Nicht nur, aber vor allem, in Tschechien ist es in den letzten Jahren üblich geworden, in ausgewählten Gastronomien sogenanntes Tankbier auszuschenken. In den Gaststätten fest installierte Tanks werden durch von der Brauerei betriebene Zisternenfahrzeuge befüllt, und aus den Tanks wird das Bier direkt an die Kunden ausgeschenkt.
Die Vorteile sind eine geschlossene, von der Brauerei kontrollierte Kühlkette vom Entstehungsort bis zur Gaststätte, eine ebenso kontrollierte Hygiene, kein ineffizientes Abfüllen auf KEGs, keine Fässer, die in der Weltgeschichte herumreisen und nur spät, manchmal nie wieder zur Brauerei zurückkommen, und angeblich eine noch geringere Sauerstoffexposition, die – ebenso wie die größeren Volumina der Tanks –im Vergleich zu den Fässern eine bessere Stabilität des Biers gewährleisten soll.
die Tanks werden pfiffig in Szene gesetzt
Natürlich machen sich die Tanks, wenn sie pfiffig in Szene gesetzt werden, auch optisch ganz toll. Nachteil ist allerdings: Sie rechnen sich nur bei einem recht großen Grundumsatz des aus dem Tank angebotenen Biers – und das war während der Pandemie oft sehr schwierig.
Die Brauerei Pilsner Urquell war wohl in Tschechien Vorreiter des Tankbiers, andere, wie Starobrno, Staropramen oder Radegast folgten rasch – vorzugsweise in Gaststätten und Restaurants, die auch unter dem Label der jeweiligen Brauerei betrieben werden.
Die Radegastovna Pirát im südmährischen Vyškov ist so ein Lokal. Ein brauereigebundenes Restaurant mit Radegast-Tankbier. Schon der Name – Radegastovna – deutet die Brauereibindung an, im Deutschen würde das wohl Radegasterei heißen.
Ein kleiner, gemütlich illuminierter Freisitz in der winzigen Fußgängerzone des Städtchens begrüßt uns, dahinter sehen wir schon durch die großen Fenster den Restaurantbereich und zentral, gleich hinter der Theke, die in der Tat schön in Szene gesetzten Ausschanktanks.
Wir suchen uns ein schönes Plätzchen, und gleich bestelle ich mir das Tankbier, das zwölfgrädige Ryze Hořká 12°. Wie überall in Tschechien ist die Stammwürze das für die Gäste entscheidende Merkmal – der Alkoholgehalt (in diesem Fall 5,1%) interessiert die Biergenießer meistens gar nicht. Für die Autofahrer sind angesichts der 0,0‰-Grenze auch Leichtbiere schon zu viel, also trinkt man sich nicht an eine Grenze heran, sondern genießt ausschließlich nach Geschmack.
Das Bier hat einen schönen, feinporigen und kremigen Schaum, duftet fein nach klassischen Hopfen, ein bisschen kräuterig und etwas grasig, hat aber auch eine ordentliche Malznote. Geschmacklich wirkt es aber ein wenig dünn. Das sollen 12° sein? Dafür wirkt es mir fast schon ein wenig zu glatt, zu wässrig. Es hat keine Geschmacksfehler, aber es ist schon sehr „rundgelutscht“.
Blick in die Küche
Das Essen, das wir dazu genießen und das in der offen einsehbaren Küche vor aller Augen zubereitet wird, ist deutlich besser als dieses erste Bier. Klassische tschechische Gerichte wie zum Beispiel der Lendenbraten in sahniger Bratensoße – Svíčková – stehen gleichberechtigt neben Burgern und ähnlichem.
Die Atmosphäre ist angenehm, lediglich die etwas zu laute Musik nervt ein wenig. Immerhin ist es mit Schwerpunkten auf der guten, alten Rockmusik der 70er stilistisch in Ordnung.
Auf dem Tisch steht ein Werbeaufsteller aus Pappe. Ebenso wie das Tankbier ist beim Pilsner Urquell-Konzern, zu dem die Brauerei Radegast ja gehört (Pilsner Urquell wiederum gehört zu Asahi), auch das Monatsbier Volba Sládků (Brewer’s Choice, des Brauers Wahl) Teil des Marketingkonzepts, und derzeit wird gerade das Ratar 11° angeboten. Zwar nicht vom Tank, sondern „nur“ vom Fass, dafür aber als besondere, in diesem Kalendermonat besonders beworbene Spezialität.
Laut Eigenwerbung ist dieses Bier das bitterste, das Radegast je hergestellt hat: 50 IBU: „Der volle Geschmack mit kräftiger Bitterkeit (50 IBU), dank des hochwertigen Polaris-Hopfens, macht die Erfrischung von Ratar zu einem absolut außergewöhnlichen Erlebnis. Ratar ist das bitterste Radegast aller Zeiten! Der Name des Bieres wurde vom Stamm der Ratar inspiriert, dessen höchster Gott Radegast war.“, lautet die Google-Übersetzung der Radegast-Werbung. Das Bitterste. Das will was heißen – wirbt die Brauerei Radegast doch mit dem Spruch: „Život je hořký. Bohudík.“ – „Das Leben ist bitter. Zum Glück.“
Die frischen Noten des Polaris-Hopfens sind in der Tat deutlich zu spüren, und auch bezüglich der Hopfenbittere enthält die Werbung keine falschen Versprechungen. Kernig und sehr bitter, dabei aber nicht aggressiv, sondern schön rund in die Malzmatrix eingebettet, präsentiert sich dieses Bier, und auch wenn der Schaum ein kleines bisschen gröber, großporiger ist als beim Ryze Hořká, stimmt doch sonst alles. Perfekter Trinkgenuss, und das bei nur 4,3% Alkohol. Ein echtes Fünf-Sterne-Bier!
Ryze Hořká 12° und Ratar 11°
So rundet das Ratar den heutigen Abend ab und lässt uns hochzufrieden zurück ins Hotel gehen. Gutes Essen, ein solides und ein ganz außerordentlich gutes Bier, das ganze in ansprechender Atmosphäre – das ist sehr in Ordnung!
Die Radegastovna Pirát ist täglich ab 10:30 Uhr, sonnabends und sonntags „erst“ ab 11:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Sie befindet sich am Südrand des Stadtzentrums; ein großer gebührenpflichtiger Parkplatz befindet sich 50 m weiter.
Radegastovna Pirát
Dobrovského 1
682 01 Vyškov
Tschechien
Tankbier gibt es z.B. auch in der Stadtwirtschaft im sächsischen Freiberg: https://www.instagram.com/p/CZuPnnmKJis/
Die Stadt und die „StaWi“ sind übrigens nicht nur wegen der tollen (böhmischen) Bierauswahl immer einen Besuch wert!
Hallo, Daniel,
ja, das stimmt. Es ist vor allem die Pilsner Urquell Brauerei, die das mit dem Tankbier vorantreibt (so ja auch in Freiberg). In Tschechien ist dies allerdings schon deutlich weiter fortgeschritten.
Sollte ich mal in der Nähe sein, dann kehre ich gerne in Freiberg in der Stadtwirtschaft ein – das hört sich interessant an.
Mit bestem Gruß,
VQ