Ach, Hannover …
Eigentlich stamme ich ja aus der Gegend, bin gar nicht so weit „von Hannover wech“ geboren. Bin aber seit meinem Abitur nie wieder in diese Region zurückgekommen. Irgendwie schade.
So tun sich dann auch gewaltige Lücken in meiner Bier- und Brauereiexpertise auf, was die niedersächsische Landeshauptstadt und ihre Umgebung anbelangt. Na klar, ab und an verschlägt es mich mal für ein, zwei Tage dorthin, aber das reicht nicht, um immer auf dem aktuellen Stand zu bleiben.
neun feine Biere, vorwiegend aus Norddeutschland
Um so schöner ist es dann, Freunde in Hannover zu haben, die mich mit einem Probierpaket überraschen: Neun Flaschen Bier, ein Zeitungsartikel über die Campus Brauerei in der Nordstadt und ein kleines Büchlein über die Brauereigeschichte in Rodenberg stehen beziehungsweise liegen vor mir. Ist das nicht schön?
Verkostungsnotizen
Hochdorfer Meistersud – India Pale Ale; Liquid Story Brewing – Waiting in the Dark – Hoppy Black Ale; Heavy BREWtal – Reign of Mud – Stout; Calenberger Landbier – Bernstein; Hemminger Biermanufaktur – Hemminger Dunkles; Liquid Story Brewing – All Night Long – Session IPA; Heavy BREWtal – Mosh Pit – Pale Ale; Heavy BREWtal – Kinkeldey 2.0; Calenberger Landbier – Rubin
Hochdorfer Meistersud – India Pale Ale (7,0%)
Hm, gleich die erste Flasche aus diesem Paket ist gar nicht aus dem Hannoveraner Raum. Sie ist noch nicht einmal aus Norddeutschland, sondern stammt aus dem Schwarzwald, aus der Hochdorfer Kronenbrauerei! Wo der gute Herr R. diese Flasche wohl her hat?
Das Etikett liest sich schon mal interessant. „Hallertauer Tradition, Cascade- und wechselnder Spezialhopfen“, heißt es dort unter anderem. Mit anderen Worten: Da würde es sich lohnen, von jedem neuen Sud erneut eine Flasche zu probieren und die „wechselnden Spezialhopfen“ mal gegeneinander zu verkosten. Hier und heute habe ich aber nur diese eine Flasche.
Hellbraun und sehr, sehr trüb steht das Bier im Glas, und ich sehe sogar ein paar Hefeklümpchen umherschwimmen. Dazu der eher mickrige Schaum, das ist nicht wirklich einladend. Schon der Duft versöhnt mich aber wieder mit diesem Bier. Kräftige, würzige, harzige Hopfennoten rieche ich. Kiefernnadeln und Kieferharz, ein bisschen kräftigen Waldhonig und ganz dahinter ein Hauch Pampelmusenschale. Sehr schön, sehr britisch. Keine amerikanische Fruchtbombe. Der Antrunk ist weich, wirkt fast schon viskos-sämig. Auf der Zunge bemerke ich als erstes die kernige Bittere. Sehr kräftig, sehr robust, gleichzeitig aber auch angenehm weich. Retronasal spüre ich dieselben Noten wir im orthonasalen Dufteindruck: Baumharze, Waldhonig und Pampelmusenschale – wobei ich das Gefühl habe, dass der Waldhonig ein wenig intensiver wird. Noch kräftiger wird dieses Honigaroma nach dem Schluck – es beginnt zu dominieren und verweist die Baumharze auf die hinteren Ränge. Gemeinsam mit der kräftigen, durchaus einen längeren Moment anhaltenden Hopfenbittere prägt es den Eindruck dieses Biers nachhaltig. Sehr intensiv – ein echtes Genussbier. Nicht für den großen Schluck. Letzterer wäre allerdings bei einer Flaschengröße von gerade einmal 0,25 l auch völlig fehl am Platze.
Liquid Story Brewing – Waiting in the Dark – Hoppy Black Ale (6,5%)
Mit dem zweiten Bier geht es nun aber tatsächlich nach Niedersachsen in den Großraum Hannover. Nach Braunschweig.
Mit dieser Satzkonstruktion habe ich es mir dann zwar sowohl mit den Hannoveranern als auch den Braunschweigern, die eine gewisse Feindschaft in Hass vereint, verscherzt, aber das kann ich verkraften.
Im BRŁO Craft Zentrum lässt Liquid Story Brewing dieses Bier herstellen – ein Hoppy Black Ale. Ich bin neugierig, was sich dahinter verbirgt – immerhin gibt es ja so merkwürdige Stilbezeichnungen wie Black IPA oder Cascadian Dark Ale, die in eine ähnliche Richtung deuten.
