Individualflaschen
(Leseprobe)

Reklame?*

In den Fachmedien kann man verfolgen, wie die deutsche Brauwirtschaft versucht, das Mehrwegsystem bei den Bierflaschen zu retten.

Ich werde mich hüten, zu bewerten, welches der beiden Systeme, das der Gesellschaft für Mehrwegmanagement (Gemema) oder das der Genossenschaft MPB Mehrwegpool der Brauwirtschaft (MPB), erfolgversprechender ist. Aber eins weiß ich: Mir persönlich wäre es am liebsten, wenn es pro Flaschengröße nur noch zwei Muster gäbe – eines mit Kronkorken und eines mit Bügelverschluss. Was würde es mir Probleme ersparen, wenn ich das Sammelsurium an Leergut im Getränkemarkt abgeben möchte und mal wieder zahlreiche Individualflaschen übrig bleiben, für die es sich – auch aus Umweltgründen – nicht lohnt, noch ewig durch die Gegend zu kutschieren, um auch diese Sondermodelle irgendwo noch loswerden zu können. Ab damit in den Altglascontainer, heißt es dann schweren Herzens.

Was für ein unnötiger Luxus.

Obwohl … es ist mehr als nur Luxus, denn eigentlich sind die Individualflaschen eine Waffe im Konkurrenzkampf der Brauereien untereinander. Im Bier-Brevier Unser täglich Bier gib uns heute, diesem wunderbaren Buch, in dem Ihr für jeden Tag des Jahres einen neuen Text, ein Gedicht, einen Aphorismus, eine Parabel oder eine Persiflage zum Thema Bier findet, habe ich dazu einen kleinen Text veröffentlicht, und zwar datiert auf den 8. April:

unser täglich Bier gib uns heute


Individualflaschen

Sanft streicht der Marketingchef mit seinem Zeigefinger über die reliefartig eingeprägten Buchstaben: Kromsteiner. „Mit dieser Individualflasche werden wir den Markt aufrollen“, sagt er und blickt in die Runde.

„Individualflasche, soso! Die kriegt man dann in keinem Getränkemarkt mehr los“, erwidere ich.

„Oh, doch! Selbstverständlich. Wir fluten den Markt damit!“

„Und mit Fehlwürfen dieser Flaschen die Kästen der anderen Brauereien?“, frage ich.

„Das verursacht Kosten bei denen, nicht bei uns!“

„Und wenn die Flaschen dann nicht zu uns zurückkehren?“ Ich bin nicht überzeugt.

„Ach, acht Cent Pfand, nochmal acht Cent an Produktionskosten. Wir federn das ab, und der Kunde wirft die Flasche in den Container.“

„Und die Umwelt? Mehrwegflaschen in den Container?“ fasse ich nach.

„Pfff, unsere Mehrwegflaschen laufen sowieso nur fünf bis acht Mal um. Dann kriegen sie diese hässlichen Reibränder – weg damit!“

„Weg damit?“ Ich bin entsetzt.

„Ja, natürlich! Was glauben denn Sie, was der Kunde sagt, wenn unser gutes Kromsteiner in zerkratzten Flaschen daherkommt?“

„Vermutlich, dass die Brauerei sich im Umweltschutz engagiert?“, frage ich unschuldig.

„Ach was, Umweltschutz. Den decken wir doch zur Genüge durch unsere Werbekampagne ab. Glasklares Gebirgswasser, unberührte Seen, und ab und zu fliegt ein hübscher, aber seltener Vogel durch das Bild!“

„Und was ist mit dem Geschmack des Biers, des eigentlichen Produkts? Wir unterhalten uns die ganze Zeit nur über eine die Umwelt und das Pfandsystem belastende Individualflasche!“ Ich werde etwas ungehalten.

„Der Geschmack des Biers? Ich bitte Sie, darum geht es im Marketing doch überhaupt nicht. Sagen Sie mal, verstehen Sie eigentlich irgendwas vom Bier?“

Nein, denke ich im Stillen. Wenn es mir bei meinem Lieblingsgetränk um den Geschmack geht, dann wohl eher nicht …

Individualflaschen


unser täglich Bier gib uns heute

Mehr über dieses wunderbare Buch, aus dem dieser Text stammt, hier und unter den Hashtags #bierbrevier und #unsertaeglichbiergibunsheute in den Social Media.

E.I. und Freunde: Unser täglich Bier gib uns heute
tredition GmbH
Hamburg, 2020
ISBN Paperback: 978-3-347-13125-5
ISBN Hardcover: 978-3-347-13126-2
ISBN E-Book: 978-3-347-13127-9

* Reklame? Es gibt immer wieder Diskussionen, ob die Rezension von Büchern Reklame sei. Im Zweifelsfall sollte ein Blogbeitrag daher entsprechend gekennzeichnet werden. Nun, in diesem Fall ist die Frage leicht zu beantworten:

Reklame? Ja!

