Ich liebe diese Art von Überraschungspaketen!
Eine nette Bekanntschaft: Man kennt sich vorwiegend aus dem Internet und den sozialen Medien, hat sich aber auch schon mal auf einem Bierfestival getroffen. Man kommt ins Gespräch, verschickt gelegentlich mal ein paar fleißig gesammelte Kronkorken aus der ganzen Welt, und dann kommt plötzlich als schöne Überraschung ein Paket mit Bier.
Insgesamt neun Biere, die meisten davon aus der Umgebung von München, also eigentlich gar nicht so weit weg. Und trotzdem: Fast keines davon habe ich schon getrunken. Ganz im Gegenteil, es sind Biere, die ich definitiv verpasst hätte, wären sie heute nicht in diesem Paket gewesen.
Wie schön. Und sogar noch ein kleines Glas selbstgemachte Marmelade ist dabei – Brombeer und Mirabelle. Ein guter Anlass, zum Frühstück mal wieder ein paar leckere Croissants zu kaufen!
Was die Biere anbelangt: Die gibt es natürlich eher nicht zum Frühstück – aber eine spätnachmittägliche oder abendliche Verkostung ist ja auch nicht zu verachten.
Verkostungsnotizen
Starnberg Bräu – Helles (5,1%)
Ein Helles, das nicht mit einem hellblauen Etikett aufwartet? Und noch nicht mal blau-weiße Rauten im Wappen führt? Stattdessen lindgrüne Farben? Darf sich das überhaupt „Helles“ nennen? Ich weiß ja nicht …
Dunkelgoldgelb und blank steht das Bier im Glas, und es trägt eine schöne, weiße Schaumkrone, die auch lange hält. Die Optik stimmt also schon mal. Der Duft ist malzig mit feinen Biskuitnoten und einem Hauch Schwefel. Passt auch. Ein recht weicher Antrunk, ein weicher und voller malziger Charakter auf der Zunge und am Gaumen und eine nur ganz zurückhaltende Herbe – auch das passt. Schön, dass das Bier zwar mild und süß, aber nicht zuckrig wirkt. Ordentlich! Dann noch ein weicher, runder Abgang, und ich will wohl zufrieden sein. Schön!
Doch halt, was ist das? Ich habe nicht schnell genug ausgetrunken, und jetzt, da das Bier etwas wärmer wird (geht ja zur Zeit sehr schnell bei dieser Sommerhitze), spüre ich doch eine leichte DMS-Note! Nicht der „normale“ Schwefel (Schwefelwasserstoff H2S), sondern Dimethylsulfid. Och, das ist aber schade. So wird der ansonsten wirklich gute Eindruck doch noch ein bisschen geschmälert.
Starnberg Bräu – Kellerbier naturtrüb (5,1%)
Hier haben wir jetzt das hellblaue Etikett, das doch eigentlich stilistisch auf das Helle gehört hätte …
Das Bier ist dunkelgelb, gleichmäßig trüb und entwickelt nur spärlichen Schaum, der dann leider ganz schnell zusammenfällt. Der Duft ist mild, leicht süßlich mit einem ganz leicht zitronigen Hauch. Ein spritziger Antrunk mit einer feinen Kohlensäureschärfe leitet über zu einem malzigen, leicht süßlichen (und ins Zuckrige gehenden) Eindruck auf der Zunge, den nur eine sehr zurückhaltende Bittere begleitet. Der Abgang ist überraschend neutral. Blitzschnell verschwindet das Bier, es bleibt eigentlich nichts haften, noch nicht einmal irgendwelche nennenswerten retronasalen Aromen. Geschmacks- oder Braufehler natürlich auch nicht, insofern ist das Bier als Wegzisch-Bier gut geeignet. Nicht aber dafür, um sich länger als einen Augenblick daran zu erinnern.
Weißbierbrauerei Hopf – Weißer Bock [2021 – 1 Jahr alt] (7,0%)
Das Bier ist kupferfarben und kräftig, gleichmäßig trüb. Der Schaum ist sehr kremig, bleibt aber nur in einer ganz dünnen Schicht länger erhalten – die hohe Spundung nährt ihn ständig. Der Duft ist wunderbar fruchtig – intensive Aprikosenaromen und eine sehr dezente Bananennote im Hintergrund erfreuen die Nase, aber da sind auch noch andere, estrige Fruchtaromen, die an dunkle Früchte, an Mirabellen, an reife Pflaumen und an reife, gelbe Stachelbeeren erinnern. Wunderschön!
