Lemkes Barrel-Edition
Berlin
DEU

Ich hab’s schon wieder getan … (Teil 2: Die Verkostung)

Einige Wochen ist es jetzt her, dass ich mir aus lauter Übermut die Barrel-Edition der Brauerei Lemke aus Berlin bestellt hatte – zu einem Zeitpunkt, als ich noch im Afghanistan-Einsatz in Kabul war und nicht wusste, wann ich wieder zuhause sein würde, um diese Biere zu verkosten.

Der (glückliche!) Zufall wollte es, dass ich deutlich früher wieder nach Deutschland zurückkehrte, und so kann ich bereits jetzt meine Eindrücke von der Verkostung dieser samt und sonders hochinteressanten Biere schildern.


Bier Nummer 1 – Berliner Eiche

Bier Nummer 1 – Berliner Eiche

Eine Berliner Weisse, die auf Eichenholz gereift wurde – das verspricht eine komplexe sensorische Erfahrung. Ich schenke das Bier mit Schwung ein, kurz schäumt es auf, aber genauso schnell verschwindet der Schaum auch wieder und hinterlässt nur einen ganz schmalen weißen Schaumrand am Glas. Das Bier ist hellgelb und gleichmäßig trüb. Die Nase erschnuppert eine feine Säure, was sofort den Speichelfluss anregt, und dahinter spüre ich eine leicht ledrige Note, aber nur ganz schwach. Auf der Zunge macht sich beim ersten vorsichtigen Nippen sofort eine durchaus kräftige Säure breit, die zwar recht weich, fast schon samtig ist, aber in ihrer Intensität durchaus fordert. Erneut kommen – insbesondere retronasal nach dem Schluck – ein paar ledrige Aromen zum Vorschein. Was aber nur bei ganz intensivem Hinterherspüren zu identifizieren ist, sind Aromen von der Eichenholzreifung. Fast bin ich ein wenig enttäuscht davon, wie sehr sie sich im Hintergrund halten. Nur eine ganz leichte Vanillenote und eine Holzigkeit, die mehr zu ahnen als wirklich zu riechen und zu schmecken ist, vermag ich aufzuspüren. Hätte ich es nicht vorher auf dem Etikett gelesen, so hätte ich – befürchte ich – dieses Bier überhaupt nicht von einer „normalen“ Berliner Weisse unterschieden. So ist es in der Summe nicht ganz so spannend, wie ich mir erhofft hatte, und das erfrischend-säuerliche, 3,5%ige Bier fällt daher in der Wertung ein wenig ab.


Bier Nummer 2 – Misce

Bier Nummer 2 – Misce

Im Glas steht das Bier tiefschwarz und blickdicht, gekrönt von kräftig beigefarbenem und, wenn man bedenkt, dass es 12,5% Alkoholgehalt hat und Alkohol die Schaumstabilität nicht gerade fördert, durchaus üppigem Schaum. Er hält allerdings nicht allzu lange und zerfällt nach ein, zwei Minuten so weit, bis nur noch feine Reste am Rande des Flüssigkeitsspiegels erhalten bleiben. Ich schnuppere und spüre Noten von Weinbrand, Vanille, Holz, vielleicht ein wenig Whisky im Hintergrund, aber was ich vermisse, sind Röstnoten und Schokolade- und Kakaoaromen, wie sie in einem Stout durchaus vorkommen könnten. Gleichwohl: Ein wunderbarer Duft. Der Antrunk ist weich, voll, süßlich und bringt Wein- und Cognac-Aromen in den Vordergrund. Retronasal kommen ein paar Pflaumen und etwas dunkles Dörrobst hinzu, feine Vanille- und Holznoten garnieren diesen „Rumtopf“ spielerisch. Erst nach dem Schluck zeigen sich zum ersten Mal die typischen Stout-Aromen, ein bisschen Kakao, etwas Bitterschokolade, ein wenig Mokka. Ganz dezent nur, als fürchteten sie sich, den verschiedenen Destillaten, mit denen die Holzfässer, in denen das Bier gelagert und ausgebaut wurde, belegt waren, die Schau zu stehlen. Aber gerade dadurch bringen sie den Gesamteindruck zu höchster Harmonie. Große Trinkempfehlung!


Bier Nummer 3 – Vinum

Bier Nummer 3 – Vinum

Eine dezent rotbraune Farbe, eine deutliche Trübung und relativ wenig Schaum – optisch macht das 13,5%ige Bier jetzt nicht viel her. Aber dafür überzeugen Geruch und Geschmack umso mehr. Ein voller und runder, leicht an Whisky und Vanille erinnernder Duft mit schwach holzigen Noten begeistert schon vor dem ersten Schluck. Es folgt eine gewaltige, malzige und leicht alkoholische Süße auf der Zunge mit Noten von roten Beeren, Rumtopf, etwas Karamell, und erst nach dem Schluck kommen wieder ein paar Whiskyaromen zum Vorschein, die sich beim Ausatmen durch die Nase (retronasal) manifestieren, aber immer auch von der malzigen und sehr fruchtigen Grundcharakteristik dieses Biers begleitet werden. Während draußen vor der Tür dicke Schneeflocken fallen, obwohl wie bereits Mitte April haben, wärmt dieses Bier von innen – jeder Schluck lässt sich genussvoll nachverfolgen, wie er samtig weich und alkoholisch wärmend die Speiseröhre hinunterrinnt.


