Das Biernetzwerk steht
(Grüße aus der Südsee)
Hannover
DEU

Das doppelte Bierpaket

Die Corona-Quarantäne zieht sich zäh dahin. Die Tage vergehen nur langsam, über jede Abwechslung hier im „Hausarrest“ bin ich froh. Insofern ist es keine Überraschung, dass ich, als es am 12. Januar 2021 klopft, blitzschnell an der Hotelzimmertür bin. Ein Bierpaket steht vor mir auf dem Boden; der junge Mann, der es gebracht hat, winkt aus sicherer Entfernung und verschwindet wieder.

ein Bierpaket, zwar nicht aus der Südsee, aber vom Bodensee

Ich stelle es auf den Couchtisch in meinem Zimmer. Der Absender: KommproBier aus Langenargen. Oh, wie schön! Uli und Helmut Heine schicken ein Paket mit Bier, um mir die Abende im Hotel zu versüßen. Was für eine nette Idee!

Als ich das Paket öffne, leuchtet mir eine kunterbunte Girlande entgegen, die um eine nicht minder bunte Dose der Kona Brewing Company gewunden ist, einer Brauerei auf Hawaii, auf Big Island (der alte Gassenhauer „Es gibt kein Bier auf Hawaii …“ ist nämlich gelogen). Südseestimmung macht sich im regengrauen Hannover breit, und mit großer Freude sehe ich in den weiteren Fächern des Pakets noch mehr Dosen und Flaschen, aber auch Gummibierchen zum Naschen und einen lieben Brief der Freunde aus der Südsee oder besser vom fernen Bodensee.

Ich bin gerührt!

das Südsee-Bierpaket (Version Hannover)

Rasch zücke ich mein Telefon, möchte das Paket fotografieren und meine holde Ehefrau an meiner Freude teilhaben lassen.

Ich schalte es an und völlig konsterniert blicke ich auf’s Display. Wieso ist denn da schon ein Foto von diesem „Südsee-Bierpaket“ drauf? Ich habe doch noch gar nicht auf den Auslöser gedrückt?

das Südsee-Bierpaket (Version Allgäu)

Und erst beim zweiten Blick offenbart sich, was gerade passiert ist: Nahezu zeitgleich, mit vielleicht zehn Minuten Vorsprung, hat meine holde Ehefrau einen Zwilling dieses Pakets bekommen, war somit ein kleines bisschen schneller mit dem Auspacken und hat mir bereits per Messenger ein Bild geschickt. Bunte Girlanden, Gummibierchen, Bier aus Hawaii und dem Rest der Welt. Der Inhalt ist exakt der gleiche, und auch der liebe Brief von Uli und Helmut, in dem sie uns wünschen, dass wir mit diesem doppelten Bierpaket die Möglichkeit haben, über die vielen hundert Kilometer Entfernung hinweg eine gemeinsame Online-Verkostung zu machen.

Eine ganze Reihe von Online-Verkostungen mit meiner holden Ehefrau wird es sogar – und einmal, am 16. Januar, gelingt es uns auch, zu viert live vor den Bildschirmen zu sitzen – im Allgäu, am Bodensee und in Hannover – und einen wunderbar schweren und süßen Barleywine der kleinen Gipsybrauerei Sibeeria aus Prag zu genießen.

Online-Verkostungs-Spaß

Was für ein Spaß!

Acht Biere, achtmal purer Genuss.

Ein großes Dankeschön an Uli und Helmut vom Bierladen KommproBier in Langenargen – diese Überraschung ist Euch wirklich gelungen!

Hier folgen die Verkostungsnotizen zu den acht Bieren:


Sudden Death Brewing Company
If You Got Complaints, Please Talk to Our Tour Manager! – Double Dry Hopped IPA

Sudden Death Brewing Company – If You Got Complaints, Please Talk to Our Tour Manager! – Double Dry Hopped IPA

