Erneut haben spannende und seltene Biere den Weg von Rödermark ins Allgäu hinter sich gebracht.
Der Biertausch funktioniert hervorragend.
Wann immer ich unterwegs auf ein interessantes Bier treffe, stelle ich davon eine Flasche an die Seite. Manchmal gelingt mir das häufiger, manchmal seltener. So dauert es dann Tage, Wochen oder vielleicht auch mal ein paar Monate, bis ich einen Karton gefüllt habe. Dann kommen noch ein paar Bierdeckel hinzu, die ich unterwegs gefunden habe, und vielleicht auch mal ein kleines Bierwerbe-Gimmick – denn der Empfänger des Tauschpakets ist Bierdeckelsammler, und die anderen Gimmicks kann er auf Tauschbörsen bestimmt gut gegen Bierdeckel eintauschen.
Und die Tauschbörsen sind es, die ihm immer die Möglichkeit geben, Biere aus Klein- und Kleinstbrauereien zu finden und in Gegenrichtung auf den Weg zu schicken.
So reisen denn nun schon seit vielen Monaten die Bierpakete zwischen Rödermark und dem Oberallgäu hin und her. Heute ist gerade wieder eines angekommen. Zwölf verschiedene Flaschen wecken meine Neugier auf das, was sich in ihnen verbirgt.
Anschließend, also nach gestillter Neugier, teile ich dann gern –zwar nicht unbedingt das jeweilige Bier, denn das ist dann ja alle, aber zumindest meine
Verkostungsnotizen
Richelbräu – Trüffelbier (5,0%)
Eher eine Hobbybrauerei als ein kommerzieller Betrieb, die Richelbräu im Münchner Ortsteil Neuhausen. Ansonsten wäre es wohl gar nicht möglich, in München ein Bier zu brauen, zu dem ausdrücklich auf dem Etikett steht „Gebraut nicht nach dem bayerischen Reinheitsgebot von 1516“. Ein Bier mit Trüffeln. Ich bin sehr gespannt.
Die Etikettengestaltung sagt mir jetzt allerdings nicht so wirklich zu. Voller Schlagworte („Schwein gehabt“, „saugut“) und Informationen, mit denen ich nicht so richtig viel anfangen kann. „Richelbräu München-Neuhausen“, das ist fast die einzige sachliche Information. Was es mit der Bezeichnung „Casa Nova Biere“ auf sich hat? Ein humoristischer Claim, der den Münchner Stadtteil Neuhausen ins Italienische überträgt. Aber warum? Habe ich heute zu schlechte Laune, oder erschließt sich mir der Humor dauerhaft nicht? Keine Ahnung.
Auch die Textbox auf der Rückseite ist – für mich! – nicht so richtig verständlich: „Es lebe das Trüffelschwein und der investigative Journalismus. Das sog. ‚Trüffelschwein‘ steht hier für Entdeckerlust und Spürsinn im Brauwesen, aber auch für die Stärkung von unabhängigem Journalismus in einer Demokratie.“ Vermutlich alles Gags und Anspielungen für Insider. Es folgt eine Zutatenliste: „Gebirgswasser, ökologisches Gerstenmalz, Hopfen, Hefe, Trüffelaroma mit Olivenöl, getrockneter und frischer Trüffel“. Dass so etwas in Bayern gebraut werden darf? Es lebe das Experiment, und ich freue mich auf eben dieses. Hoffentlich schmeckt das Bier dann auch!
Das Bier ist mittelgelb mit einem deutlichen Graustich und einer sehr kräftigen Trübung, so dass es fast schon wie ein Milkshake aussieht. Der Schaum entwickelt sich übermäßig und bleibt danach auch in festen, trockenen Flocken stehen, insbesondere am Glasinnenrand, wenn das Glas langsam geleert wird. Der Geruch ist hefig und ein bisschen erdig-dumpf, und er wirkt säuerlich. Der Antrunk ist sehr spritzig, ebenfalls leicht säuerlich, und unmittelbar danach macht sich auf der Zunge eine kratzige Bittere breit, begleitet von recht viel Schaum. Nach einem Moment, wenn das Bier ausgeschäumt hat, beginne ich, die ersten Aromen wahrzunehmen. Hefe ist wieder dabei, und auch der erdig-dumpfe Geschmack, den ich mal den Trüffeln zuordne (obwohl frische Trüffel anders riechen und schmecken, aber wer weiß, was der Brauprozess und der Alkohol im Bier diesen Aromen alles „antun“). Der Schluck verstärkt die unausgewogene, raue Bittere, und die Aromen werden weniger komplex. Der hefige Eindruck geht deutlich zurück, es bleibt eine dumpfe, jetzt auch nicht mehr so erdig, sondern eher muffig wirkende Sensorik zurück. Sowohl Bittere als auch Dumpfheit halten verhältnismäßig lange an. Insgesamt zwar originell, aber nicht wirklich gelungen – Trüffel scheinen eine Zutat zu sein, die dem Bier nicht bekommt. Experiment leider gescheitert. Schade. Aber der gute Wille zählt, und jedes Bier in Bayern, das nicht nach dem sogenannten „Reinheitsgebot“ gebraut ist, ist ein Zeichen! Ein Zeichen gegen die Arroganz der Lobbyisten.