Der Antrunk ist spritzig und ein bisschen pfeffrig scharf – da kommen zur Kohlensäure vielleicht noch ein paar Phenole hinzu, die diese pfeffrige Schärfe erzeugen? Auf der Zunge ist das Bier für einen Moment sprudelig, dann aber machen sich süßliche, leicht malzige Eindrücke bemerkbar, und retronasal dampfen die fruchtigen Ester wieder aus. Ein schönes und komplexes Erlebnis. Hopfen und Hopfenbittere sind eigentlich nicht zu spüren, stattdessen ist es die Hefe, die ganz leicht (und nach dem Schluck ein bisschen kräftiger werdend) eine zarte Bittere erzeugt, die dafür sorgt, dass das Bier nicht zu klebrig süß und damit zu rasch sättigend wird. Ein Hochgenuss.
Und das, obwohl das Bier „offiziell“ bereits seit rund zwei Monaten abgelaufen ist. Aber ein hygienisch einwandfrei gebrauter Weizenbock kann normalerweise jahrelang gelagert werden und Aromenkomplexität entwickeln. So wie dieser hier!
Irritierend ist lediglich, dass auf dem Etikett von Gewürznelkenaroma die Rede ist und ich davon aber auch nicht einmal einen Hauch schmecken oder riechen kann …
Schneider Weisse – LaBrassBanda – LoveBeer (4,9%)
Das Bier ist dunkelgelb und hat eine kräftige, gleichmäßige Trübung. Der Schaum entwickelt sich für ein Weißbier nur zurückhaltend, ist dann aber lange haltbar und gefällt mit seiner kremigen Konsistenz und der altweißen Farbe. Der Geruch ist zunächst kräftig bananig, nach mehrmaligem Schnuppern kommen dahinter aber phenolisch-würzige Aromen zum Vorschein, die teils an Gewürznelken und Kümmel, teils auch an belgische Saisonhefen erinnern. Erst nach einer Weile, als das Bier schon ein bisschen geatmet hat und wärmer geworden ist, kommen ein paar feine Fruchtaromen hervor. Renekloden? Gelbe Stachelbeere?
Der Antrunk ist erfrischend spritzig und gefällt gut, auf der Zunge und im Mundraum vermisse ich aber eine weißbiertypische Fülle. Irgendwie wirkt das Bier, als wäre es ein bisschen runterverdünnt – ein noch nicht wirklich leichtes, aber auch nicht mehr richtig vollmundiges Weißbier. Sommerfrisch, aber gnadenlos auf Massengeschmack getrimmt. Keine Ecken, keine Kanten, aber auch kein so richtig eigener Charakter mehr. Ich spüre keinen Körper, nur eine ganz feine Hefeherbe, und nach dem Schluck ist da eigentlich fast nichts mehr. Ein Hauch Hefeherbe, aber nahezu keine retronasalen Aromen – weder Banane noch Gewürze oder Phenole. Einfach nur zisch – und weg.
Vielleicht soll es ja so sein – als rundgelutschtes Sommer-Sonne-Sand-und-Strand-Bier. Aber davon gibt es doch schon so viele auf dem Markt …
Auf dem Etikett wirbt man fleißig und mit relativ viel Text: „LoveBeer ist eine musikalisch-spritzige Komposition der bayerischen Band LaBrassBanda und Bayerns ältester Weissbierbrauerei. Bei diesem naturtrüben, sommerlich frischen Weissbier geben Geschmacksnoten von Stachelbeere und weißer Holunderblüte den Ton an. Den Rhythmus und Beat kann man förmlich schmecken. Ein Geschmackserlebnis, das auf dem Gaumen nach Zugabe schreit.“
Starnberg Bräu – Weissbier naturtrüb (5,1%)
Optisch perfekt: Die dunkelgelbe Farbe, die schöne und gleichmäßige Trübung, der sehr, sehr kremige, leicht altweiße Schaum – das Bier sieht toll aus! Der Duft ist weißbiertypisch bananig mit einer ganz feinen Hefenote im Hintergrund. Auch das passt wunderbar. So sind die Erwartungen vor dem ersten Schluck riesengroß. Aber leider … Sie werden nicht voll erfüllt. Dem spritzigen, angenehmen Antrunk folgt … eine gewisse Leere auf der Zunge. Keine Fehlgeschmäcker oder Fehlaromen, das nicht, aber das Bier huscht über die Zunge und durch den Rachen, ohne einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Die kremige Mundfülle, die Optik und Olfaktorik erhoffen lassen, fehlt, und das Bier wirkt, als habe man es ein wenig runter verdünnt. Es ist immer noch ein grundsolides und ordentlich gebrautes Weissbier, das schon, aber um sich aus dem gutbürgerlichen Mittelfeld nach oben abzusondern, fehlt das gewisse Etwas. Trotzdem: Ein schönes Zischbier nach einer langen Wanderung. Fein.