Hellgelb und milchig trübe fließt das 6,5%ige Bier der Sudden Death Brewing Company vom Timmendorfer Strand in das Glas, fast wie ein frischgepresster, naturtrüber Apfelsaft. Zuerst will sich gar kein Schaum bilden, erst als ich bewusst ein bisschen plätschere, bildet sich eine schneeweiße und dann auch recht haltbare Schaumkrone. Ich schnuppere am Glas – das Aroma ist fruchtig, süßlich, mit ein paar Ananas- und ein paar Aprikosennoten, aber auch viel mehr tropischen Früchten, die in einem wuchtigen Konzert individuell untergehen. Der Antrunk ist weich und fruchtig und setzt die Geruchsempfindungen harmonisch fort. Fast kremig ist das Mundgefühl. Beim Schluck kommt der ganze Obstgarten retronasal wieder zum Vorschein, während sich im Rachen gleichzeitig eine feine Bittere breit macht, die aber sauber und geradezu samtig bleibt. Ein sehr schön trinkbares Bier. Es gefällt. Der sensorische Gesamteindruck bleibt trotzdem getrübt – getrübt von der Optik einer Urinprobe, die auf einen schweren Harnwegsinfekt hindeutet. Ich kann dieser bewusst milchigen Konsistenz eines Biers, die insbesondere durch reichlich Haferzusatz erzielt wird, beim besten Willen nichts abgewinnen.


Private Landbrauerei Schönram
Schönramer Grünhopfen Pils

Private Landbrauerei Schönram – Schönramer Grünhopfen Pils

Eine nicht zu kräftige, gelbe Farbe und eine dezente, nur leicht opake Trübung, dafür aber ein durchaus üppiger und fester, schön weiß leuchtender Schaum – der erste Eindruck dieses 5,0%igen Biers der Privaten Landbrauerei Schönram gefällt. Die Nase spürt als erstes eine durchaus prägnante Schwefelnote, die aber vor dem Hintergrund grasiger, grüner Hopfenaromen gar nicht so unangenehm ist, wie sich die beschreibenden Worte anhören. Eine Mischung aus offenem Gärbottich und einem Sack frischer Hopfendolden ist es, an das mich das Aroma erinnert. Der Antrunk ist ein bisschen kohlensäurescharf, eine kräftige Bittere macht sich sehr rasch breit, und auch eine leicht pfeffrige Schärfe spüre ich.  Restsüße? Fehlanzeige. Das Bier ist hochvergoren und trocken. Der Abgang ist geprägt durch eine herbe, feste, geradezu kernige Hopfencharakteristik – der Gaumen wird zwar trocken, aber nicht zu adstringierend, lechzt gleichwohl nach erneuter Wässerung. Ein Bier, bei dem jeder Schluck das Verlangen nach dem nächsten steigert. Kein Bier zum Durst löschen, sondern eines zum durstig bleiben. Man merkt die auf dem Etikett angegebenen 45 IBU halt deutlich!


BrewDog
Cocoa Psycho – Espresso Imperial Stout

BrewDog – Cocoa Psycho – Espresso Imperial Stout

Die Dose der schottischen Brauer von BrewDog ist in dunklem Violett mit Bronze gehalten, eine durchaus edel wirkende Farbkombination. Das 10%ige Bier fließt ölig ins Glas, geradezu zähflüssig ist es, man sieht förmlich, wie die kleinen Bläschen sich mühsam ihren Weg an die Oberfläche bahnen müssen, um dort einen dicken, bräunlichen, in der Konsistenz an Butterkreme erinnernden Schaum zu bilden. Der Geruch ist geprägt von intensiven Mokka- und Bitterschokoladenoten, ein bisschen röstig, und er leitet wunderbar über zu einem ebenso bitterschokoladigen und kaffeebetonten Antrunk. Auf der Zunge spüre ich eine leichte Süße, eine röstige Bittere und viel, viel Kaffee. Beim Schluck macht sich eine kräftige Bittere breit, und während im Hals es leicht alkoholisch warm wird, kommen rückwärts durch die Nase Mokkaaromen zum Vorschein, die sonst nur in besten Wiener Kaffeehäusern ihren Platz haben. Eine sehr schöne Trinkerfahrung!


