Digitales Biertrinken
Dominik, Frank, Karin & Volker
AUT / DEU

Bierverkostung über hunderte von Kilometern

Beim letzten virtuellen Biertrinken vor vier Wochen haben wir, Dominik Ahmidou-Fend, Frank Di Marco und ich, gehofft, uns bald wieder persönlich treffen zu können. Stattdessen hat Corona die Distanz weiter vergrößert, indem mich das Virus in eine Hotelquarantäne in Hannover gezwungen hat. Und auch die Anzahl der Standorte ist gewachsen, von drei auf vier, denn meine holde Ehefrau ist nicht mit nach Hannover gereist, sondern hat von daheim aus mitgetrunken. Aber ob drei oder vier Standorte, dutzende Kilometer oder gar hunderte – im Cyberraum macht das keinen Unterschied, und so hatten wir trotzdem eine unterhaltsame und gleichzeitig lehrreiche Verkostung.

Und, wie es die Schlenkerla-Brauerei bei Instagram so schön ausgedrückt hat, gilt schließlich: „Online-Trinken ist das Stehseidla in Corona-Zeiten.“

Technische Schwierigkeiten, über die immer geschimpft wird, wenn es um Home-Office oder geschlossene Schulen geht, hatten wir nicht – man muss halt die richtige Software benutzen und wissen, wie man sie bedient. Gestochen scharf die Bilder, klar der Ton, nur an der Übertragung der Gerüche und Geschmäcker der Biere muss die Firma Winzigweich vielleicht noch ein bisschen arbeiten – da ging leider gar nichts.

Dominik, Karin, Frank und Volker – aus Franks Perspektive

Aber so hatten wir dann auch genug zu erzählen: Wie riecht Dein Bier? Wie schmeckt es? Warum ist es so trübe, und warum hat es so viel Schaum? Warum überhaupt gerade dieses Bier und nicht ein anderes?

Die letzte Frage ließ sich zumindest auf meiner Seite am leichtesten beantworten – ich kann nur das trinken, was ich auch ins Hotel mitgenommen habe. Oder – ein besonderer Dank an das Hannoveraner Biernetzwerk ist hier angebracht – mitgebracht bekommen habe.

Im Resultat war es ein buntes Sammelsurium in Vorarlberg, im Schwäbischen, im Allgäu und in Hannover.

Frank und ich haben uns die Mühe gemacht, die von uns getrunkenen Biere auch detailliert zu beschreiben – wer also mit uns auf eine sensorische Reise gehen möchte, bitteschön:


Innstadt Bräu
Export Bio

Innstadt Bräu – Export Bio

Innstadt Brauerei
5,3%Vol
Wasser, Gerstenmalz, Hopfen

weiß, mittelporig, flüchtig, | wenig anhaftend | Goldgelb, glanzfein | Malz, Honig, Steinobst, süß | leichte Rezenz | Malz, Vollmundig, cremig, leichte Kräuternote | anhaltend, gute eingebundene Bittere |

Ein kräftiges und schmackhaftes Export in Bio Qualität.


Privatbrauerei Jacob Stauder
Original Bierchen

Privatbrauerei Jacob Stauder – Original Bierchen

Privatbrauerei Jacob Stauder
4,5% Vol.

weiß, feinporig, wenig anhaltend | Sonnengelb, glanzfein | Zitrone, Gras, Limette, Stachelbeere | wenig rezent | schlank, fruchtig, Malz | wenig nachhängend, kaum Bittere |

Frisches und fruchtiges mit Bier interessanten Zitrusnoten.


Wolferstetter
Export Hefe Weizen

Wolferstetter – Export Hefe Weizen

Wolferstetter Bräu Georg Huber KG
5,5%

stabil, cremig, weiß, kompakt | kräftig goldgelb, starke Trübung |  Banane, leichte Säure, Hefe | spritzig | wenig Körper, zurückhaltende Aromen | wenig nachhängend, keine Bittere |

Ein leider enttäuschendes Weißbier ohne Nachhall.


