Bierspenden kommen manchmal auf wunderlichen Wegen …
„Du, hier hat jemand etwas für Dich abgegeben!“ Petra, die Chefin über die BierAlp, lacht mich an. „Der weiß wohl, dass Du hier Dein 2. Wohnzimmer hast.“
Ich schaue überrascht auf das Sixpack, das sie mir in die Hand drückt: Sechs Flaschen Bier der Waldstadt Brauerei aus Iserlohn.
„Iserlohn?“, frage ich Petra. „Ich kenne niemanden aus Iserlohn!“
„Nein, den kennst Du nicht, das hat er mir gesagt“, erklärt Petra. „Er kennt Dich auch nicht, folgt Dir aber auf Deinem Blog und bei Facebook. Er macht gerade Urlaub am Alpsee und hat sich gedacht, wenn er es hier abgibt, dann erreicht es dich zuverlässig!“
„Na, da hat er aber richtig gedacht!“ Wir grinsen beide. „Der wusste wohl, dass das Bier hier nicht sehr lange auf mich warten wird …“
Vorsichtig verstaue ich das Sixpack im Kofferraum, neben den BernardiBräu-Kästen, die ich natürlich auch gekauft habe.
„Hallo Herr Quante, mit Vergnügen lese ich ihren Blog und verfolge ihre Bierbewertungen bei Facebook. Daher möchte ich meinen Urlaub am großen Alpsee gerne zum Anlass nehmen ihnen eine kleine Bierprobe zu kommen zu lassen. Die Biere kommen aus der Waldstadtbrauerei in meiner Heimat Iserlohn. Ich bin gespannt auf Ihre Bewertung.“ So steht es auf der Iserlohner-Ansichtskarte, die zwischen den Bierflaschen steckt.
So eine nette Überraschung!
So wie der Absender auf meine Bewertung gespannt ist, bin ich gespannt auf die Biere, und daher gibt es selbstverständlich auch ausführliche …
Verkostungsnotizen
Pils; Backenstreich – Bockbier; Waldstadt Winter – Iserlohner Winterbier – Edition 2021; Black Lager; Vienna Red; Pale Ale
Waldstadt Brauerei – Pils (4,8%)
„BLUF“, sagen US-amerikanische Führungskräfte gern, „Bottom Line upfront!“. Das Fazit vorneweg! Weil … Man hält sich für so wichtig, dass man das Rational dahinter eigentlich gar nicht mehr wissen will.
Streng genommen kann man sich dann die Herleitung eines Entscheidungsvorschlags sparen, denn während der „nachkleckernden“ Argumentation wird nur noch auf das gehört, was die Idee der Führungskraft (Zustimmung oder Ablehnung der Bottom line) stützt. Unvoreingenommen ist anders … „Ich weiß das auch so, ich bin nämlich der Boss.“
Was für ein mentales Armutszeugnis.
Ich mache das aber jetzt auch mal:
Bottom Line upfront: „So darf ein Pils schmecken.“
Den Rest könnt Ihr Euch jetzt sparen; Ihr braucht nicht weiterzulesen.
Das Bier strahlt strohblond in der Sonne, ist blankgefiltert und trägt eine ordentliche, schneeweiße Schaumkrone. Sieht gut aus, auch wenn vom Schaum keine Trinkränder gebildet werden. Der Duft ist klassisch pilsig, soll heißen, feine Hopfenaromen, die ins Heuartige tendieren, stehen im Vordergrund und werden nur durch einen ganz, ganz dezenten zitronig-frischen Akzent ergänzt. Der Antrunk ist spritzig, aber nicht überspundet, auf der Zunge wirkt das Bier schlank und elegant, die feine, zurückhaltende Bittere überspielt letzte Reste von Malzsüße, und retronasal sind wieder die Heuaromen zu spüren. Der Schluck bestätigt es: Ein schlanker Körper mit einer feinen, gefälligen Hopfung. Eine blitzsaubere Bittere, die durchaus stärker sein könnte, aber wenigstens gut spürbar ist, und die gerade lang genug haftet, um Lust auf den nächsten Schluck zu machen. Ein sehr schönes Bier für die derzeitige Sommerhitze.