11 Kommentare

    • Hallo, Ludger,

      Kommentare mit mehr als einem Link und nur recht wenig Text wandern erstmal in den Spam-Ordner – ich habe den jetzt manuell freigeschaltet. Habe gesehen, dass Du das heute morgen zwei Mal versucht hast, abzuschicken, aber nicht durch kamst.

      Mit bestem Gruß,

      VQ

  1. Bei der Gemema bin ich ein bisschen skeptisch. Drei Mitglieder (Bit, Krom, Radebgr) haben auf die 0,5l Individualflasche gesetzt. Und wollen im Pool jetzt erstmal nur eine einheitliche 0,33-Flasche organisieren. Ich bin gespannt, wer zuerst der I-Flasche adieu sagt; das wird aber wohl noch dauern, sie haben schließlich viel Geld investiert. Und keine müde Mark mehr Umsatz gemacht, was ja immer das (unausgesprochene) Ziel war. (Schicke Flasche => Mehrwert => WTP => Profit = Pustekuchen)
    Außerdem läuft bei der Gemema die Entscheidung bei der 0,5l-Flasche wohl auch auf die Longneckflasche hinaus, die Warsteiner und Störtebeker schon im Einsatz haben. Aber das wird noch lange dauern.

    Der Start der MBP war auch eher holprig: https://www.inside-getraenke.de/nachrichten/detail/news/mpb-vs-gemema-showdown-in-nrw/
    Ich wage mal die Prognose, dass bei der MBP wohl die Brauereien landen, die NRW- oder Euroflasche einsetzen, und auch die Bügel-Anhänger.

    Aktuell feilen beide an den Konditionen, viele Brauer verhalten sich abwartend, um nicht aufs falsche Pferd zusetzen. Insgesamt kein gelungener Start für eine gute Idee. Außer Störtebeker hat noch keine weitere Brauerei öffentlich gesagt, ob und wo sie mitmacht. Vielleicht sind beide Pools im nächsten Jahr auch schon wieder von der Bildfläche verschwunden.

    Das Argument mit den kürzeren Transportwegen habe ich übrigens nicht verstanden. Die Kästen müssen doch eh zurück nach Bitburg oder Krombach, ob und ggf. welche Flaschen da drin sind, ist doch egal.

    • Hallo, Ludger,

      ja, das ist insgesamt ein sehr komplexes Thema. Allein die Konkurrenz zwischen den beiden neuen Systemen lähmt den Fortschritt nun schon seit einer Weile. Das kommt davon, wenn man auf „Eigenverantwortung“ der Branche setzt. Mal sehen, was sich da noch so alles entwickeln wird.

      Was die Transportwege anbelangt: Natürlich, die Kästen müssen wieder zu „ihrer“ Brauerei zurück. Aber Kästen werden ja sowieso nur dort angenommen, wo das entsprechende Bier im Angebot ist und regelmäßig verkauft wird. Die Individualflaschen sind doch die, die weit reisen und dann nie oder nur mit Riesentransportaufwand wieder zurück kommen. Wenn Du einen halben Kasten von irgendeiner Brauerei aus Süddeutschland hast, deren Bier niemand anders in Berlin führt, dann kannst Du bei Einheitsflaschen einfach auffüllen, bei Individualflaschen nicht. Da steht dann entweder der halbvolle Kasten jahr(zehnt)elang rum, oder er wird halbvoll durch die Gegend kutschiert – leerer Transportraum für nix.

      Mit bestem Gruß,

      VQ

      • Das ist komplex.
        1. Kisten mit Individualflaschen (z.B. Radeberger) fülle ich gern auf mit anderen Flaschen auf, auch die grünen Flaschen müssen ja weg.
        2. Halbvoll steht nix rum (nicht bei mir und auch nicht in Getränkemärkten), halbvoll wird auch nicht transportiert. Ein Paulaner-Kasten kann ja durchaus mit Individualflaschen aufgefüllt werden. Die Kiste mit den Bit-Flaschen landet dann eben in München. Oder umgekehrt, also die Bit-Kiste kommt mit Paulaner-Flaschen aufgefüllt in Bitburg an.
        3. So werden viele unbrauchbare Flaschen durch Deutschland gefahren, aber stets in vollen Kisten.
        4. Bitburger, Krombacher usw. haben die Technik, um falsche Flaschen auszusortieren, bei den Kleinstbrauereien ist das lästige Handarbeit.
        5. Die Euroflasche: Einen Augustiner-Kasten kann ich nicht mit Individual-Flaschen füllen, zumindest nimmt das kein Automat, und Kistenstapeln geht dann erst recht nicht. Brauereien mit Euroflasche haben da einen klaren Vorteil.
        6. Die Fa. Kaufland hat es aus Gründen der „Kundenfreundlichkeit“ so eingerichtet, das ihre Automaten alle 20er-Bierkästen annehmen, auch die von Kleinstbrauereien aus Oberfranken. Ob diese Kisten jemals wieder ans Ziel kommen, ist unklar (Böse sagen: Das wird geschreddert, sammeln und sortieren lohnt nicht. Andere sagen: Das geht unsortiert an die Fachleute, wie z.B. die Fa. Leiter.
        7. Was vielerorts Handarbeit ist, kann man automatisieren: https://www.youtube.com/watch?v=Iqqp3GWvRDY

        • Das stimmt alles und beschreibt die besch… Situation sehr gut.