Brauerei Grohe – Kleines Helles (5,1%)
Also, wie ein Helles sieht das jetzt aber nicht aus … Die Farbe ist ein kräftiges Dunkelgold! Das Bier ist klar, und der weiße, kremige Schaum bildet eine schöne Krone, die recht lange hält und schöne Trinkränder im Glas hinterlässt. Der Duft ist malzig, hat ein paar Biskuitnoten, und ein paar Honigaromen spüre ich auch. Der Antrunk bestätigt den Verdacht, der angesichts der Bierfarbe und der Honigaromen schon bei mir im Hinterkopf aufkeimte: Das Bier scheint leicht oxidiert zu sein. Trotz grundsätzlich angenehmer Sensorik spüre ich ein leichtes Adstringieren und eine Aromatik von feuchtem Karton. Der Blick auf das Mindesthaltbarkeitsdatum sagt mir, dass ich noch weit mehr als einen Monat Zeit hätte, dieses Bier zu trinken … Nach dem Schluck werden das adstringierende Gefühl und der feuchte Karton noch ein wenig fortgesetzt; ebenso spüre ich eine für ein Helles durchaus beachtliche Bittere, die noch ein Weilchen nachhängt.
Giesinger Bräu – Giesinger Sommer – A-A-A-Ale (3,6%)
Dunkelgelb mit einem Stich ins Orangene steht das Bier im Glas. Es ist kräftig trüb und trägt eine fest, unendlich lange haltbare Schaumdecke, die nicht nur wunderbar kremig ausschaut, sondern auch schöne Trinkränder im Glas hinterlässt. Der Duft ist eher zurückhaltend, weist ein paar leichte Heunoten und eine frische Fruchtigkeit auf. Die auf dem Etikett versprochenen Erdbeer- und Pfirsicharomen vermag ich nicht zu identifizieren, aber bei der Honigmelone gehe ich mit, die rieche ich.
Der Antrunk ist spritzig, und auf der Zunge zeigt das Bier seinen zurückhaltenden, angenehm ausbalancierten Malzkörper. Eine feine Malzsüße zeigt sich, daneben ist eine deutliche Hopfenherbe nicht zu verleugnen, und nach einem Moment zeigen sich retronasal nun auch ein paar erdbeerige Akzente zusätzlich zur Honigmelone. Auch den Pfirsich glaube ich jetzt, zu erahnen, aber deutlich wird er nicht unbedingt. Der Schluck ist zunächst unspektakulär. Weder kippt das Bier ins Wässrige weg, noch kommt eine komplexe Aromatik zum Vorschein. Nein, es ist nur eine ausgewogene Bittere, die gerne einen etwas runderen Malzkörper gehabt hätte, um sich dran zu stützen, die die Schleimhäute etwas trocken macht und für Lust auf den nächsten Schluck sorgt, und ein feiner Hauch von … na, jetzt endlich auch dem versprochenen Pfirsich.
Ein feines Bier für den großen Schluck im Sommer, ohne dass es den Genießer nach drei, vier Halben schon aus den Puschen haut.
True Brew Brewing Co. – Favourite Tunes – Hazy IPA (6,0%)
Uff, mal wieder eine grafisch völlig überladene Dosengestaltung. Das zentrale Motiv mit den heißen Vinylplatten auf dem alten Plattenspieler ist ja gelungen, originell und ein guter Blickfang, aber warum muss die Rückseite so gestaltet werden, dass man keine Information mit einem Blick erfassen kann? Es geht los mit der besonders in den USA weit verbreiteten Unart, auch längere Texte in Versalien zu schreiben und damit die Lesbarkeit schon mal signifikant zu reduzieren. Dann geht es weiter mit unterschiedlichen Schriften und Schriftschnitten, mit weißer Schrift auf gelbem Grund und, und, und … Da hat sich mal wieder ein Praktikant mit den Möglichkeiten der Computertypographie austoben dürfen! Puh!