Kona Brewing Co.
Aloha Series – Hibiscus Brut IPA – Limited Release

Kona Brewing Co. – Aloha Series – Hibiscus Brut IPA – Limited Release
(Hannover – Bodensee – Allgäu)

„Ale with Tropical Hibiscus Added“, verspricht die Beschriftung auf der Dose. Ich erwarte also einen leichten Rotton oder etwas Rosafarbenes im Glas, bekomme stattdessen aber einen dunkelgelben, ins Bräunliche tendierenden Farbton, eine leichte Trübung und einen nicht übermäßig üppigen, aber wenigstens lange haltbaren Schaum. Hm, das habe ich bei anderen Hibiskus-Bieren wie zum Beispiel dem Pink Panther der Braustelle in Köln aber schon bunter erlebt. Immerhin: Der Duft, den dieses Bier der Kona Brewing Co. aus Hawaii verströmt, ist fruchtig und tropisch, es dominiert eine Maracujanote. Das passt. Auch der knochentrockene Antrunk und die kräftige, fordernde, aber saubere Bittere, die sich sofort im ganzen Mund breit macht, halten, was die Bezeichnung Brut IPA verspricht. Durchgegoren, ohne Restsüße. Eine spannende sensorische Erfahrung – so fruchtige Aromen, so wenig Zucker. Beim Schluck und danach spürt man, wie die Bittere sich auch im Rachen breit macht, eine leichte alkoholische Wärme begleitet sie (Kunststück bei immerhin 8,2 Prozent), und beim Ausatmen durch die Nase paaren sich nun die Tropenfrüchte und leicht kräuterige Hopfennoten. Schön!


Braumanufaktur Hertl
Dunkle Zeiten – Imperial Black NEIPA

Braumanufaktur Hertl – Dunkle Zeiten – Imperial Black NEIPA
(Hannover – Bodensee)

Jedes Bier, das viel Hopfen enthält, nennt sich mittlerweile IPA – India Pale Ale. Es kommt nur noch darauf an, mit welchen Präfixen man dieses Kürzel versetzt. West Coast IPA, Black IPA, New England IPA, Cascadian IPA, White IPA, Belgian IPA, … Man kann also eigentlich brauen, was man will, es kommt immer irgendein India Pale Ale dabei heraus – so will es das Gesetz des Craft-Brewing. Die kreative Ideenschmiede Baumanufaktur Hertl hat nun ein Imperial (also stark!) Black (also nicht pale!) New England (also fruchtig und milchig trüb!) India (also Exportstärke!) Pale (also doch pale!) Ale (also obergärig!) gebraut. Es ist dunkelbraun, nicht schwarz. Es ist sehr trüb, aber nicht milchig. Es hat ordentlichen, kremigen Schaum, der auch lange hält. Es hat fruchtige Aromen mit einer dezenten Dunkelmalznote im Hintergrund. Es hat ordentlich Restsüße für die Zungenspitze und kräftige Herbe für die Zungenseiten und den Gaumen. Es geht sehr rund und vollmundig, fast schon ein bisschen klebrig über die Zunge und in den Rachen. Es ist retronasal erstaunlich zurückhaltend, mit nur ein paar kurzen Fruchtnoten. Es ist recht lange herb im Rachen. Es wärmt ein bisschen im Hals nach dem Schluck. Es hat 7,1% Alkohol. Es ist in Breitengüßbach beim Brauhaus Binkert gebraut, weil David Hertl mehr Ideen hat, als seine kleine Brauerei herstellen kann. Es hat ein schönes Dosendesign.


Dietrachinger Privatbrauerei / Hopfenkopf Bräu
Schwarze Tinte – Rum Edition

Dietrachinger Privatbrauerei / Hopfenkopf Bräu – Schwarze Tinte – Rum Edition
(Hannover – Bodensee – Allgäu)

Martin Seidl von der Dietrachinger Privatbrauerei hatte die Schwarze Tinte zum ersten Mal im Tölzer Mühlfeldbräu eingebraut, diese hier ist aber beim Hopfenkopf Bräu entstanden und im Rumfass ausgebaut worden: „6 Monate im Barbados Rum Holzfass gereift“, verspricht das Etikett. Ich freue mich, und die Erwartungen sind hoch. Nahezu ohne Schaum fließt das Bier ins Glas. Ich lasse es etwas plätschern. Trotzdem kein nennenswerter Schaum. Dafür aber ein wunderbares Aroma. Ich rieche dezente Röstaromen der Schwarzen Tinte, die einen schönen und zurückhaltenden Hintergrund für den Rum ergeben, vor dem dieser sich dominant in die Nasenflügel schiebt. Ein bisschen Säure, ein bisschen holzige Vanille, ein bisschen Zuckerrohr. Vorsichtig nehme ich den ersten Schluck. Eine feine Säure, aber auch ganz intensive Rumaromen. Sonne, Strand, Meeresrauschen – die Assoziationen aus dem Urlaub nahe dem Äquator sind sofort da. Sachte breitet sich das Bier auf der Zunge aus. Die Säure wird prägnanter, die Rumaromen auch. Gaumen und Rachen werden von der Aromenfülle überschwemmt. Ein Schluck, und ich spüre eine alkoholische Wärme, die viel stärker ist, als es die angegebenen 7,1% Alkohol vermuten ließen – da hat wohl der Rum noch ein Wörtchen mitzureden. Sanft rinnt das Bier die Speiseröhre hinunter, und gedankenverloren hänge ich ihm hinterher. Was für ein wunderbares Geschmackserlebnis!