          In den Punkten 1. bis 3, beantwortest Du ja auch Deine eigene Frage bezüglich der kurzen Transportwege. Derzeit geht eine grüne Individualflasche von der Brauerei X nach Berlin zu Dir. Dann zum Konsumenten und wieder zurück. Dann als Fehlwurf zur Brauerei Y, die sie entweder entsorgt (ganz schlecht) oder aussortiert und zur Brauerei X zurückkarrt (schlecht) oder aussortiert, zum Sortierer bringt, der sie dann zur Brauerei X zurückkarrt (auch schlecht). Die leeren Flaschen reisen kreuz und quer durch die Republik …

          Die Individualkästen machen es nicht besser (wie Du sagst: sie werden oft geschreddert); die individuellen Bügelverschlüsse auch nicht (aber da gibt es mittlerweile mehr und mehr Brauereien, die einen runden Aufkleber drauf machen, anstatt den Bügelverschluss selbst mit dem Logo zu branden).

        • In dem von Dir unter 7 verlinkten Youtube-Clip ist immer wieder die Rede von „Umweltorientierung“. Das ist natürlich auch eine gewisse Irreführung. Umweltfreundlich wäre es erst dann, wenn die ganze Sortiererei aufgrund einheitlicher Flaschen gar nicht mehr nötig wäre …

  2. Beispiel Grüne Flaschen. In meinem Laden verkaufe ich keine grünen Flaschen (also Jever und Becks), muss sie folglich nicht zurücknehmen. Von Stammkunden nehme ich aber – Service – alles Leergut zurück. Die grünen und die Individualflaschen sammle ich getrennt und fahre sie 1 mal im Monat zu Kaufland (so viel ist dann doch nicht)
    Von dort gehen sie dann zur Firma Leiter (o.ä.), werden sortiert und gehen weiter zur Brauerei. Leiter und Co. sortieren vor allem für Edeka, Rewe, Lekkerland, und andere Großkunden mit Leergutautomaten.
    Getränkemärkte wie Fristo oder Göbel sortieren in der Regel selbst. Sie sind nur regional tätig, d. h. haben ein überschaubares Sortiment und sparen, wenn sie es selbst erledigen, selbst wenn sie es manuell machen. Dazu ein Filmchen von Galileo: https://www.youtube.com/watch?v=DoiGuAOkhFc. Hightech wie Leiter können die sich nicht leisten. In diesen Märkten hört der Kunde dann: Die Marke führen wir nicht, die Kiste nehmen wir nicht.
    „Befreundete“ Brauereien tauschen Fehlwürfe aus, sofern Menge und Entfernung das lohnen. Rest wird Altglas.
    Was mich irritiert und was ich nicht beantworten kann: Werden so viele Kisten geschreddert? Auch bei Facebook steht das regelmäßig in den Kommentaren zum Thema Leergut. Ich finde das unplausibel und vermisse Belege.

    • Zum Schreddern kann ich nicht mit Fakten dienen, aber ganz unplausibel finde ich es nicht – die Kästen bestehen aus relativ wenig Kunststoff. Da sowohl Diesel als auch Kunststoff aus Rohöl hergestellt werden, wird möglicherweise mit dem Diesel mehr Rohstoff verschwendet als beim Schreddern der Kiste (die dann ja immer noch stofflich oder thermisch verwendet werden kann, während der Diesel unwiederbringlich verbraucht ist).

      Aber wie gesagt – ich habe keine Fakten dazu. Das ist nur eine logische Ableitung, basierend auf unbestätigten Annahmen.

  3. Unplausibel ist das Schreddern von Bierkisten nicht, die Fa. Herbold macht damit Geschäfte: https://neue-herbold.com/de/mobile-recyclinganlagen/ Aber da werden in der Regel alte, aussortierte Kisten geschreddert, und zu diesem Zweck kommt der mobile Schredder von Herbold bei der Brauerei vorbei. Daß in großem Stil neuwertige Kisten geschreddert werden, glaube ich nicht, bzw. hätte ich gern mal Belege.

    • Ja, schreddern von neuwertigen Kisten (im Sinne von: Noch im Umlauf) in großem Stil – das glaube ich allerdings auch nicht. Neuwertige Kisten bei Design-Änderung zu schreddern, kommt leider häufig vor.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.