Fusel – Schnelles Helles (5,0%)
Es gehört schon Mut dazu, ein Bier Fusel zu nennen, oder? So viel Selbstironie versteht vielleicht nicht jeder Kunde. Aber sicherheitshalber ist das auf der Website der Herstellerfirma Yanesco GmbH ausführlich erklärt: „Der Fusel. — Der Name Fusel basiert auf dem lateinischen Wort „fusilis“, welches fließend oder flüssig bedeutet. Dies bezieht sich auf den Moment, wenn eines unserer erfrischenden Getränke beim Durchfließen des Gaumens ein besonderes Geschmackserlebnis erzeugt. — Heutzutage wird unter Fusel im deutschen Sprachgebrauch vermehrt die Bedeutung billiger Branntwein oder weniger guter Schnaps verstanden. Selbstverständlich ist dies nicht auf unsere qualitativ hochwertige Auswahl zu übertragen, ein Germanist würde daher von einem Dysphemismus sprechen – eine absichtlich negative Wortverwendung zur Pointierung der eigentlichen positiven Bedeutung.“
Die Herkunft der Bezeichnung Fusel ist zwar korrekt erläutert, aber die zweite Bedeutung, die Fusel hat, nämlich eine Bezeichnung für als geschmacklich unrein empfundene Alkohole und Alkoholgemische wird nicht erwähnt. Das wäre dann vielleicht schon viel zu negativ und würde die Idee des Dysphemismus überspannen.
Na, ich bin nicht überspannt, sondern nur gespannt. Und zwar darauf, wie’s schmeckt.
Das Bier ist kräftig gelb und deutlich trüb; ein leichter Graustich macht es trotz des weißen Schaums eher unansehnlich. Der Duft ist dumpf mit einer leicht säuerlichen Note. Leider bestätigt der Antrunk, was die Nase schon vermutet: Das Bier hat einen leichten Stich. Es ist leicht säuerlich, wenig frisch und statt eines sauberen, dezenten Malzaromas dumpft es sachte vor sich hin. Hopfenaromen vermag ich keine zu identifizieren. Erdig und ein wenig brackig wirkt es. So, als wäre es schon seit geraumer Zeit jenseits des Mindesthaltbarkeitsdatums gelandet. Das ist aber nicht der Fall – ein paar Wochen hat es noch. Zur deftigen Brotzeit und mit ausgeprägtem Durst nach einem heißen Sommertag trinke ich es aus, aber eine Freude ist es leider nicht. Ein Fusel, wie es der Name verheißt, ist‘s zwar nicht, aber ein Muffel durchaus.
Hofbrauhaus Wolters – Wolters Pilsener (4,9%)
„Wolters oder wolters nicht?“, lautete der schon in meiner Jugend ständig überstrapazierte Witz zum Wolters Pilsener aus Braunschweig. Seit Jahrzehnten habe ich dieses Bier nicht mehr getrunken, und um so schöner ist es, jetzt mal wieder eine Flasche davon vor mir stehen zu haben. Hoffentlich schmeckt es aber auch so gut, wie ich es in Erinnerung habe …
Das Bier leuchtet goldgelb in der Sonne, und es ist blank filtriert. Der schneeweiße Schaum ist sehr feinporig und kremig, und er hält schier ewig. Unter der Schaumdecke verbirgt sich eine feine Hopfennase – grasige, heuartige Aromen und eine feine, eher neutrale Hopfenbittere glaube ich zu riechen. Der Antrunk ist spritzig und frisch, und der erste Eindruck auf der Zunge sagt mir sofort: So muss ein norddeutsches Pilsener schmecken. Ganz schlank, fast ohne Restsüße, mit einer gut spürbaren, aber dennoch zurückhaltende Hopfenherbe, mit heuartigen retronasalen Aromen, und ohne Fisimatenten. Kein metallischer Nachgeschmack, kein Diacetyl, kein Dimethylsulfid, sondern einfach nur klare, geradlinige Hopfencharakteristik. Der Schluck bestätigt das alles: Die sensorischen Eindrücke bleiben klar und sauber, keine Fehlgeschmäcker sind zu spüren, und hätte dieses Bier noch einen Hauch mehr Hopfenbittere, dann gäbe es die volle Punktzahl. Aber auch so: Die schönen Erinnerungen an die Jugendzeit dürfen schön bleiben – das Bier ist unverändert ein sehr schöner Trinkgenuss.