Cast-Brauerei Stuttgart
Wee Scotch Ale Scottish Style

Cast-Brauerei Stuttgart – Wee Scotch Ale Scottish Style

Cast-Brauerei GmbH
5,%Vol., 15,0°P, 17 IBU

karamellfarben, mittelblasig, anhaftend | Mahagony, glanzfein  | Karamell, Haselnuss, Kastanie, Malz | in sich ruhend | Malzige Süße, Röstaromen, nussig, zarte Raucharomen | Säure, wenig nachhaltend |

Ein angenehmes, unaufgeregtes und zart rauchiges Ale.


Aecht Schlenkerla
Fastenbier

Aecht Schlenkerla – Fastenbier

„Heller Bräu“ Trum GmbH
5,50% Vol., 16°P, 30 IBU

naturweiß, kompakt, feinporig, anhaltend, anhaftend | dunkelbraun, keine Reflexe | Speck, Umami, Salz, Röstnoten, Rauchnoten | wenig rezent | überraschend schlank, leichte Säure, Nuss, Röstaromen | balanciert, keine Bittere, adstringierend |

Ein auch in dem Alter noch sehr gut trinkbares Bier mit dem typischen Schlenkera Aroma.


Apostelbräu
Hopfen Prof. Grünhopfen Sud

Apostelbräu – Hopfen Prof. Grünhopfen Sud

Apostelbräu
5% Vol

mittelporig, anhaltend, anhaftend, naturweiß | dunkles Gelb mit deutlicher Trübung und erkennbaren Partikeln | Mandarine, Ananas, Limette, Harz, Tannennadeln | leicht prickelnd | kräftige Bittere, Kräuter, Biskuit | langanhaltende Bittere, überraschende Süße im Nachtrunk |

Ein tolles kräftig aber harmonisch gehopftes Bier.


Mashsee Brauerei Hannover
Mashine IPL

Mashsee Brauerei Hannover – Mashine IPL

Goldgelb, fast klar, nur ganz leicht opalisierend. Ein schöner Schaum, schneeweiß. Passt. Doch halt, was ist das? Während ich noch schnuppere und die herben Fruchtaromen, die in Richtung gelber Pampelmuse gehen, genieße, fällt der Schaum schon zusammen. Hm, habe ich das Glas nicht richtig gespült, oder liegt’s am Bier? Ich weiß es nicht. Aber egal, jetzt ist es so, ich kann es nicht ändern. Noch einmal nehme ich einen tiefen Zug vom Pampelmusenaroma und dann den ersten Schluck. Sauber. Eine kräftige, aber blitzsaubere Bittere, ein bisschen Malzkörper, der den wilden Hopfen zähmt, und dann im Schluck ein kerniger, herber Abgang, während dessen die Pampelmuse noch einmal um Aufmerksamkeit buhlt. Sachte klingt alles ab, und ich bin zufrieden. Sehr sogar. Auch ohne Schaum. Ein Blick noch auf das Etikett: 6,8% Alkohol, 60 IBU (Wow!), 15 EBC, 16°P. Und ein selbstbewusster Spruch zum Mashine: „Mit der MASHINE kommst du als Hopfenliebhaber voll auf deine Kosten. Jeder Sud wird unterschiedlich gehopft, so dass immer ein neuer Geschmack auf dich wartet. Garantiert kein Glücksspiel, da wir wissen, was wir tun. Jackpot, Baby!“ An Selbstbewusstsein mangelt es Kolja Gigla von Mashsee also nicht. Perfekt wäre es, wenn auf dem Etikett jetzt bei jedem Sud dieses India Pale Lagers auch angegeben wäre, welcher Hopfen drin ist. Nehmen wir mal an, dass die Beschreibung im Webshop aktuell ist, dann wären es Crystal, Mosaic und Taurus. So.


