„Zeitgenössische Musik des ausgehenden 20. Jahrhunderts und die organoleptische Bewertung von Gärungsprodukten der Saccharomyces cerevisiae“, antworte ich manchmal auf die Frage nach meinen Hobbies. Mit anderen, einfacheren Worten: „Hardrock und Bier.“
Wobei: Es muss nicht unbedingt immer Hardrock sein. Es gab in den siebziger und frühen achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts eine Menge guter Rockmusik, und seinerzeit konnte man die gängigen Radiosender auch noch einfach so anschalten, ohne Gefahr zu laufen, das Ohrenkrebsrisiko ins Inakzeptable zu steigern. Synthesizer und andere elektronische Tricks gab es zwar schon, aber sie wurden behutsam und kreativ eingesetzt. Handwerklich, gewissermaßen.
Craft Bier und Craft Rock, also?
Ja, irgendwie schon.
Phono Craftbeer Bar
Genau diese Kombination habe ich in Karlsruhe gefunden, nämlich in der Phono Craftbeer Bar. Aus den Lautsprechern schallt zeitlose Rockmusik, handwerklich gut gemacht, abwechslungsreich und nicht nur auf einen einzigen Stil festgelegt. Und aus den Zapfhähnen und Bierdosen fließt internationale Braukunst, ebenfalls handwerklich gut gemacht, abwechslungsreich und in zahlreichen Stilen.
Ich checke mich schnell mit der App ein, und dann darf ich an einem der Tische im Übergangsbereich zwischen drinnen und draußen Platz nehmen. Drinnen die gemütlich eingerichtete Bar, mit Deko-Elementen, die immer wieder an Musik erinnern – seien es alte Schallplatten, Cover, Instrumente oder T-Shirts. Dazu ebenso omnipräsente Anspielungen ans Bier. Bierdosen, Emailleschilder, Biergläser, Zeitungsausschnitte, Kreidetafeln mit Bierlisten und -angeboten.
Blick auf die Theke
Direkt neben der Theke mit ihren Zapfhähnen steht ein großer Kühlschrank mit quietschbunten Bierdosen. „Keine Selbstbedienung!“, warnt ein handschriftlicher Zettel, aber sich die Nase an der Glasscheibe des Kühlschranks plattdrücken, das darf man. So spähe ich geduldig den Inhalt aus und entschließe mich nach reiflicher Überlegung für ein Hafer Kater, einem Double India Pale Ale des Projekts Gorilla Cervecería Berlin. Gorilla, das sind zwei Brüder aus Argentinien, die 2008 in Buenos Aires mit dem Hobbybrauen begonnen haben, später eine eigene kommerzielle Brauerei gründeten und seit 2020 trotz Pandemie einen Fuß in den europäischen Markt bekommen wollen. Ihre Biere brauen sie bei BrewDog in Berlin.
Gorilla Cervecería Berlin – Hafer Kater – Double IPA (7,7%)
Mir schmeckt das Hafer Kater, auch wenn es mit 7,7% für ein Spätnachmittagsbier recht stark ist. Die fruchtigen Hopfennoten sind schön ausgeprägt und harmonieren mit dem kräftigen Malzkörper. Gelungen!
Ich genieße das Bier und lausche der Musik. Laue Luft weht durch die offene Front, die leisen Gespräche aus dem kleinen Biergärtchen verhallen hinter dem nächsten Gitarrenriff. Schön hier.
Eigentlich wollte ich ja nur auf ein Bier vorbeischauen, aber jetzt ist es gerade so nett. Ich gehe noch einmal zum Kühlschrank und wähle nun das High Riser von Unverhopft, ein Single Hop Pale Lager, nur mit Mosaic-Hopfen gebraut. Unverhopft sind ebenfalls Wanderbrauer aus Berlin, die seit 2016 immer wieder neue und oft auch experimentelle Rezepte brauen (lassen).
Unverhopft – High Riser – Single Hop Pale Lager – Hopped with Mosaic (5,0%)
Nach dem starken Hafer Kater wirkt das High Riser mit seinen 5,0% etwas dünn, aber die mosaictypischen Aromen kommen im Bier trotzdem sehr deutlich heraus.
So genieße ich weiter, höre weiter die Musik aus meiner Jugendzeit und träume mich vier Jahrzehnte zurück. Wenn es solche Biere doch nur damals schon gegeben hätte … Stattdessen habe ich meine Studentenzeit mit wahllosem Volumentrinken verbracht. Ob den Studenten von heute bewusst ist, welchen bierigen Luxus sie genießen? Ach, hätte ich diesen Luxus doch damals schon gehabt!
„Jetzt habe ich ihn, und jetzt genieße ich ihn auch“, denke ich mir und bestelle mir ein drittes Bier. Fort mit den guten Vorsätzen, die zur Zurückhaltung mahnen. Hier und jetzt ist es gerade sehr schön, und jetzt wird genossen. Das Hopfenstopfer Citra Ale ist es, was – jetzt vom Fass – in mein Glas kommt. 5,1% hat es, ist also auch nicht stark, aber Thomas Wachno, der hinter der Marke Hopfenstopfer steht und in der sonst ganz traditionellen Häffner-Brauerei ganz vorzügliche Biere braut, hat auch hier wieder gezeigt, was er kann. Wunderbare Hopfenaromen, nicht zu stark, nicht zu schwach, schön ausbalanciert und sowohl der Nase wie auch der Zunge schmeichelnd.
Hopfenstopfer – Citra Ale (5,1%)
Wer auch immer heute Nachmittag und Abend in der Phono Craftbeer Bar für die Playlist verantwortlich ist – er oder sie leistet ganze Arbeit. Als wäre ich vorher gefragt worden, was ich denn hören möchte …
So bin ich denn tiefenentspannt und zufrieden, als ich mich endlich auf den Weg zurück zur S-Bahn mache. Es hätte besser kaum sein können, außer dass ich morgen wieder arbeiten muss …
Die Phono Craftbeer Bar ist täglich ab 17:00 Uhr geöffnet; sonnabends erst ab 19:00 Uhr. Sonntags ist zu. Von der Haltestelle Durlacher Tor, an der zahlreiche Busse, Stadt- und Straßenbahnen halten, ist sie nur 100 m entfernt. ÖPNV rulez!
Phono Craftbeer Bar
Karl Wilhelm Straße 6
76 131 Karlsruhe
Baden-Württemberg
Deutschland
Hinterlasse jetzt einen Kommentar