Im Glas steht das Bier ganz, ganz dunkelbraun – nahezu blickdicht. Letzteres liegt aber auch an einer feinen, gleichmäßigen Trübung, die beim Einschenken auffällt. Der üppige Schaum ist deutlich beigefarben und hält ewig lang. Nach jedem Schluck bleiben flockige Trinkränder im Glas hängen. Der Duft ist hopfig und herb-fruchtig. Ein bisschen Pampelmuse, ein bisschen Mandarinenschalen. Dahinter aber auch eine feine Piniennote. Der Antrunk ist überraschend weich, auf der Zunge wird das Bier dann aber rasch kernig bitter. Jetzt werden auch die Mandarinenschalenaromen deutlicher – retronasal dominieren sie den Eindruck sogar. Dahinter reihen sich Röst-, Kakao- und Bitterschokoladenaromen ein; auch ein bisschen Mokka glaube ich, zu erkennen. Der Abgang ist sehr harmonisch – die kräftige Bittere gibt sich zivilisiert, randaliert nicht mit Ecken und Kanten auf der Zunge und im Rachen herum, sondern begleitet das Bier zum unteren Ausgang, bleibt dort ein wenig und wacht über den Schluck, bis auch sie sich dann verabschiedet.
Heavy BREWtal – Reign of Mud – Stout (4,0%)
Wir bleiben in Niedersachsen und gehen nach Lauenau. Heavy BREWtal: Heavy Metal infused Craftbeer seit 2018. Vor mir steht ein erstaunlich alkoholarmes Stout – lediglich vier Prozent! Und mit einem beängstigend knappen Mindesthaltbarkeitsdatum: Morgen um 12:17 Uhr läuft es ab. Also, schnell trinken!
Ein ganz dunkles Rubinrot erfreut das Auge, und nur beim Einschenken kann ich sehen, dass das Bier ganz leicht trüb ist. Der beigefarbene Schaum ist zunächst sehr schön, fällt dann rasch zusammen, aber immerhin bleibt noch so viel übrig, dass es für schöne Trinkränder im Glas reicht. Der Duft ist dezent röstig, leicht Mokkanoten identifiziere ich, nur ein Hauch Kaffee. Ganz leicht säuerlich ist es im Geruch, und im Hintergrund schwebt eine metallische Note mit. Ein frischer, fester Antrunk leitet zu einem kompakten Eindruck auf der Zunge über. Eine deutliche Röstbittere, wenig Restsüße, aber auch wenig retronasale Aromen. Recht unauffällig verhalten sich die Mokkanoten und die metallische Note. Säure ist über die gebundene Kohlensäure hinaus fast nicht zu spüren – der diesbezügliche Eindruck kommt vermutlich vom Röstmalz. Der Schluck ist fast schon schwarzbiertypisch schlank – das kenne ich von anderen Stouts anders. Das geht wohl Hand in Hand mit dem niedrigen Alkoholgehalt, da kann ich keinen Wumms erwarten.
Calenberger Landbier – Bernstein (5,0%)
Aus Wennigsen kommt dieses Bier, und zwar aus der Calenberger Landbrauerei. Irgendwie wundert mich das ein wenig, denn wenn ich mich richtig erinnere, liegt Wennigsen nicht am Hang. Warum das bedeutsam ist? Weil der orangene Streifen auf dem Etikett schräg verläuft und so den Eindruck erweckt, das Etikett sei schief aufgeklebt. Ist es zwar nicht, aber täte ich das Bier am Hang trinken und die Flasche entsprechend schräg hinstellen, sähe es vermutlich ausbalancierter aus …
Das Bier ist ein klassisches Alltagsbier. Gebraut mit Bio-Gerstenmalz, was sich zwar nicht auf den Geschmack auswirkt, aber gut für die Umwelt ist. Dunkelgelb, fast schon so orange wie der Streifen auf dem Etikett ist das Bier, ganz leicht trüb ist es auch, und es trägt einen schönen, feinporigen, weißen Schaum, der recht lange hält und dezente Trinkränder im Glas hinterlässt. Der Duft ist malzig süßlich mit ein paar getreidigen Noten im Hintergrund, und ebenso zeigt sich das Bier auch beim Antrunk und auf der Zunge. Mild-süß, ohne zu zuckrig oder gar klebrig zu werden. Die Bittere ist zurückhaltend, gerade so viel, dass sie neben dem süßlichen Haupteindruck zu identifizieren ist. Retronasal tut sich nichts Aufsehenerregendes. Die leichten Malznoten und der getreidige Akzent setzen sich dezent fort, und sie begleiten das Bier auch über den Schluck hinaus bis in den Abgang. Im Rachen verschwindet das Bier ohne Aufheben. Ein Alltagsbier zum Nebenhertrinken, das sich nicht aufdrängt, aber auch nicht groß in Erinnerung bleibt. Ein Bier, von dem man gut und gerne ein paar Flaschen da haben kann, falls mal die Nachbarn, die keine ausgewiesenen Bierkenner sind, überraschend reinschneien und man sie aus guten Gründen nicht mit Konzern- oder Fernsehbier abfrühstücken möchte.
