen von jeder Sorte) und einer kleinen Dreingabe in Form von Knuspermalz, das mit weihnachtlichen Gewürzen und Zucker kandiert worden ist, war drei Tage vor der Veranstaltung gekommen – die Biere stehen nun also perfekt temperiert und nach dem Schütteln während des Transports wieder beruhigt im Bierkühlschrank.

Gnusberla – kandiertes Malz

Pünktlich um 19:00 Uhr erscheint Norbert im Videostream, und nach kurzen, einleitenden Worten schaltet er David Hertl von der Braumanufaktur Hertl zu. Und schon geht es auch mit der Verkostung los!

Das erste Bier nennt sich „Room 19 – The Corona Room“. Es ist eine 4,0%ige Berliner Weisse mit Rote Bete. Es ist in Kooperation zwischen Freigeist Bierkultur, der Braumanufaktur Hertl und der Berliner Straßenbräu entstanden und wurde bei der Vormann-Brauerei in Hagen-Dahl gebraut und abgefüllt. Leuchtend rot steht es im Glas, der Schaum, der sich nur zaghaft bildet, zerfällt recht rasch wieder. Ich schnuppere am Glas und rieche in erster Linie die erdigen Aromen der Rote Bete.

Gewöhnungsbedürftig. Ein wenig zögerlich nehme ich den ersten Schluck, während David Hertl auf dem Bildschirm in seiner gewohnt unterhaltsamen Art das Bier beschreibt. Die Säure balanciert die Erdigkeit der Rote Bete hervorragend aus, und umgekehrt nehmen eben die erdigen Aromen der Säure ihre Schärfe. Ein überraschend ausbalanciertes Bier. Während jedes dritte Wort bei David „geil“ lautet, sinniere ich dem letzten Schluck nach. Ein wirklich bemerkenswertes Bier. Hut ab vor der Idee, ein Sauerbier mit erdigen Rüben zu kombinieren. Am meisten überrascht über den Wohlgeschmack ist wohl David selbst, der fröhlich in das Mikrofon posaunt: „Wir wollten gar nicht, dass das Bier so geil schmeckt!“

Room 19 – The Corona Room

Sekunden später bricht der Facebook-Livestream ab. Hat irgendjemand dem David ob seiner Selbstkritik den Hahn abgedreht?

Natürlich nicht – es handelt sich um ein größeres Übertragungsproblem bei Facebook. Eine gute halbe Stunde lang werkeln Norbert und Christian Zwanzger von der Brauerei Zwanzger, die das Verkostungspaket zusammengestellt und versandt hat, an ihren Computern, während sich im parallelen Chat die Verkostungsteilnehmer lustig machen und mit dummen Kommentaren nicht geizen.

Irgendwann fällt der Entschluss, die Plattform zu wechseln und mit Zoom weiter zu machen. Besseres Bild, besserer Ton, keine Ruckler mehr – alles klappt ab jetzt wunderbar.

So machen wir denn endlich den „Adebar Trunk 2020“ der Brauerei Zwanzger aus Uehlfeld auf. Beziehungsweise fangen an, uns Norberts und Christian Zwanzgers Kommentierung anzuhören, denn geöffnet und angetrunken haben wir ihn während der Sendepause alle vorher schon.

Den ganzen Sommer über hatte ein Storchenpärchen auf dem Schornstein und Brüdenabzug der Brauerei Zwanzger gebrütet und Christian das Brauen auf seiner großen Anlage unmöglich gemacht. Dutzende von Kleinsuden entstanden in dieser Zeit auf seiner kleinen Anlage, auf der er hobbymäßig herumexperimentiert, und parallel dazu gingen die großen Tanks ganz langsam zur Neige – so weit, dass er in seinem Brauereigasthof am Ende sogar Biere befreundeter Brauereien ausschenkten musste.