Zum Glück ist das Bier deutlich besser als die Gestaltung der Dose. Kräftig gelb und für ein Hazy IPA erstaunlich wenig trüb steht es im Glas, gekrönt von einem schneeweißen Schaumberg, der sich nach einer Weile aber schön setzt und eine feinporige Schaumschicht bildet, die gut aussieht und lange hält. Der Duft ist angenehm fruchtig – ich rieche Ananas, Mango, Maracuja und etwas Mandarine (in dieser Intensitätsreihenfolge), und dahinter folgt noch eine dezent kräuterige Note – Thymian?
Der Antrunk ist ganz leicht pfeffrig, und auf der Zunge bleibt die kräftige, manchmal regelrecht unangenehme Bittere anderer extrem trüber IPAs aus. Stattdessen eine milde Herbe, eine dezente Restsüße und – vor allem! – ein paar retronasale Aromen, die das aufnehmen, was der Duft versprochen hat, eine obstige Fülle nämlich. Der Schluck setzt das harmonisch fort, offenbart nur eine feine und weiche Hopfenherbe und noch einige Aromen, die den Fruchtcharakter des Biers unterstreichen. Gefällt mir.
Vorschlag zur Güte: Schmeißt den Grafik-Praktikanten raus („irgendwas mit Medien“ kann er woanders machen) und fokussiert Euch weiter auf die Harmonie des Trinkerlebnisses!
True Brew Brewing Co. – Greetings From … True Brew – Fuel the Adventure – IPA (6,7%)
Auch hier wieder, wie schon bei der „Favourite Tunes“-Dose: Eine schöne Dosengestaltung, solange ich nur auf die Vorderseite blicke. Sehr gelungen. Aber die Rückseite? Erneut ein konfuses Chaos von unterschiedlichen Schriften und Schriftschnitten. Ich begreife es nicht. Die Rückseite dient nicht als Blickfang für den Verkauf, sondern soll informieren. Hier aber wird mir das Informieren durch albernes „Schöpfen aus dem Vollen – wir nehmen, was das Grafikprogramm an Schriften hergibt!“ unnötig erschwert. Dumm!
Zum Glück gilt auch hier: Der Inhalt ist viel besser als die Gestaltung der Dosenrückseite.
Goldgelb und nach langer, aufrechter Lagerung im Kühlschrank fast klar sieht das Bier unter seiner dicken, weißen Schaumdecke sehr appetitlich aus. Ein paar sympathische Ananasnoten im Geruch paaren sich mit einer dezenten Kaugumminote – einem Gemisch aus Hubba-Bubba und vielleicht noch etwas Gletschereis-Aroma. Hochinteressant, und da es sich nur zurückhaltend gibt, auch ansprechend, nicht wirklich künstlich wirkend. Welche Hopfensorten zu dieser Aromamelange beigetragen haben, darüber lässt sich die Dose leider nicht aus. Statt in die Grafikspielerei wäre der Aufwand besser in eine detaillierte Dokumentation investiert worden …
Der Antrunk ist verhältnismäßig weich. Angesichts der Schaummenge hätte ich mehr Spritzigkeit erwartet, bin aber zufrieden, denn so kommen die Aromen besser zur Geltung. Auf der Zunge und im gesamten Mundraum kommen (retronasal) die Kaugummi-Aromen kräftiger hervor als im Duft; stattdessen tritt die Ananas zurück in die zweite Reihe. Bevor es aber zu künstlich zu wirken beginnt, liefert der Hopfen auch eine leichte Bittere, die das Aromenspiel wieder einfängt und in eine gewisse Struktur einbindet. Der Schluck verstetigt den Eindruck – die Bittere bleibt zwar zurückhaltend, aber spürbar (ungewöhnlich dezent für ein IPA), und die Kaugummiaromen entwickeln sich langsam weiter in Richtung Bitterorange. Ein interessanter Effekt.
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