Waldstadt Brauerei – Backenstreich – Bockbier (7,3%)
Ganz dunkelgelb (oder ist es schon hell kupferfarben?) steht das klare Bier im Glas, und es schmückt sich mit einer zurückhaltenden, schneeweißen Schaumschicht, die aber – nicht untypisch für ein Bockbier – nicht allzu lange hält. Der Duft ist intensiv malzig mit leichten Karamell- und Honignoten, aber auch feinen Aromen, die an frisch gebackenen, noch warmen Brotteig erinnern. Der Antrunk ist recht mild, und auf der Zunge gibt sich das Bier rund und vollmundig. Aber: Es ist nicht malzig und mastig, sondern weist eine für ein Bockbier recht niedrige Restsüße auf. Das gefällt! Die retronasale Aromatik nimmt die Brotteigaromen wieder auf, ergänzt sie durch diesmal noch intensivere Honignoten und schafft gerade so den Balanceakt zwischen intensiver, kräftiger Akzentsetzung und übertriebener Aromatik. Noch einen Hauch deftiger und herzhafter, und es wäre zu viel! Der Abgang bringt noch eine feine Hopfenbittere ins Spiel, und dann klingt das Bier mit einer dezenten Wärme im Rachen langsam ab.
Waldstadt Brauerei – Waldstadt Winter – Iserlohner Winterbier – Edition 2021 (6,8%)
Eigentlich ist das Bier unfiltriert, aber das lange Stehen im Bierkühlschrank hat dazu geführt, dass es ganz klar und leuchtend kupferfarben vor mir im Glas steht; der Bodensatz haftet fest in der Flasche. Die Schaumkrone ist nicht übermäßig üppig, und sie verschwindet auch verhältnismäßig rasch. Der Duft ist intensiv malzig. Wiener Malz oder Melanoidinmalz – die Duftnote erinnert ein bisschen an Keksteig, aber auch an Honig, und sie ist sehr kräftig, geradezu aufdringlich. Der Antrunk ist weich, die Spundung relativ gering. Auf der Zunge ist das Bier malzig-süß und rund, fast schon pummelig. Retronasal werden die Malzaromen erneut ein wenig aufdringlich. Es schmeckt ja nicht schlecht, aber es ist von allem etwas zu viel, um es wirklich genießen zu können. Für ein Tröpfchen-für-Tröpfchen-Verkosten wiederum ist es zu wenig, nicht komplex genug. Der Schluck offenbart zum Abschluss eine leichte Hopfenbittere, die der Malzigkeit nun ein wenig von ihrer Wucht nimmt. Aber der Versuch des Ausgleichs kommt zu spät – so richtig durchtrinkbar wird das Bier trotzdem nicht mehr.
Waldstadt Brauerei – Black Lager (4,8%)
Na bitte, liebe Leute, es geht doch! Wenn ein Bier Black Lager heißt, dann sollte es auch tiefschwarz sein. Oft genug habe ich schon mittelbraune Schwarzbiere oder dunkelrote Black IPAs getrunken. Hier aber stimmt es: Das Black Lager ist tiefschwarz! Es ist leicht trüb und bildet nur recht wenig und nicht sehr lange haltbaren, leicht beigefarbenen Schaum aus. Der Duft ist nur dezent schokoladig und hat ein paar feine Mokkaaromen. Röstaromen spüre ich kaum. Das gefällt mir – es wirkt sehr harmonisch. Der Antrunk ist weich und mild, und auf der Zunge ist das Bier fast schon kremig. Eine nur dezente Restsüße und eine ganz feine Bittere unterlegen den Schokoladen-, Mokka- und jetzt auch leichten Kakaoaromen ein feines Fundament, auf dem diese Aromen ihr komplexes Spiel aufführen können. Erst der Abgang nach dem Schluck bringt ein paar Röstaromen und einen Hauch Metall in den Vordergrund – auf dass das Bier nicht zu glatt und mild und damit vielleicht zu langweilig wird. Gerade so viel, dass alles harmonisch bleibt, aber trotzdem ein bisschen Charakter bekommt. Sehr gelungen!
Waldstadt Brauerei – Vienna Red (4,8%)
„Oh, hier hat aber jemand mit der großen Schippe aus dem Malzeimer geschöpft“, ist mein erster Gedanke, als ich das Bier einschenke und daran rieche. „Sehr intensiv für ein Wiener Lager!“
Die Farbe ist ein sehr kräftiges Rotbraun, gepaart mit einer schönen und gleichmäßigen Trübe, und obendrauf steht eine leicht beigefarbene Schaumschicht, die sehr kremig wirkt und auch recht lange hält. Der Duft ist ebenso intensiv wie die Farbe: Kräftige Malznoten mit einem nicht minder kräftigen Brotaroma. Es riecht fast schon wie in einer Bäckerei, wenn die Brote frisch aus dem Ofen kommen. Ob hier nach dem Grundsatz gebraut wurde: „Man muss ein Bier nicht mit 100% Wiener Malz brauen, man kann aber“? Weich und voll fließt das Bier aus dem Glas über die Zunge. Ein kräftiger Malzkörper mit etwas Restsüße gefällt durchaus gut, und auch retronasal machen die brotigen Aromen eine gute Figur. Sättigend ist das Ganze halt, und ich kann mir vorstellen, dass ich nach zwei, drei kleinen Flaschen dieses Biers dann auch genug haben würde. Nicht übermäßig saturierend, aber doch so, dass ich nicht den ganzen Abend lang immer nur dieses Bier trinken würde.