Adebar Trunk 2020

Irgendwann nachdem die kleinen Störche flügge waren, wurde das Nest kurzerhand aufgeständert und hochgesetzt und damit der Abzug wieder frei gemacht, und in Erinnerung an diese ganze Geschichte hat Christian den „Adebar Trunk 2020“ eingebraut, mit viel dunklem Malz und einem kleinen Anteil Rauchmalz. Bräunlich mit üppiger Schaumkrone steht das Bier im Glas, strömt einen leicht dumpfen, an altes Holz erinnernden Geruch aus, zeigt sich im Geschmack aber durchaus solide. Ein kräftiger Malzkörper, sehr füllig und rund, eine nur geringe Bittere, und erst ganz am Schluss, beim Schluck, kommt ganz dezent das Raucharoma hervor. Obwohl mit 5,5% nicht übermäßig stark, ersetzt ein halber Liter dieses Biers locker eine Mahlzeit, und während wir diese Mahlzeit zu uns nehmen, lauschen wir, wie Christian davon erzählt, wie er die Storchen- und Corona-Krise im Sommer gemeistert hat.

Jetzt geht es mit der Verkostung Schlag auf Schlag weiter, denn während Christian und Norbert noch über den „Adebar Trunk 2020“ philosophieren, öffnen die Zuhörer und Zuschauer notgedrungen und vom Durst getrieben schon das nächste Bier, das „anders!“, Es ist ein modern IPA, gebraut mit Galaxy, Mosaic und Vic Secret Hopfen in der Nürnberger orca brau. Felix vom Endt, dem die Brauerei gehört und der immer wieder mit neuen Zutaten und Stilen experimentiert, schaltet sich auf und erläutert, wie er zu diesem Bier gekommen ist. Wir genießen derweil den deutlich an Ananas erinnernden Geruch, den fruchtigen und recht herben, aber nie zu dominant bitteren Geschmack und die erfrischende Spundung dieses Biers. 6,8% Alkohol hat es, was man aber nicht merkt, und seine goldene Farbe, die gleichmäßige Trübung und der nicht übermäßig üppige, schneeweiße Schaum runden den Gesamteindruck dieses sehr gelungenen Biers ab. Ein India Pale Ale für den großen Schluck, von dem wir gerne auch mehr als nur eine Flasche trinken könnten.

anders!

Eher nur für den ganz kleinen Schluck ist der „Winterzauber“, das Weihnachts-Gewürzbier, das Christian Zwanzger auf seiner kleinen Anlage gebraut hat. Honig, Orange, Zitrone, Sternanis, Ingwer, Kardamom und Zimt wurden mit verbraut. Während sich auf dem Bildschirm eine spannende Diskussion über das Reinheitsgebot entspinnt, die sich schwerpunktmäßig damit beschäftigt, wie unterschiedlich die Vorschriften im Bier- und im Lebensmittelrecht in den verschiedenen Bundesländern umgesetzt werden (teilweise ist es sogar von Landkreis zu Landkreis verschieden …), verkoste ich das dunkelbraune, nur sehr wenig Schaum entwickelnde, 4,7%ige Bier. Der Gewürzgeruch ist sehr intensiv, es dominieren Zimt und Sternanis, aber auch der Ingwer und der Kardamom sind deutlich zu riechen, später auch zu schmecken. Auf der Zunge macht sich eine intensive Schärfe breit, und retronasal kommt das ganze Gewürzspektrum noch einmal voll zur Geltung. Eigentlich ist alles zu heftig – gut gemeint, aber vielleicht hätte ein bisschen mehr Zurückhaltung dem Bier gut getan. Im Dialog mit Christian spricht Norbert von einem „brachialweihnachtlichen Bier“ und trifft es damit ganz gut. Interessant, aber nix für den größeren Konsum.

