Der Tauschhandel blüht (34)
Sonthofen
DEU

Es geht nichts über gute Kollegen am Arbeitsplatz!

„Der Herr M. hat Ihnen eine Flasche Bier vorbeigebracht“, informiert mich mein Vorzimmer, als ich aus einer Besprechung zurückkomme.

„Der Herr M.?“, frage ich. „Das ist ja toll, aber wie kommt denn der darauf? Mit dem habe ich doch gar nichts unmittelbar zu tun?“

„Er war ja auch nur der Bote. Die Flasche stammt eigentlich vom Herrn J. aus dem fernen B. Der war in Urlaub oder auf Dienstreise oder beides. Jedenfalls auf Kreta. Dort hat er Herrn P. getroffen, und gemeinsam hatten sie die Idee, eine Flasche mitzubringen.“

Tolle Sache! Gerade auf Kreta hat sich in den letzten fünf Jahren biermäßig viel getan. Kleine und kleinste Handwerksbrauereien, wie ich sie unter anderem auch unlängst auf dem Mon Petit Festival 2022 habe kennenlernen dürfen, aber auch größere Betriebe mit Bieren, die für den Otto Normaltrinker gedacht sind. Sehr schön!

Verkostungsnotizen

Rethymnian Brewery – Cretan Kings – Mountain Beer (4,4%)

Dunkelgelb und ganz leicht opalisierend steht das Bier im Glas. Der Schaum entwickelt sich nur sehr zurückhaltend, bleibt auch recht grobblasig und hält sich nur deswegen in einer dünnen Schicht, weil er aus endlosen Ketten feiner Kohlensäurebläschen stetig genährt wird. Ich schnuppere am Bier. Leicht erdige und etwas an dunklen Waldhonig erinnernde Aromen spüre ich. Alterungsaromen vielleicht? Ich schaue mir die Flasche näher an. Könnte sein – das Mindesthaltbarkeitsdatum war gestern … Der Geschmack bestätigt meine Vermutung. Dem spritzigen Antrunk folgt ein etwas pappiges, leicht adstringierendes Gefühl auf der Zunge, das einher geht mit einer etwas rauen Bittere. Die retronasalen Aromen, die sich entfalten, harmonieren gut mit dem Empfinden auf der Zunge, erinnern sie doch an leicht feuchtgewordenen Pappkarton. Auch der Schluck bringt diesbezüglich nichts Neues – etwas Pappe, dunkle Honigaromen und eine etwas raue Bittere. Tja. Da das nicht alles erst seit gestern, seit Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums entstanden sein kann, so hat das Bier wohl unter dem Transport gelitten. Ein langer Flug unter unkontrollierten Bedingungen, dann vielleicht noch einige Tage ungekühlt in B. und schließlich erneut ein stundenlanger Transport bis nach Sonthofen. Das nimmt so ein Bier schon mal ganz schön mit. Müde und ermattet ist es dann, und vermag nur noch bedingt Freude zu bereiten.


Weitere Berichte über den Tauschhandel am Arbeitsplatz sind von hier aus erreichbar.

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