Vor über dreißig Jahren (1990) ist Hansens Brauerei in Flensburg am Nordermarkt gegründet worden. Eine klassische Gasthausbrauerei in Deutschlands Norden. Gasthausbrauereien waren seinerzeit „in“. Wer als Gastwirt etwas auf sich hielt, installierte kupferne Sudkessel in seinem Gastraum und braute fortan Helles, Dunkles und Weizen – die klassisch deutsche Dreifaltigkeit.
Waren das damals schon erste Anfänge zu einer neuen Bierkultur? Weg vom mitteleuropäischen Einheitspilsner? In gewisser Weise ja, wenn auch nur in Form vorsichtiger und kleiner Schritte.
Viele Gasthausbrauereien sind aus dieser Phase nie herausgewachsen; manche haben gar ob mangelnder Hygiene einen eigenen „Hausgeschmack“ entwickelt, und so bin ich bis heute immer sehr zurückhaltend, wenn ich eine Gasthausbrauerei betrete.
Hansens Brauerei – Außenansicht
Bei Hansens Brauerei, die im Sommer 2000 an die Schiffbrücke 16 umgezogen ist und sich Deutschlands nördlichste Gasthausbrauerei nennt, ist diese Zurückhaltung allerdings gar nicht nötig, stelle ich rasch fest.
Wir haben unseren Wagen auf der anderen Seite der Straße direkt am Wasser abgestellt und laufen direkt auf Hansens Brauerei zu. Die weiß geschlämmte Front des alten Gebäudes leuchtet, und an der linken Seite sehen wir überlebensgroß die zwei Männer und den grünen Schriftzug, die gemeinsam das Logo der Brauerei bilden. Die Tische vor dem Gebäude sind in der noch warmen Oktobersonne gut besetzt. Auf den ersten Blick sehen wir keinen freien Platz, gehen also stracks in den Schankraum hinein.
Geradeaus sehen wir die Kupferkessel des Sudwerks. Die dunkelgrün gestrichenen Sockel und das ebenso dunkelgrün gestrichene Geländer davor verleihen ihm ein irgendwie britisches Flair. Links neben dem Sudwerk erkennen wir hinter einer Panoramascheibe die offenen Gärbottiche – so wie es aussieht, sind die heute aber alle leer.
Blick ins Sudhaus
Die freundliche Bedienung weist uns nach kurzem Blick auf unser Impfzertifikat einen schönen Tisch am Fenster zu, und neugierig öffne ich die Speisekarte. Drei Biere werden angeboten, und ich glaube schon fast, auswendig herunterbeten zu können: Hell, Dunkel, Weizen. Aber ich irre mich. Hell (Pilsener) und Dunkel (Schwarzbier) stimmt zwar, aber statt des vermuteten Weizens gibt es in Hansens Brauerei ein über das Jahr wechselndes Saisonbier, zur Zeit ein Herbstbier.
Ich fange mit dem Pilsener an und bin zufrieden. Schön herb ist es – man merkt, dass wir in Norddeutschland sind. Kräftige Bittere im Pilsener ist hier ein Qualitätsmerkmal. Schön! Und kein Hausgeschmack!
Das Essen dazu ist vorzüglich. Bismarckhering, Matjes und Lachs, dazu Bratkartoffeln und Salat, alles nett angerichtet. Mir gefällt’s. Meine holde Ehefrau möchte eher etwas Kleines essen und bestellt sich zwei Frikadellen. Dass die mit einem großen Berg Rotkohl und Bratkartoffeln kommen, hat sie nicht bedacht und schaut entgeistert auf den großen Teller. Aber es schmeckt auch ihr, und so bleibt von dieser Portion dann doch nichts übrig.
Pilsener, Fisch mit Bratkartoffeln, Herbstbier
„Magst Du jetzt einen Kaffee, oder probierst Du noch ein Bier?“, stellt sie mir eine wohl eher rhetorisch gemeinte Frage. Natürlich verkoste ich noch das Herbstbier!
Deutlich dunkler als das naturtrübe Pils, nicht ganz so herb und kräftig malzig. Fehlerfrei. Ich bin zufrieden. Zwei gute Biere, gutes Essen, faire Preise, und die Bedienung war auch sehr freundlich, aufmerksam und schnell.
Ein schöner Kurzbesuch!
Hansens Brauerei ist täglich ab 12:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Vom Bahnhof Flensburg aus ist es ein etwas längere Spaziergang in Richtung Norden; mit dem Stadtbus kommt man aber bis in unmittelbare Nähe. Wer mit dem Auto kommt, kann auf der gegenüberliegenden Straßenseite direkt am Wasser parken (kostenpflichtig).
Hansens Brauerei
Schiffbrücke 16
24 939 Flensburg
Schleswig-Holstein
Deutschland
Ist es ein Naturgesetz, daß die Bierpreis im Norden so hoch sind? Selbst in einem Touristenhotspot wie Oberstdorf oder München am Marienplatz zahlt man weniger
Also, ich finde die Bierpreise im Norden nicht zu hoch. Eher sind die im Süden zu niedrig. Wenn ich sehe, welches Maß an Selbstausbeutung der Familie notwendig ist, um in Franken eine Regionalbrauerei wirtschaftlich zu betreiben, dann frage ich mich, wie lange das noch gut gehen soll.
Für den Kunden oder Gast ist es auf lange Sicht auch besser: Lieber ein gutes Bier für etwas mehr Geld als ein schlechtes für wenig Geld (Supermarktprinzip) oder lieber ein teures Bier, bei dem ich das Gefühl habe, die Brauerei zu unterstützen, als ein billiges, bei dem ich Sorge habe, die Brauerei auszubeuten.
Mit bestem Gruß,
VQ