Winterzauber

Trotz einer gewissen Alkoholstärke (6,8%) und Geschmacksintensität erweist sich der „Weiße Hai“, der Weizenbock unter der Marke VETO der Hopferei Hertrich als sehr gut durchtrinkbar. Weich fließt er ins Glas, wirkt fast ein wenig viskos und bildet eine schöne, reichhaltige Schaumkrone aus. Die orangene Farbe gefällt, ebenso die leichte Trübung. Ich rieche feine Aprikosennoten, aber auch für ein Weizenbier überraschend starke Hopfenaromen. Der Antrunk ist seidenweich, das Bier fließt sämig und voll über die Zunge und füllt den Mund mit feinen, ausgewogenen Fruchtaromen, präsentiert auf einem Fundament einer stets präsenten, aber nicht zu intensiven Herbe. Nach dem Schluck kommen retronasal leichte Bananenaromen zum Vorschein. Das Bier wirkt sehr ausgewogen, den Alkohol spürt man überhaupt nicht, und so könnte ich gerne noch ein zweites oder gar ein drittes Bier trinken. Bis dann die Wirkung des Alkohols doch einsetzen würde …

Weißer Hai

Ralph Hertrich, der Macher dieses Biers, albert derweil mit Norbert herum, lässt eine Haiflosse über den Bildschirm schwimmen und erklärt das Konzept seiner Hopferei, und dass fast alle von ihm produzierten Biere Tiernamen tragen. Gebraut werden die VETO-Biere bei Jörg Binkert in Breitengüßbach, im Brauhaus Binkert.

Die Verkostung neigt sich langsam dem Ende zu – ein letztes Bier wird noch vorgestellt, und zwar der „Schwarze Prinz“, ein Imperial Stout mit 7,3% Alkohol aus dem Hause Eppelein & Friends. Hinter dem Label, das nach dem Raubritter Eppelein von Geilingen benannt ist, steht Karsten Buroh, der ein kleines, aber feines Produktportfolio braut. Biere, von denen es immer zu wenig gibt. Es ist nur wenig mehr als ein Hobby für ihn, der in einem ganz anderen Geschäft sein „richtiges“ Geld verdient.

Schwarzer Prinz

Ganz dunkelbraun fließt der „Schwarze Prinz“ ins Glas und bildet eine schöne, leicht cremefarbene Schaumkrone. Der Duft ist mokkaartig und weich, keine Spur der üblicherweise in Stouts zu spürenden Röstaromen. Auch auf der Zunge und beim Schluck bleibt dieses Bier extrem weich. Weder Röstbittere noch die oft anzutreffende Adstringenz findet sich in diesem Bier, stattdessen ein weicher, samtiger Körper, der je nach Trinktemperatur von Kaffee-Aromen (wenn kalt getrunken) oder Schokoladennoten (wenn schon temperiert) begleitet wird. Ein Bier, dass nicht nur gut aussieht, sondern auch dem Gaumen sanft schmeichelt. Sehr schön!

Karsten Buroh beschreibt das Bier mit Worten, die auch meinen Geschmackseindruck eins zu eins treffen, und im Gespräch mit Norbert, der mittlerweile beim sechsten Bier (plus wohl auch einem Zwischenbier während des Sendeausfalls) langsam einen roten Kopf bekommt, berichtet er davon, dass er in seinem Hauptberuf durch Corona derzeit so gefordert sei, dass er gar nicht alle Ideen zur Verbesserung seiner Biere umsetzen und im Übrigen auch gar nicht so oft brauen könne, wie es dies wohl gerne wolle.

eine beeindruckende Spannweite von Aromen und Geschmäckern

Eine spannende und unterhaltsame Verkostung geht zu Ende. Aufgrund der großen Teilnehmerzahl blieb die Interaktion auf die Chatfunktion beschränkt, das hat aber unserem Spaß keinen Abbruch getan. Während des Biergenusses direkt vom Brauer zu erfahren, wie dieses Bier entstanden ist und was er sich dabei gedacht hat, war interessant, die Geschichten hinter den Bieren waren sehr abwechslungsreich. Eine Kreativbierverkostung, die in der Tat sehr viel Wert auf kreative Biere gelegt und so manche mentale und sensorische Grenze verschoben und neu gezogen hat.

Bilder

Deutsche Kreativbrauer e. V.
Rathgeberstraße 7
97 656 Oberelsbach
Bayern
Deutschland

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