Die Bittere tritt gegenüber dem intensiven Malzaroma in den Hintergrund. Zwar ist sie nach dem Schuck noch für einen Moment zu spüren, aber sie bleibt höflich im Hintergrund und lässt auch in dieser späten Phase dem Malz und seinen Brotaromen gerne den Vortritt.
Waldstadt Brauerei – Pale Ale (4,8%)
Schon beim Einschenken steigen mir Tropenfruchtaromen in die Nase – allen voran Grapefruit, Mango und Ananas. Das orangegelbe, leicht trübe Bier mit dem festen Schaum duftet sehr intensiv, gut passend für diesen Stil. Da bin ich auf den Geschmack aber sehr gespannt.
Der Antrunk ist nicht ganz so spritzig, wie ich erwartet habe, und auf der Zunge macht sich das Bier unverzüglich recht breit. Eine deutliche, sehr kernige Bittere ist zu spüren, und die orthonasal noch sehr intensiven Tropenfruchtaromen machen sich retronasal ein bisschen dünn. Schmalbrüstig und zurückhaltend agieren sie; immer noch sehr schön, aber nur noch ein Abklatsch ihrer selbst. Der Schluck bringt die Hopfenbittere dann noch weiter in den Vordergrund. Kernig und knackig ist sie, und sie sorgt auch für leicht trockene Schleimhäute, die Durst auf den nächsten Schluck machen.
Ein durchaus ordentliches Pale Ale, bei dem nur die Duftintensität, insbesondere der Unterschied zwischen ortho- und retroasalem Eindruck, etwas überrascht.
Zufälle gibt’s …
Noch nie hatte ich von der Waldstadt Brauerei in Iserlohn gehört, und jetzt passiert es, dass ich nicht nur den Sixpack aus Iserlohn mit Bieren dieser Brauerei bekomme, sondern dass sich in einem anderen Bierpaket, das mir ein Bekannter zugeschickt hat, ebenfalls eine Flasche der Waldstadt Brauerei fand. Die Flasche stand irgendwo versteckt, und ich entdecke sie mit etwas Verspätung.
Es folgt also eine Zugabe gewissermaßen „außer Konkurrenz“:
Waldstadt Brauerei – Mümmelmanns Festbier (5,3%)
„außer Konkurrenz“
Oh, Mann, ich habe mir doch immer so viel auf die Ordnung in meinen Bierkühlschränken eingebildet … Und jetzt fällt mir eine Flasche Osterbier in die Hände. Wie lange ist Ostern schon wieder her? Gefühlt mindestens anderthalb Jahre!
Tja, das Mümmelmanns Festbier muss beim Hin- und Herschieben der Flaschen irgendwann mal die falsche Abzweigung genommen haben. Aber egal, jetzt wird es verkostet:
Leuchtend orange und nur leicht trüb steht es im Glas – das ist aber dem vorsichtigen Einschenken geschuldet, denn am Boden der Flasche ist noch ein fester Bodensatz erkennbar. Nach etwas Schütteln löst er sich und könnte nun, teils in kleinen Bröckchen, auch noch ins Glas gegossen werden. Mach‘ ich aber nicht. Der cremeweiße Schaum ist üppig, feinporig bis kremig, und er hält unendlich lang. Selbst als das Glas schon halt leer ist, hält er sich noch wacker und hat bis dahin auch fleißig dicke Trinkränder im Glas hinterlassen. Der Duft ist klassisch für ein Festbier: Biskuit- und kuchenteigartige Malznoten strömen intensiv in die Nase, dahinter kommen feine Brotkrustenaromen. Eine deftige, fast schon feiste Fülle, die dieses Aroma verspricht.
Der Antrunk überrascht dann: Er ist eher leicht und spritzig. Auch auf der Zunge offenbart das Bier ganz eigene Akzente: Statt einer malzigen Vollmundigkeit dominiert eine kernige Herbe. Zwar ist auch das Malz gut zu spüren, aber in erster Linie tobt sich hier der Hopfen aus. Kernig, knackig, bitter. Mir gefällt’s. Nach dem Schluck finden dann die Malz- und Hopfenanteile erneut gut zusammen. Runde, malzige Fülle klingt mit Teig- und Brotaromen nach, der Hopfen bolzt noch ein bisschen kantig und kratzbürstig im Rachen herum – beide Anteile geben sich Mühe, noch eine Weile lang präsent zu bleiben. Dem Trinker bleibt nach dem Schlucken also noch was. Und das ist in unserer kurzlebigen Zeit doch auch schon etwas, oder?
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