Doggo’s Crazy Brewing – frisches, unfiltriertes Bier
Was auch immer sich hinter diesem Bier verbergen mag … Das Etikett lässt auf ein Hobbybrauerbier schließen – aber was für ein Stil? Wieviel Alkohol? Wer dahinter steckt? All diese Fragen bleiben offen. Auch eine gründliche Google-Suche bringt nichts. Also trinken wir völlig unvoreingenommen ein „frisches, unfiltriertes Bier“.
Das Bier ist kräftig dunkelgelb, fast schon ins Hellkupferfarbene übergehend. Es ist gleichmäßig trüb und trägt eine zwar dünne, aber schön kremige Schaumschicht. Der Duft ist eine interessante Melange aus malzigen Kuchenteignoten, aber auch von Orangen- und Holunderblüten. Der Antrunk ist frisch und fruchtig, und auf der Zunge dominieren im ersten Moment die schon genannten Blütenaromen. Gleichzeitig bildet sich aber ein leicht viskoser Belag auf der Zunge, der die Kuchenteignoten und einen etwas hefigen Geschmack hervorbringt. Letzterer, der Hefegeschmack, findet sich auch nach dem Schluck wieder. Gepaart mit einer leicht adstringierenden Herbe überspielt er alle Fruchtnoten und verändert somit im Abgang den Charakter des Biers völlig. Interessant.
Königsbrunner Biermanufaktur – köbi Böck – Schwarzes Bockbier (6,8%)
„Inspiriert von den ersten Schritten der Whiskeyherstellung haben wir ein Bockbier entwickelt, das zwischen tiefen Malznoten und fruchtig frischem Hopfen eine facettenreiche Balance findet“, erklärt mir das Etikett.
Schön dunkelbraun und nur leicht trüb steht das Bier im Glas; der Schaum ist gelblich beige, feinporig und recht lange haltbar. Der Duft ist intensiv malzig, mit leichten Röstaromen, aber zunächst spüre ich noch nicht vom verwendeten Whiskymalz.
Der Antrunk ist sehr spritzig, und das Bier schäumt im Mund erstmal kräftig auf. Viel schöner wäre der Genuss, wenn die Kohlensäure besser eingebunden wäre, aber so wirkt das Schaum- und Sprudelverhalten eher wie bei einer frische eingeschenkten Kola. Wenn der Schaum im Mund so weit zusammengefallen ist, dass Geschmack und retronasale Aromen identifiziert werden können, kommen kräftige Röstaromen hervor – etwas Mokka, etwas Bitterschokolade, etwas Muckefuck. Dazu ein dezent säuerlicher Biss. Und dann kommt, retronasal natürlich, auch ein wenig torfige Rauchigkeit vom Whiskymalz zum Vorschein. Nur leicht, nur dezent, aber jetzt doch gut spürbar.
Der Abgang wird immer noch von der spritzigen Schaumigkeit und der feinen Säure gekennzeichnet, aber auch die Bitterschokoladen- und Röstkaffeearomen machen sich so spät immer noch bemerkbar. Es verbleibt ein leicht viskoses Gefühl auf der Zunge; die bitteren Aromen halten ziemlich lange durch, und entlang der Speiseröhre bis hinunter zum Magen entwickelt sich eine leichte alkoholische Wärme.
Wilhelms Hopven – Weizen – dasmalzigspritzige (5,5%)
„Für die Wilhelmshaven Brauerei GmbH (…) gebraut in Bremen.“ So, so. Da machen sich die Nordlichter jetzt also an den urbayerischen Bierstil heran. Da bin ich mal gespannt, denn da habe ich bisher sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Von „richtig gut gelungen“ bis „das soll ein Weizen sein?“ war schon alles dabei. Auf geht’s, ich schenke ein!