Freigeist Bierkultur / Braumanufaktur Hertl / Berliner Straßenbräu
Room 19 – The Corona Room – Berliner Weisse mit Rote Bete

Freigeist Bierkultur / Braumanufaktur Hertl / Berliner Straßenbräu
Room 19 – The Corona Room – Berliner Weisse mit Rote Bete
(Hannover – Bodensee – Allgäu)

Dieses 4,0%ige Bier ist in Kooperation zwischen Freigeist Bierkultur, der Braumanufaktur Hertl und der Berliner Straßenbräu entstanden und wurde bei der Vormann-Brauerei in Hagen-Dahl gebraut und abgefüllt. Leuchtend rot steht es im Glas, der Schaum, der sich nur zaghaft bildet, zerfällt recht rasch wieder. Ich schnuppere am Glas und rieche in erster Linie die erdigen Aromen der Rote Bete. Gewöhnungsbedürftig. Ein wenig zögerlich nehme ich den ersten Schluck. Die Säure balanciert die Erdigkeit der Rote Bete hervorragend aus, und umgekehrt nehmen eben die erdigen Aromen der Säure ihre Schärfe. Ein überraschend ausbalanciertes Bier. Ich sinniere dem Schluck ein bisschen nach. Ein wirklich bemerkenswertes Bier. Hut ab vor der Idee, ein Sauerbier mit erdigen Rüben zu kombinieren.


Sibeeria Brewery
Zima 2019 – Barley Wine

Sibeeria Brewery – Zima 2019 – Barley Wine

Aus der in Prag beheimateten Wanderbrauerei oder Gipsy-Brewery Sibeeria (in Tschechien heißt das Létající Pivovar, also „Fliegende Brauerei“) stammt das nächste Bier, ein Barleywine namens Zima 2019 – übersetzt „Winter 2019“. Das Etikett ist aufwändig gestaltet, statt eines rechteckigen Papierstückchens ist es ein Polygon, das wohl an Eiskristalle erinnern soll, zeigt tolle graphisch verfremdete Bilder von Eis und Schnee und ist mit viel Metallic-Effekten versehen. Das gefällt mir außerordentlich gut. Dem 11,4%igen Bier ist eine Haltbarkeit von zehn Jahren zugeschrieben – das Etikett spricht vom 2. Februar 2029. Ich trinke es trotzdem schon heute!

In leuchtendem Kupfer und blank fließt es ins Glas, bildet für ein so hochprozentiges Bier überraschend üppigen und lange haltbaren Schaum, und schon jetzt rieche ich volle, süßliche Malzaromen mit dezenten Biskuitnoten. Auf der Zunge macht sich das Bier intensiv süß und vollmundig breit, haarscharf an der Grenze zur Klebrigkeit. Dezente Karamellnoten, ein bisschen Keksteig, ein Hauch von Malzbonbon identifiziere ich. Nach dem Schluck werden die vollen, süßen und an Biskuit erinnernden Malznoten retronasal wieder deutlich; Hopfenaromen fehlen eigentlich gänzlich, und auch eine Bittere ist hinter der festen Malzsüße nicht wirklich zu spüren. Nach dem dritten, vierten Schluck wird es doch ein bisschen klebrig, und ich bekomme Durst auf einen Schluck frisches Wasser. Ein sehr schönes Bier, aber eines, dass durch seine Intensität erfordert, dass man sich lange Zeit nimmt, jedem süßen Schlückchen hinterhersinnt und es eigentlich auch bei diesem einen Bier am Abend belässt.

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