Hildesheimer Braumanufaktur
Funk Soul Brewers – Burst Generator – New England IPA

Hildesheimer Braumanufaktur – Funk Soul Brewers – Burst Generator – New England IPA

Ich finde es ja immer etwas merkwürdig, wenn noch ganz junge Brauereien schon mit einem riesigen Portfolio an Bieren auf den Markt drängen und diese dann unter verschiedenen Produktlinien anbieten. Aber das ist wohl das Zeichen der Zeit, und die Bierliebhaber, die am liebsten jeden Tag drei verschiedene neue Biere (mindestens!) verkosten würden (ich selbst schließe mich von diesem Interesse ja auch nicht ganz aus), fördern diese Entwicklung natürlich. So bietet die Hildesheimer Braumanufaktur neben den im Etikett eher konservativ gestalteten Bieren auch die Serie Funk Soul Brewers an, unter der Jan Pfeiffer und Malte Feldmann mit eher schrillen und auffälligen Etiketten Biere vermarkten, die den Mainstream verlassen. Der „Burst Generator“, ein New England IPA ist ein solches Bier.

Für ein New England IPA ist es erstaunlich klar, nur eine leichte opalisierende Trübung weist es auf, die Farbe ist dunkelgelb, der Schaum üppig und recht lange haltbar. Fruchtige und im Hintergrund leicht harzige Hopfenaromen steigen in die Nase (verwendet wurden Citra und Enigma). Auf der Zunge ist das 7,5%ige Bier schön ausbalanciert zwischen süßlichem Malzkörper und kräftiger Bittere – das ist sehr harmonisch. Im Schluck drängt sich die Bittere allerdings konsequent in den Vordergrund, was richtig so ist, und genauso richtig klingt diese Bittere langsam und gleichmäßig ab, ohne kratzig zu werden. Schön!


Hildesheimer Braumanufaktur
Mechthild – Die Mächtige – Braujahr 2020

Hildesheimer Braumanufaktur – Mechthild – Die Mächtige – Braujahr 2020

An einen mächtigen Barley Wine wage ich mich als nächstes heran. Mechthild nennt sich dieses Bier, ist edel in richtig dickes Packpapier gewickelt und bringt viel, viel Informationen auf dem Etikett mit sich. „Mechthild – Die Mächtige“ ist schon ein direkter Hinweis auf die 9,0% Alkohol und den dicken, schweren Charakter dieses Bierstils, und es wundert mich, dass die beiden Brauer der Hildesheimer Braumanufaktur der Versuchung widerstanden haben, das Bier wortspielerisch „Mächthild“ zu nennen.

Aber zum Bier: Dunkelbraun und mit einem rubinroten Schimmer steht das Bier im Glas, ist leicht trüb (auch wenn das bei so dunklen Bieren nur schwer zu erkennen ist) und hat im ersten Moment einen für ein so alkoholstarkes Bier erstaunlich üppigen Schaum, der auch verhältnismäßig lange hält. Schwere und volle Malzaromen füllen die Nase, wirken geradezu kremig in ihrer Textur. Malz, Malz, Malz – in allen schönen Nuancen, die dieser Rohstoff zu bieten hat. Ein paar Biskuit-Noten, ein bisschen Karamell, ganz entfernt ein Hauch Honig. Weich rinnt es auf und über die Zunge, füllt den Mund in Gänze mit seinem viskosen Körper und der Aromenfülle. Ein Bier zum Abbeißen. Ein paar süßliche, fruchtige Noten kommen zum Vorschein (in erster Linie retronasal) und erinnern an dunkles Trockenobst, ohne jedoch zu sehr zu dominieren. Der Schluck ist ebenfalls rund und weich, ganz sanft spüre ich eine alkoholische Wärme, wohingegen die auf dem Etikett angesprochene Hopfenbittere (es wurde Summit verwendet) fast überhaupt nicht zu spüren ist. In der Tat ein mächtiges Bier – wunderbar für einen kalten Winterabend.

