Mittlerweile ist der Mauerfall über 30 Jahre her, und wir haben fast schon vergessen, wie neu und exotisch für uns Wessis alles war, was wir ab 1989 hinter dem ehemaligen Eisernen Vorhang haben erkunden können.
Auch die Bierszene war seinerzeit völliges Neuland. Natürlich, ab und an kam man auch als Wessi mal in den Genuss eines Radeberger Biers, eines Wernesgrüners oder eines Hasseröders. Aber das war selten. Vielleicht mal an Bord eines Flugzeugs oder während eines Urlaubs in Ungarn. Heute ist Radeberger keine Ostmarke mehr, sondern die größte Braugruppe Deutschlands mit Sitz in … nein, nicht mehr Radeberg, sondern Frankfurt. Und zwar am Main, nicht an der Oder.
Wie in vielen anderen Wirtschaftszweigen auch, fand nach der Wende eine Auslese statt, ein Brauereisterben. Marode, nur durch staatliche Unterstützung am Leben gehaltene Produktionsstätten wurden geschlossen, andere übernommen und im besten Fall modernisiert, im schlechtesten gefleddert. Oftmals irgendwo dazwischen.
Bierstile, die im Westen fast unbekannt waren, im Osten aber noch Tradition hatten, drohten von der Landkarte zu verschwinden: Gose, Schwarzbier (nur echt, wenn mit Zuckerkulör gefärbt und mit kräftiger Restsüße), Porter (gerne auch mit Fruchtzusatz, denn im Osten galt bis zur Wende das sogenannte „Reinheitsgebot“ nicht) oder Doppel-Caramel.
Alles schüttelte sich neu, und fünfzehn Jahre nach dem Mauerfall war es eine gute Zeit, eine Bestandsaufnahme zu machen und ein Buch über die Biere des Ostens zu schreiben: „Gose, Schwarzes, Kombinate – Die Biere des Ostens“
Edda Gutsche
Gose, Schwarzes, Kombinate – Die Biere des Ostens
Zu diesem Zeitpunkt waren viele regionale Braustätten neu entstanden oder nach Privatisierung wieder in Betrieb genommen worden. Braugasthäuser wurden eröffnet, vorwiegend in den neuen Touristenzentren, und teilweise erbitterte Rechtsstreite waren ausgefochten worden, um die nicht dem sogenannten „Reinheitsgebot“ entsprechenden Biere weiter brauen zu dürfen. So beispielsweise die Gose in Leipzig, der Koriandersamen und Salz hinzugefügt wird, oder den Schwarzen Abt der Klosterbrauerei Neuzelle, die ihn unter Zugabe von Zucker braut. Das Köstritzer Schwarzbier ist leider angepasst worden und ist nun ein schlankes, trockenes Bier, das mit dem, was vor der Wende produziert wurde, nur die Farbe und den Namen gemein hat.
Mittlerweile, also weitere siebzehn Jahre später, sieht die Brauereiszene im Osten Deutschlands schon wieder ganz anders aus, und so ist es ein nostalgischer Genuss, in dem Buch zu blättern, auf die Landkarten zu blicken und dann eine gedankliche Reise in die jüngere Vergangenheit zu machen.
rote Punkte in den Landkarten verweisen auf Orte mit Brauereien
Die Landkarten zeigen in der vorderen Innenseite des Buchs die nördlichen, in der hinteren die südlichen Bundesländer, und rote Punkte kennzeichnen die Orte mit Brauereien. Im Textteil werden die Bundesländer von Nord nach Süd abgearbeitet, und innerhalb des jeweiligen Bundeslands die Orte alphabetisch sortiert. Es beginnt also mit Ahlbeck und dem Hotel Seestern in Mecklenburg und endet mit dem Brauereigasthof Zwönitz im sächsischen Zwönitz.
Zu jeder Brauerei werden Adresse und Kontaktdaten angegeben, gefolgt von einer Liste der dort produzierten Biere und dem Jahresausstoß (sofern bekannt). Ein kurzer Textteil beschreibt die jeweilige Brauerei mit Anekdoten, Geschichte oder individuellen Besonderheiten und gibt Auskunft darüber, ob eine Brauereibesichtigung möglich ist.
Manchmal werden diese Angaben noch ergänzt durch Hinweise zur Anfahrt und auf Sehenswertes in der unmittelbaren Umgebung und, natürlich, durch „Sonstiges“ – was immer es im Kontext der gegebenen Brauerei noch zu berichten gibt.
keine Bilder
Gut gemacht, übersichtlich aufgebaut, aber: Keine Bilder. Abgesehen von der Umschlaggestaltung und ein paar Werbeanzeigen zu Beginn des Buchs finden sich weder Bilder noch Illustrationen – es geht ausschließlich um die textliche Informationsvermittlung.
Ein Buch zum gezielten Nachschlagen also, wenn man im Osten unterwegs ist (beziehungsweise war, denn nach siebzehn Jahren ist vieles nicht mehr aktuell). Aber keines, um genüsslich an einem Winterabend darin zu blättern und sich gedanklich auf eine Reise zu begeben.
Edda Gutsche
Gose, Schwarzes, Kombinate – Die Biere des Ostens
L&H Verlag GmbH
Hamburg, 2004
ISBN 3-928119-84-2
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