Am 18. Februar 2021 war das Paket mit den sechs Senatsböcken des Jahrgangs 2021 bei mir daheim eingetroffen und von meiner holden Ehefrau bis zu meiner Rückkehr eingelagert worden.
Mittlerweile bin ich wieder zurück, und die Tage seit meiner Ankunft zuhause haben wir gut genutzt, uns durch die Biere getrunken und jedes einzelne von ihnen mit allen Sinnen genossen. Und: Sie waren durch die Bank vorzüglich. So vorzüglich, dass ein echtes Ranking unmöglich ist, beziehungsweise es unfair wäre, weil die Biere so nahe beieinander liegen. Nach langer Diskussion haben wir uns auf einen Spitzenreiter geeinigt, aber die Plätze 2 bis 6 differenzieren wir bewusst nicht weiter aus.
Hier also unsere Verkostungsnotizen, und zwar in derselben Reihenfolge, wie ich sie im Februar vorgestellt habe. Zufällig. So, wie meine holde Ehefrau sie aus dem Karton gezogen hatte. Unabhängig von unserer Wertung.
Und wer neugierig ist, welches der Biere unser Favorit war, der muss sich jetzt geduldig bis ganz nach unten scrollen. Viel Vergnügen!
Senatsbock der Landgang Brauerei
Senatsbock der Landgang Brauerei
Eine kräftig braune Farbe, eine ganz leichte Trübung, die das 7,8%ige Bier etwas opak wirken lässt, und eine nur flüchtige Schaumkrone, die nach kurzer Zeit nur noch einen hauchdünnen, beigefarbenen Schaumrand hinterlässt – das ist der optische Eindruck. Die Nase erschnüffelt sehr herbe und kräuterige, fast schon bittere Hopfenaromen, vielleicht auch ein bisschen Wacholder, Harz und Kiefernnadeln. Auf der Zunge blitzt kurz eine Süße auf, verschwindet dann aber rasch und macht einer kernigen Bittere Platz, die an Wacholder, Kräuterlikör und Enzianwurzel erinnert. Diese Bittere bleibt dann auch recht lange haften, macht einen trockenen Gaumen und Rachen und somit durchaus Lust auf den nächsten Schluck. Ein deutlich anderes Bier als erwartet – die Bittere macht es im Reigen der Senatsböcke einzigartig.
Senatsbock der Kehrwieder Kreativbrauerei
Senatsbock der Kehrwieder Kreativbrauerei
Tiefschwarz und auch, wenn es gegen die Schreibtischlampe gehalten wird, blickdicht, so präsentiert sich das Bier im Glas. Eine dünne Schicht leicht beigefarbenen Schaums hält sich lang, und dort, wo sie aufreißt, bleiben kleine Schaumfleckchen, die über die Oberfläche des Biers dümpeln. Ich schnuppere am Glas und rieche intensive Karamellnoten, ein bisschen herbe, salmiakbetonte Lakritze und ganz dezent ein paar Blaubeernoten. Der Antrunk überrascht auf Anhieb: Sowie die ersten Tropfen dieses Biers die Zunge erreichen, schmecke ich neben der Malzsüße eine deutlich salzige Note, die mich zusammen mit den Lakritzaromen an die in Finnland verbreiteten Salmiakki erinnern – scharfe, salzige Salmiak-Pastillen. Beides zusammen – Salz und Süße – vereinen sich sehr harmonisch, und die etwas dickflüssige Konsistenz tut das Ihrige, um die beiden Gegensätze zu versöhnen. Nur ganz langsam schlucke ich. Fast zäh fließt das Bier über den Gaumen und in den Rachen, setzt intensivere Lakritzaromen frei, die retronasal durchaus dominant werden, und einen Moment nach dem Schluck macht sich eine gewisse Wärme breit – von den acht Prozent Alkohol vermutlich genauso wie von den komplexeren Gärnebenprodukten der Hefe. Eine sehr spannende Trinkerfahrung, insbesondere, wenn man die Zutatenliste studiert und feststellt, dass neben Kandiszuckersirup und Meersalz keine exotischen Zutaten verwendet worden sind und die komplexe Aromafülle nur aus den verwendeten Malzen, Hopfensorten und den Stoffwechselprodukten der Hefe resultiert. Aber: Null Durchtrinkbarkeit. Das Bier ist exzellent, aber es saturiert sehr schnell.
Senatsbock der Brauereien Block-Bräu, Brauhaus Joh. Albrecht und Gröninger Privatbrauerei
Senatsbock der Brauereien Block-Bräu, Brauhaus Joh. Albrecht und Gröninger Privatbrauerei
Im Glas fällt sofort die dunkle, rubinrote Farbe auf, ein edles Schimmern im Gegenlicht. Das 7,7%ige Bier ist klar und wird von einer feinen, leicht beigefarbenen Schaumschicht bedeckt. Die Nase erfasst als erstes einen dezent metallischen Akzent, dann folgen ein paar kräuterige Atomen. Der erste Schluck rinnt weich über die Zunge, eine kräftige, etwas röstige Malzigkeit macht sich breit, gepaart mit einer spürbaren, aber gerade noch nicht klebrigen Süße, die ein wenig viskos auf der Zunge haften bleibt. Der Schluck ist rund, malzig, und es lässt sich nur eine ganz leichte Bittere identifizieren. Retronasal kommen noch einmal kräuterige Aromen hervor, die entfernt an Petersilie und Liebstöckel erinnern.