Laut Etikett ist das Bier ausschließlich mit hellen Malzen gebraut und erhält seine dunkle Farbe durch langes, langes Kochen. Wenn dem so ist, dann ist das perfekt gelungen, und auch die dabei erzeugten Aromen gefallen sehr.

Das Bier ist Braujahr 2020 – ich kann mir vorstellen, dass es, obwohl jetzt schon in der höchsten Liga, durch zwei, drei Jahre Reifung noch runder, noch voller, noch weicher werden könnte.

Die Hildesheimer Braumanufaktur schreibt zu diesem Bier eine halben Roman: „Dieser English Style Barley Wine ist klassisch mit hellen Malzen gebraut. Durch extra langes Kochen entsteht die kräftige rotbraune Farbe und ein ebenso kräftiges Karamellaroma. Eine balancierende Hopfenbittere reitet der Stärke und malzigen Süße entgegen. Eine festliche Speisenbegleiterin oder anregende Solistin, die in einem bauchigen Stielglas Platz zum Entfalten findet. Lichtgeschützt und kühl gelagert kann dieser Barley Wine zur weiteren Entwicklung lange aufbewahrt werden – interessant im Vergleich zu anderen Jahrgängen.“


Hildesheimer Braumanufaktur
Funk Soul Brewers – Midnight Runner – Belgian Dark Strong Honey Ale

Hildesheimer Braumanufaktur – Funk Soul Brewers – Midnight Runner – Belgian Dark Strong Honey Ale

Die Stilbeschreibung verspricht Exotik. Belgian – das steht für ungestüme, raue Hefearomen eines belgischen Hefestamms mit einem phenolischen Charakter. Dark und Strong (ein Alkoholgehalt von 9,0%) lassen auf einen kräftigen Stoutcharakter mit ausgeprägter Röstbittere schließen, die Zugabe von Honig (Honey) lässt auf Süße, Vollmundigkeit und vielleicht auch kräftige erdige und strenge Aromen hoffen.

Ich gieße das fast schwarze, ob seiner Dunkelheit ziemlich blickdichte Bier ein und freue mich, dass sogar ein ordentlicher, leicht kremefarbener Schaum entsteht. Ich schnuppere, und wie erwartet: Phenolische Hefearomen und eine röstige Bittere stechen in die Nase. Aber, ach!, sie harmonieren nicht, sondern bekämpfen einander in der Nase. Ich nehme den ersten Schluck, und der Eindruck setzt sich fort: Alle Aromen und Geschmäcker, die ich ob des Stils erwartet habe, sind vorhanden, aber sie spielen kein Konzert, sondern kreischen in schrillem Diskant um die Wette. Ist es für einen kurzen Moment eine schwere Süße mit warmem Honigcharakter, so schreit direkt danach eine scharfe Röstbittere um Aufmerksamkeit, nur um von den phenolischen, fast schon in Richtung Heftpflaster gehenden Hefearomen zur Seite geschubst zu werden. Zu allem Überfluss wird der Abgang dann nicht nur schön alkoholisch warm, sondern auch ein bisschen spritig. Jede Komponente für sich wäre schön, hätte Charakter und Wumms, aber alle gemeinsam? Nein, das ist von allem zu viel.

Zwar trinke ich das Bier nicht völlig ohne Genuss, aber es bleibt doch festzustellen: Für jedes überdurchschnittlich bewertete Bier muss es immer auch eins geben, das unter dem Durchschnitt bleibt (so definiert sich ja der ärgerlicherweise oftmals mit negativer Konnotation wahrgenommene Begriff „Durchschnitt“), und letzteres ist bei diesem Bier leider der Fall. Gut gemeint, aber in der Intensität der einzelnen Faktoren weit über das Ziel hinausgeschossen. Schade.

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