Das Bier hat eine faszinierend intensive, orangene Farbe und ist gleichmäßig milchig-trüb. Beim Einschenken haben sich schöne Wölkchen gebildet. Der Schaum ist im ersten Moment zwar zurückhaltend, aber durchaus ansprechend, zerfällt dann aber auf dem Weg vom Balkon in die Wohnung bereits zu unansehnlichen, spärlichen Resten. Im Duft liegt ein Kompromiss: Die beiden Aroma-Lager, also das Bananige vom Isoamylacetat, und das phenolisch-würzige und an Gewürznelken Erinnernde vom 4-Vinyl-Gujakol, halten sich die Waage und ergeben eine interessante Melange.
Der Antrunk ist nicht wirklich spritzig, dafür ist die Spundung nicht hoch genug, aber er ist frisch und, wie man im Englischen sagen würde, „crispy“. Zurückübersetzt wäre das „knusprig“, aber das passt beim Bier ja nicht wirklich. Typisch für ein Weizenbier, jedenfalls, dieser erfrischende Eindruck. Auf der Zunge ist das Bier mild und weich. Es changiert zwischen Banane und Gewürzen, und es hält sich bezüglich einer wie auch immer gearteten Hefe-, Röst- oder Hopfenbittere sehr zurück. Eigentlich ist es überhaupt nicht bitter, denke ich zunächst, bis dann nach dem Schluck doch noch eine feine, dezente Bittere auftaucht, die verhindert, dass das Bier gar zu süß wird.
Für ein Weizen überraschend weich und samtig, aber dennoch sehr ansprechend. Also ein Bier der „richtig gut gelungen“ Kategorie.
Waldstadt Brauerei – Mümmelmanns Festbier (5,3%)
Oh, Mann, ich habe mir doch immer so viel auf die Ordnung in meinen Bierkühlschränken eingebildet … Und jetzt fällt mir eine Flasche Osterbier in die Hände. Wie lange ist Ostern schon wieder her? Gefühlt mindestens anderthalb Jahre!
Tja, das Mümmelmanns Festbier muss beim Hin- und Herschieben der Flaschen irgendwann mal die falsche Abzweigung genommen haben. Aber egal, jetzt wird es verkostet:
Leuchtend orange und nur leicht trüb steht es im Glas – das ist aber dem vorsichtigen Einschenken geschuldet, denn am Boden der Flasche ist noch ein fester Bodensatz erkennbar. Nach etwas Schütteln löst er sich und könnte nun, teils in kleinen Bröckchen, auch noch ins Glas gegossen werden. Mach‘ ich aber nicht. Der cremeweiße Schaum ist üppig, feinporig bis kremig, und er hält unendlich lang. Selbst als das Glas schon halt leer ist, hält er sich noch wacker und hat bis dahin auch fleißig dicke Trinkränder im Glas hinterlassen. Der Duft ist klassisch für ein Festbier: Biskuit- und kuchenteigartige Malznoten strömen intensiv in die Nase, dahinter kommen feine Brotkrustenaromen. Eine deftige, fast schon feiste Fülle, die dieses Aroma verspricht.
Der Antrunk überrascht dann: Er ist eher leicht und spritzig. Auch auf der Zunge offenbart das Bier ganz eigene Akzente: Statt einer malzigen Vollmundigkeit dominiert eine kernige Herbe. Zwar ist auch das Malz gut zu spüren, aber in erster Linie tobt sich hier der Hopfen aus. Kernig, knackig, bitter. Mir gefällt’s. Nach dem Schluck finden dann die Malz- und Hopfenanteile erneut gut zusammen. Runde, malzige Fülle klingt mit Teig- und Brotaromen nach, der Hopfen bolzt noch ein bisschen kantig und kratzbürstig im Rachen herum – beide Anteile geben sich Mühe, noch eine Weile lang präsent zu bleiben. Dem Trinker bleibt nach dem Schlucken also noch was. Und das ist in unserer kurzlebigen Zeit doch auch schon etwas, oder?
Eichhörnchen – Hell (4,8%)
Erst kommt die Show, also das Marketing und das Merchandizing (inzwischen ja nur noch „Merch“ genannt), dann viele, viele Sprüche, und irgendwann am Ende … ach ja, auch noch ein Produkt. Bier in diesem Fall. Aber könnte auch alles andere sein, Hauptsache, viel Reklame und Werbegedöns.