Hemminger Biermanufaktur – Hemminger Dunkles (4,9%)
Ganz in der Nähe von Hannover liegt Hemmingen, und dort findet sich die 2018 gegründete Hemminger Biermanufaktur. Noch ganz jung, aber sie hat es immerhin schon geschafft, in den regionalen Lebensmittelmärkten von Edeka, Rewe und anderen im Regal zu stehen!
Mittelbraun, gleichmäßig trüb und mit einem leicht beigefarbenen Schaum gekrönt, so präsentiert sich dieses Braunbier oder Dunkles Lager, wie es sich ausweislich des Etiketts nennt. Der Duft erinnert ein bisschen an Brotkruste, auch wenn in diesem Bier gar kein Roggen, der sonst solche Akzente setzt, verbraut worden ist. Dahinter finde ich noch eine sanft säuerliche und leicht hefige Note. Der ansonsten weiche Antrunk verstärkt den schwach säuerlichen Eindruck ein wenig, während auf der Zunge eine schön weiche Malzsüße und (retronasal) die Brotkrustenaromen die Hauptrolle spielen; in der Nebenrolle treten ein paar Kakao- und Schokoladenakzente auf. Nur eine ganz leichte Hopfenbittere deutet sich an den Zungenrändern an, sie wird auch nach dem Schluck nicht stärker und klingt recht rasch ab. Stattdessen entwickeln sich leichte Brotteigaromen, so, als sei ein klassisches Roggenbrot noch nicht ganz ausgebacken und das Innere noch etwas teigig geblieben. Das Ganze mit etwas Kakaopulver garniert … Voila! Eine interessante Geschmackserfahrung.
Liquid Story Brewing – All Night Long – Session IPA (4,5%)
Und zurück geht’s nach Braunschweig zur Liquid Story Brewing. Dieses Bier ist nicht in Berlin im BRŁO Craft Zentrum gebraut, sondern in Fulda im Hohmanns Brauhaus Fulda.
Mittelgelb und milchig trüb steht es im Glas – trüge es nicht den üppigen und schneeweißen, festen Schaum, so ginge es optisch problemlos als Fruchtsaft durch. Ananas, beispielsweise. Der Duft ist zwar auch fruchtig, geht aber deutlich in die Richtung unreifer, grüner Früchte, und auch der dezent säuerliche Antrunk unterstreicht dies. Als ich noch ein kleiner Junge war, hatten wir einen Zwetschgenbaum im Garten, und natürlich konnten wir nie abwarten, bis die Früchte endlich reif waren – und genau so riecht und schmeckt das Bier jetzt auch.
Ob das so soll? Ich weiß nicht – das Spinnendiagramm enthält keine Achse für Säure, sondern nur für „hoppy – bitter – refreshing – sweet/malty – fruity“. Bei „refreshing“ hat es einen Maximalausschlag, also vermute ich mal, dass es Absicht ist. Eine kleine ledrige Note ergänzt die Säure noch und erdet sie ein bisschen, und so wird das Bier in der Tat zu einem sehr erfrischenden Getränk. Den Maximalausschlag bei „hoppy“ schreibe ich der intensiven Fruchtigkeit zu, den immer noch recht hohen Ausschlag bei „bitter“ kann ich gar nicht so recht bestätigen. Viel Bittere spüre ich eigentlich nicht. Zwar ist der Rachen nach dem Schluck schon ein wenig trocken, aber das wirkt eher leicht adstringierend, wie eine Kombination aus Säure und Gerbstoffen, aber nicht wie eine klassische Bittere, wie sie dem Hopfen oder einem Röstmalz entstammen würde.
Ein durchaus interessantes Bier, bei dem mir aber die Assoziation zwischen der Aromatik des Biers und dem düsteren Etikett fehlt.
Heavy BREWtal – Mosh Pit – Pale Ale (5,4%)
Von Braunschweig geht es wieder ein bisschen in Richtung Westen. West-Süd-West. Bis Lauenau, wo wir neulich schon waren – bei Heavy BREWtal. Diesmal gibt’s ein Pale Ale.