Bier Nummer 4 – Imperial Stout

Bier Nummer 4 – Imperial Stout

Leicht ölig fließt das Bier ins Glas. Pechschwarz ist es, absolut blickdicht. Selbst das vor die untergehende Sonne Halten lässt keinen Lichtstrahl passieren. Eine ordentliche Schaumkrone, deutlich beigefarben und schon fast ins Hellbraune tendierend, steht darüber und zeigt sich erstaunlich lange haltbar. Ein erstes Schnuppern – deutliche Holznoten. Dahinter Bitterschokolade, Kakao und ein bisschen Mokka. Sehr vielversprechend. Dann der erste Schluck. Auf der Zungenspitze ein bisschen Süße, dann rinnt das Bier zähflüssig weiter, schäumt ein bisschen auf und benetzt die ganze Zunge und den Gaumen. Eine deutliche Bittere macht sich breit, aber eine, die mit der Süße hervorragend harmoniert. Dunkelste Herrenschokolade macht einen ähnlichen Eindruck. Den Rachen hinunter macht die Bittere sich breit, begleitet von einer leichten alkoholischen Wärme, die lang anhält. Retronasal steigen Vanille- und Holznoten auf, ein bisschen beißt der Alkohol in der Nase, und bittere Kakaobohnen glaube ich auch, zu spüren. Ein sehr forderndes, aber gleichzeitig auch wunderbar komplexes Bier. 11,0% Alkohol, 70 IBU – das sind schon heftige Werte. Werte, die hier aber sehr passend eingebunden und aufeinander abgestimmt sind.


Bier Nummer 5 – Cupam

Bier Nummer 5 – Cupam

Sachte und ein wenig viskos fließt das fast schwarze und fast blickdichte Bier ins Glas und erzeugt einen kremigen, hellbraunen Schaum, der ein Weilchen hält, bevor er dann ganz sanft in sich zusammensinkt und nur noch bräunliche Schaumreste hinterlässt, die sich aber beim Trinken gerne auch noch am Glasrand sammeln. Die Nase meldet schon beim Einschenken intensive Whisky-Aromen – die Reifung im Rye Whiskey Barrel ist deutlich spürbar. Aber hinter diesen dominierenden Aromen verbergen sich noch Bitterschokolade und leichte Röstnoten und machen schon das Geruchserlebnis ungeheuer komplex. Viskos fließt das Bier dann aus dem Glas auf die Zunge. Eine spürbare, kremige Süße, ein Hauch Säure und viel, viel Kakaobittere und Mokkaschokolade, gekrönt von zarten Vanilletupfern. Zunge und Gaumen und retronasal auch die Nase haben viel zu schmecken, zu riechen und, ja, auch zu spüren, denn die 14,0% Alkohol produzieren auch eine deutliche alkoholische Wärme, die im Mund leicht, nach dem Schluck im Hals aber sehr deutlich zu spüren ist. Sachte rinnt das Bier die Speiseröhre hinunter, und anhand der Wärmewirkung kann ich wunderbar spüren, wie weit es schon gekommen ist. Eine äußerst komplexe und gleichzeitig herrlich harmonische Komposition von Whisky- und Stout-Aromen. Großes sensorisches Kino!


Bier Nummer 6 – Byeast

Bier Nummer 6 – Byeast

Kupferfarben, nur ganz leicht opak und ohne jeden Schaum, ohne jede Spundung steht dieses 7,0%ige Bier im Glas. Ein Harvest Ale soll es sein, das mit wilden Hefen vergoren ist und zwölf Monate im Fass reifte. Die Nase erschnuppert eine feine, weiche und balsamicoartige Säure, hinter der sich ledrige, etwas schweißige Aromen verbergen. Der Antrunk überrascht durch eine erstaunlich kräftige, wenn auch runde und weiche Säure. Weinige Noten, grüne Stachelbeeren, Holz, Vanille und etwas Leder identifiziere ich, vorrangig beim Ausatmen, also retronasal. Der Schluck ist kremig und weich, aber die zurückbleibende Säure lässt den Speichel fließen und klingt nur ganz sachte ab. Ein forderndes und komplexes Bier mit ganz eigenem Charakter, das mich an die besseren der belgischen Lambiks erinnert.


Sechs sehr spannende und interessante Biere. Keines davon mit hoher Durchtrinkbarkeit, sondern alle nur dafür gedacht, in kleinen Schlucken mit Bedacht und Muße genossen zu werden. Kleine Flaschen nur mit 0,33 l, und dennoch genug, um sich mit jeder von ihnen einen ganzen Abend zu beschäftigen. Und genau das, das sich seinen ganzen Abend mit nur einer Flasche beschäftigen, sollte selbst die Pfennigfuchser von ihrem hohen Geiz-ist-Geil-Ross herunterholen können, auf dass auch sie sich einmal etwas wirklich Besonderes gönnen.

Lemkes Barrel-Edition
Brauerei Lemke Berlin GmbH
Rochstraße 6a
10 178 Berlin
Berlin
Deutschland

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