Das ist jedenfalls der Eindruck, der sich mir aufdrängt, wenn ich von Eichhörnchen lese, der Biermarke aus Düsseldorf, die offensichtlich mehr Geld mit T-Shirts, Socken, Polohemden und digitaler Kunst in Form von Non-Fungible-Tokens (NFTs) als mit dem Bier machen möchte.
Insofern muss ich mich zusammenreißen, um möglichst vorurteilsfrei an die Verkostung des vor mir stehenden Biers heranzugehen.
Im Glas ist das unfiltrierte Bier hellgelb, und vorsichtig eingeschenkt ist es zunächst auch fast blank. Den Bodensatz kann ich problemlos in der Flasche zurücklassen, er haftet fest am Flaschenboden. Der üppige Schaum ist schneeweiß, hält sich ewig, und beim Trinken bleiben deutliche Trinkränder im Glas zurück. Schön! Der Antrunk ist extrem spritzig; das Bier wirkt überspundet. Vor lauter Schaumbildung im Mund fällt es mir für einen Moment schwer, die Aromatik zu beurteilen. Erst nach einer Weile kann ich kleine Schlucke nehmen, die nicht sofort auf der Zunge aufsprudeln.
Dann entdecke ich auch eine milde Malzwürze, ein paar angenehme Grapefruit- und Mandarinennoten, die sich retronasal entwickeln, und eine sehr dezente Hopfenherbe. Der Eindruck nach dem Schluck ist angenehm weich, die fruchtigen Noten begleiten den Abgang noch ein wenig, und dann … passiert nichts mehr. Angesichts der Sprudeligkeit habe ich auch nur begrenzt Lust auf einen sofortigen, zweiten Schluck. Die auf der Website angepriesene „Schüttigkeit“ kann ich nun leider nicht bestätigen. Trotz Abwesenheit von Fehlaromen und einem angenehmen Aromaeindruck ist das Eichhörnchen Hell kein Bier, von dem ich mehr als ein Glas pro Stunde trinken wollen würde.
Brauerei Mauerbrecher – Wild Thing Kveik – Kveik Rauchbier (6,2%)
Das Etikett gibt sich überraschend auskunftsfreudig. Neben den üblichen und rechtlich vorgeschriebenen Angaben finde ich dort diesen ausführlichen Text: „Lokal gebraute Spezialität. – Ein absoluter Mauerbrecher: Die Kombination aus fränkischer Biertradition und norwegischer Hefe. Das Wort ‚Kveik‘ ist einer der vielen norwegischen Begriffe für ‚Hefe‘. Bei dieser handelt es sich um eine alte Hefe, welche in traditionellen Farmhouse-Brauereien in Norwegen über Generationen weitergegeben wurde, hier aber erst seit Kurzem erforscht wird. Das Bier wird mit dieser Hefe bei besonders warmen Temperaturen fermentiert. So entstehen besondere Aromen von Banane und tropischen Früchten in Kombination mit einem schokoladig-rauchigen Aroma. – Unser ‚Wild Thing‘ – einfach unwiderstehlich.“
Das Bier funkelt in leuchtend rotbraunem Glanz, nur gegen eine starke Lichtquelle ist eine leichte Trübung zu sehen. Der beigefarbene Schaum ist feinporig, sieht appetitlich aus und hält ewig, so dass er beim Trinken auch schöne Trinkränder hinterlässt. Der durchaus dezente Duft wird geprägt von einer sauberen Rauchnote, die warm und angenehm holzig wirkt; im Hintergrund tauchen dann noch leicht fruchtige Aromakomponenten auf, die sich aber sehr zurückhaltend geben.
Der Antrunk ist spritzig und ein bisschen pfeffrig – recht überraschend, da ich das bei einem Rauchbier jetzt nicht unbedingt erwartet hätte. Auf der Zunge bleibt eine pfeffrige Schärfe, die sich aber mit einem nun eher die Schleimhäute belegenden, viskos wirkenden Effekt paart. Dass gleichzeitig nun auch intensive Raucharomen retronasal spürbar werden, trägt zur Komplexität des Trinkerlebnisses erheblich bei. Auch eine leicht adstringierend wirkende Bittere identifiziere ich – sie bildet ein bisschen einen Gegenpol zur Viskosität und verhindert, dass das Bier in seiner Textur zu seifig wird. Der Antrunk bringt die Bittere stärker nach vorne und macht deutlich, dass die gefühlte Viskosität nichts mit eventuellen Restzuckern zu tun haben kann – knochentrocken ist der Eindruck.
Ein hochinteressantes Bier!