Die Farbe ist dunkelgelb, fast schon orangefarben, und das Bier fließt nahezu klar ins Glas. Nur als ich es gegen das Licht halte, kann ich einen leichten opalisierenden Effekt feststellen. Der weiße Schaum hält sich vornehm zurück und macht in der kurzen Zeit zwischen Foto und Antrinken bereits den französischen Abgang. Huch, wo ist er denn hin?
Der Duft ist sehr dezent. Ein paar zitronige Noten kann ich erschnuppern, vielleicht auch ein paar herbe Akzente in Richtung Zitronenschale oder Pampelmuse. Aber das war es dann auch schon. Olfaktorisch recht zurückhaltend. Ähnlich dezent auch der glatte Antrunk und der erste Moment auf der Zunge. Ein Hauch von Malz und eine recht aromenneutrale Bittere am Zungenrand identifiziere ich, und retronasal huscht ein Zitronenhauch vorbei. Ob der Abgang vielleicht etwas mehr bietet? Nein, auch hier: Organoleptische Neutralität. Ein bisschen angenehme Hopfenbittere, die die Schleimhäute etwas trocken macht und Lust auf den nächsten Schluck weckt, aber das war es dann schon. Soll das jetzt wirklich alles gewesen sein? Keine Fehlaromen, nichts, insofern ja prima. Aber die schönen Aromen halt auch nur sehr zurückhaltend. So ist die Flasche dann bei durchaus vorhandener Trinkfreude recht rasch geleert, und es bleibt die Frage: War da was?
Heavy BREWtal – Kinkeldey 2.0 (6,0%)
Noch einmal Heavy BREWtal, diesmal aber ohne eine Anspielung auf Heavy Metal oder True Metal im Biernamen. Stattdessen die kryptische Bezeichnung Kinkeldey. Was das heißen soll? Die Auflösung gibt’s hier. Hans Kinkeldey war vor 500 Jahren ein Brauer in Rodenberg, nur wenige Kilometer von den heutigen Heavy BREWtal Brauern entfernt. Sein Bier war in der Region beliebt und wurde nach ihm auch Kinkeldey-Bier genannt. Ob dieses Bier um 1500 allerdings ähnlich geschmeckt hat, wie das, das ich jetzt im Glas habe? Wer weiß …
Kräftig kupferfarben leuchtet das Bier, ist nur ganz leicht trüb und trägt eine schöne, leicht eierschalenfarbene und recht lange haltbare Schaumschicht. Der Duft ist dezent malzig, die Aromen gehen in Richtung eines Wiener Lagers, zeigen aber im Hintergrund noch ein paar feine harzige Noten auf. Der Antrunk ist angenehm malzig und rund, und auch auf der Zunge zeigt sich ein feiner und ausgewogener Malzgeschmack, dezent garniert mit den Wiener-Lager-Aromen, die retronasal durch die Nase wehen. Sehr angenehm, dass dieses Bier nicht so intensiv ist, wie die meisten Wiener Lager, sondern deren Charakter lieber etwas zurückhaltend aufnimmt. Eine ähnliche Zurückhaltung wahrt es auch im Abgang. Eine feine Herbe ist spürbar; darüber legen sich fruchtige bis harzige Aromen, die fast ein wenig an Wacholderbeeren erinnern. Je wärmer das Bier wird, um so stärker dominieren diese fruchtig-harzigen Aromen gegenüber den Wiener-Malz-Noten.
Sollte das Kinkeldey-Bier von 500 Jahren wirklich so geschmeckt haben, dann weiß ich, warum es in der Region so beliebt war!
Calenberger Landbier – Rubin (5,5%)
Nach Bernstein nun der Rubin. Ebenfalls ein Schmuckstein. Ebenfalls aus der Calenberger Landbrauerei. Ebenfalls mit einem leicht schiefen Streifen auf dem Etikett, der mit der Farbe des Biers korrespondiert, und so bin ich schon vor dem ersten Schluck sehr gespannt.
Ein dunkles Rotbraun, eine leichte Trübung und ein feinporiger, kremiger und beigefarbener Schaum – die Optik stimmt. Der Duft ist intensiv malzig: Kräftige, für Melanoidinmalz typische Aromen, ein paar dezente, keinesfalls brenzlige Röstaromen, ein bisschen dunkler Waldhonig. Der Antrunk ist weich und rund, auf der Zunge entfalten sich die malzigen Aromen auf dem Fundament einer spürbaren, aber nicht zu intensiven Malzsüße und gleiten sachte und harmonisch rückwärts durch die Nase. Die Bittere ist sehr zurückhaltend, erst nach dem Schluck wird sie ein kleines bisschen präsenter, drängt sich aber nicht auf. Ein kräftiges, malzbetontes und durchaus sättigendes Bier.
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