Senatsbock der Ratsherrn-Brauerei
Senatsbock der Ratsherrn-Brauerei
Wieder einmal füllt sich das Glas mit einem fast blickdichtem, dunkelbraunem bis schwarzem Bier, das nur eine dünne, leicht beigefarbene Schaumschicht aufweist. Mit dem ersten Schnuppern ändert sich aber alles: Neben der schon bekannten, vom gerösteten Malz stammenden leichten metallischen Note rieche ich Holz, Vanille und eine weiche, aber ausgeprägte Säure. Der erste Schluck bestätigt es sofort: Dieses Bier ist im Holzfass ausgebaut. Ein bisschen Süße spüre ich auf der Zungenspitze, danach kommt aber deutlich eine leicht adstringierende, holzige Säure, die den Speichel im Mund zusammenfließen lässt. Bitterschokolade schmecke ich, ein paar dunkelrote Früchte, rote Johannisbeeren vielleicht – jedenfalls sind das die Assoziationen, die ich retronasal habe, während ich genüsslich durch die Nase ausatme. Bittere spüre ich nur ganz dezent; vielleicht ist es der adstringierende Effekt, der sie kompensiert. Nach ein paar Schlucken bemerke ich eine leichte alkoholische Wärme im Rachen – die 7,7% Alkohol dieses Biers sind eigentlich zu wenig, um sie zu verursachen. Ob hier irgendwelche Ester, ätherischen Öle oder sonstige Substanzen aus dem Holzfass eine Rolle spielen? Ich weiß es nicht, bin aber mit diesem Bier außerordentlich zufrieden. Großes, komplexes Aromenkino.
Senatsbock vom Wildwuchs Brauwerk
Senatsbock vom Wildwuchs Brauwerk
Leichte metallische Noten spüre ich, als ich an diesem fast schwarzen, ziemlich blickdichten Bier mit einer nur schwach ausgeprägten, beigefarbenen Schaumschicht schnuppere. Daneben spüre ich Bitterschokolade und Mokkaaromen, beide erfüllen mich mit Vorfreude auf den Antrunk. Ich setze das Glas an die Lippen und langsam fließt das Bier über die Zunge. Ein bisschen Süße an der Zungenspitze, dann aber kräftige Mokkanoten, eine ganz feine Säure, wie in einem guten, frisch aufgebrühten Kaffee, und dann eine deutliche Trockenheit. Keine ausgeprägte Hopfenbittere, sondern eine schwach adstringierende Empfindung auf der Zunge, die sie trocken macht und nach dem nächsten Schluck lechzen lässt. Dann der Schluck und das bewusste Hinterherspüren – noch einmal Bitterschokolade, retronasal auch wieder Mokka und, ganz dezent, metallische Noten. Ein schönes Bier, das nicht nur zum Weitertrinken anregt, sondern auch zum Nachdenken: Warum sind auf dem Etikett lediglich 5,5% Alkohol bei 18° Stammwürze angegeben, und trotzdem wirkt das Bier so trocken?
Senatsbock der Brauerei ÜberQuell
Senatsbock der Brauerei ÜberQuell
Sehr dunkelbraun, fast schon schwarz, mit einem feinen rubinroten Schimmer steht das 8,0%ige Bier im Glas, gekrönt von einer beigefarbenen Schaumkrone, die für ein Bockbier erstaunlich kräftig und lange haltbar ist. Beim ersten Schnuppern spüre ich Karamell, etwas Lakritze, bitteren Kakao und eine ganz dezente Paprikanote. Seidig weich fließt das Bier auf die Zunge, die Lakritz- und Kakaoaromen werden intensiver, eine dezente Süße ist spürbar, und direkt dahinter folgt eine milde, aber deutliche Schärfe, begleitet von kräuterigen Eindrücken und etwas grüner Paprika. Beim Schluck wird die Schärfe dann deutlich und macht sich im Rachen breit, während retronasal der bittere Kakao wieder in den Vordergrund drängt. Nach dem Schluck bleibt eine kernige Herbe ganz am Ende der Zunge für einen Moment hängen, während sowohl Zunge als auch der ganze Rachenraum dem Bier von der leichten Schärfe noch ein wenig erhitzt hinterherschmecken. Nachdem das Bier sich im Glas ein wenig erwärmt, changieren die herben Kakaonoten langsam ins Süßlich-Schokoladige – ein interessanter Wandel im Charakter. In der Summe eine schöne und komplexe Genusserfahrung, bei der die verwendeten Kakaonibs und Habanero-Chilis sehr harmonisch in den Gesamteindruck eingebunden sind.
Sechs spannende Biere. Sechs wunderbare Aroma-Erfahrungen. Jedes dieser Biere würden wir jederzeit wieder genießen wollen. Aber die Erwartungshaltung ist da – einen Sieger müssen wir küren und legen uns nach langer, intensiver Diskussion und mit nur geringem Abstand gegenüber den anderen fünf Bieren fest – auf den Senatsbock der Kehrwieder Kreativbrauerei. Oliver Wesseloh hat mit dem leicht salzigen Karamellcharakter für uns den Vogel abgeschossen. Trotz fehlender Durchtrinkbarkeit (oder andersherum ausgedrückt: hohem Saturierungsgrad) bietet dieses Bier die komplexeste Aromenfülle und damit den größten Verkostungsspaß.
Senatsbock
Lagerstraße 30
20 357 Hamburg
Hamburg
Deutschland
Hinterlasse jetzt einen Kommentar