Papenburger Landbier – Hell (4,4%)
„‚Den Eersten sien Dod, den Tweeten sien Not, den Drütten sien Brod – und den Veerten sien Beer.‘ Unter diesem Motto haben sich die Nachbarn Wilhelm und Hermann-Josef in ihr Brauhaus am Splitting zurückgezogen, um nach einer unverwechselbaren Rezeptur zu forschen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen – und schmecken.“ So heißt es auf der Website der Brauerei Die Bierbrauer TS OHG, auch als Papenburger Brauerei bekannt. Liest sich nett, auch wenn ich die Geschichten um „unverwechselbare Rezepturen“ nicht mehr hören kann – egal, ob sie erforscht oder hinter uralten Wandpaneelen entdeckt werden … Aber egal – es ist ein Bierrezept, und nach diesem Rezept wird das Papenburger Landbier Hell gebraut. Und so schmeckt es:
Das Bier ist dunkelgelb, kräftig und gleichmäßig trüb, und es trägt einen feinporig-kremigen, etwas hefig wirkenden, altweißen Schaum, der recht lange hält und Trinkränder hinterlässt. Der Duft ist hefebetont und erinnert ein wenig an Kuchenteig oder frisch aufgeschnittenen Hefezopf. Der runde, leicht sämige Antrunk unterstreicht den hefigen Charakter, der sich dann auch auf der Zunge deutlich bemerkbar macht. Dezente Malzsüße, intensive, hefige Bittere und ein leicht adstringierendes Gefühl auf der Zunge sind klassisch für ein unfiltriertes Helles, in dieser Intensität aber ungewöhnlich. Auch der Abgang ist sehr von der Hefe geprägt. Insgesamt ein sensorisch sehr intensives Bier für gerade mal 4,4% Alkohol.
Ostermann Braumanufaktur – Keller-Pils naturtrüb (5,0%)
Die Ostermann Braumanufaktur – eine Biermarke, die sich auf die Tradition der 1920 geschlossenen Schwerter Brauerei Ostermann beruft und ihre Biere in Oelde im Brauatelier Oelde brauen lässt, welches zu Pott’s gläserner Erlebnisbrauerei gehört.
Das kräftig gelbe, leicht und gleichmäßig trübe Bier trägt einen schneeweißen und ordentlichen Schaum, der sehr lange hält. Der Duft ist klassisch pilsig-herb, ohne Aroma-Fisimatenten, lediglich mit ein paar dezent heuartigen, kräuterigen Hopfenaromen.
Der Antrunk ist spritzig und herb, auf der Zunge macht sich sofort eine kernige Bittere breit. Restsüße spüre ich keine; das Bier ist hochvergoren und knochentrocken. Und so bleibt es auch nach dem Schluck. Eine kernige Bittere, sehr straight, ohne Spielereien. Die Hopfenbittere ist allerdings schön weich, sie kratzt nicht, sie erzeugt kein adstringierendes Gefühl – einfach nur eine saubere Biere. Ein schönes Zischbier für Nerds, die klassische Bittere zu schätzen wissen.
Privatbrauerei Ustersbach – Oberschönenfelder Helles (5,0%)
Seit 1910 wird im Kloster Oberschönenfeld kein Bier mehr gebraut, aber anlässlich des 800jährigen Jubiläums der Abtei im Jahr 2011 hat die Privatbrauerei Ustersbach ein Dunkles auf den Markt gebracht, das im Klosterstüble bis heute ausgeschenkt wird. Seit 2020 wird dieses Bier nun durch das Oberschönenfelder Helle ergänzt.
Goldgelb und blank filtriert steht das Bier im Glas; der Schaum ist zurückhaltend, schneeweiß, aber in Resten so lange haltbar, dass er beim Trinken trotzdem noch, allerdings leichte, Trinkränder hinterlässt. Der Duft ist sehr dezent malzig mit feinen Biskuitnoten.
Der weiche Antrunk verleitet zu großen Schlucken. Auf der Zunge zeigt sich das Bier malzig-süß und offenbart eine samtige Textur, die die Schleimhäute sachte belegt. Hopfenbittere ist nur ganz entfernt zu spüren. Ähnlich dezent und zurückhaltend bleibt der Gesamteindruck bis über den Schluck hinaus. Retronasal spüre ich ein paar leichte Biskuitaromen vom Malz, und die samtige Textur täuscht ein bisschen mehr Substanz vor, als tatsächlich vorhanden ist. Ein gut durchtrinkbares Bier.
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