Tosender Straßenverkehr, dahinter kleine und schmuddelige Seitengassen, ein unauffälliges Eckhaus. Warum sollte man ausgerechnet hier entlang spazieren, wo Zaragoza doch so viele wunderbare Sehenswürdigkeiten bietet? Nun, weil wir hier unser Hotel haben. Innenstadtnah, preiswert und trotzdem komfortabel. Eine gute, weil zweckmäßig Lösung.
Und gerade um die Ecke liegt eine kleine Bierbar, die wir in ihrer bescheidenen Unauffälligkeit mit Sicherheit übersehen hätten, wären wir nicht aus unserem Hotel spaßeshalber mal andersherum rausgegangen. Die Beer Corner.
eine kleine, unauffällige Eckkneipe
Als wir am frühen Abend, kurz nach achtzehn Uhr, die Tür aufdrücken, sind wir scheinbar die ersten Gäste. Der junge Mann hinter der Theke begrüßt uns freundlich und schaut uns fragend an. Ob wir wohl schon irgendwelche Wünsche hätten?
„Gemach, gemach, lass uns erstmal die Bierliste studieren“, signalisieren wir ihm, und während meine holde Ehefrau die Stühle und Tische nach Bequemlichkeit abprüft, lese ich mich durch das Angebot auf dem bunten Bildschirm. Zehn Zapfhähne gibt es in der Beer Corner, und sie sind auch alle bespielt. „Ich habe aber auch jede Menge Flaschen- und Dosenbiere!“ Der Barmann zeigt auf seine Kühlschränke.
„Was würdest Du denn von Deinen Fassbieren besonders empfehlen?“, frage ich und bekomme eine für uns überraschende Antwort: „Wenn es was Leichtes sein soll, dann das Ayinger Frühlingsbier, und wenn es eher kräftig und alkoholisch sein darf, dann den Celebrator, auch aus Aying!“ Stolz fügt er hinzu: „Das sind hervorragende Biere aus Deutschland!“
Ich grinse ihn an. „Ich weiß, wir sind Deutsche.“
„Na gut, dann ist das für Euch wohl nicht so spannend. Und das Weihenstephaner Hefeweizen kennt Ihr dann bestimmt auch schon, oder?“
Nun ja, jetzt den Kopf zu schütteln, wäre wohl gelogen.
Ich schaue rüber zu meiner Frau, die es sich schon gemütlich gemacht hat und sich die interessante Inneneinrichtung genauer anschaut. Viel Holz, das auf alt und gebraucht getrimmt ist, schwarze Wände, die mit weißen Schriftzügen verziert sind – alles sehr plakativ und kontrastreich. Gute Fotohintergründe überall. Instagramable, würde man das wohl nennen.
highly instagramable
„Och, es darf schon etwas Kräftigeres sein – es ist ja schon abends“, sagt sie und gibt mir damit quasi freie Hand für alles jenseits der Bockbier-Stärke. Ich entscheide mich für ein 6,5%iges Black IPA namens „Elvis is B(l)ack“ der Brauerei Sesma und den 7,2%igen Bock „Novakowska“ derselben Brauerei. „Einverstanden damit?“, wende ich mich um und schaue wieder zu meiner Frau. Was sich als Fehler entpuppt, denn dadurch bemerke ich nicht, dass der Barmann uns zwei große Gläser mit diesen Bieren füllt. Uff, das wird dann doch eine Herausforderung: Jeweils ein halber Liter!
Was aber natürlich auch seine Vorteile hat, denn als Gläser nimmt der Barmann die schön verzierten Brauerstutzen der Ayinger Brauerei – Gläser, die wirklich was hermachen. Stolz präsentiert er mir die frischgezapften Biere: „Die schönsten Gläser, die ich habe!“
Das Black IPA gefällt uns beiden sehr gut – die Kombination aus fruchtig-herben Hopfenaromen und röstigen Malzakzenten ist gut gelungen, die resultierende Bittere zwar kräftig-deftig, aber gleichzeitig auch sanft. Trotz ihrer Intensität. Das ist bei einem Black IPA nicht immer der Fall – meistens sind die Kontraste zu stark und das Ergebnis wenig harmonisch. Fein, das war jetzt eine gute Wahl.
Nicht ganz so zufrieden sind wir mit dem Bockbier. Ihm fehlt die Frische, fast schmeckt es schon ein wenig dumpf. Ein kräftiger Malzkörper, aber einer, der sich in Richtung erdiger Aromen hin entwickelt. Das haben wir schon besser erlebt, und da wäre der Celebrator sicher die bessere Option gewesen. Aber der Bock schmeckt immerhin noch gut genug, dass ich das Glas auch leere.
„Was machen wir jetzt mit dem angebrochenen Abend?“, frage ich meine Frau, und zu meiner Überraschung kommt die Antwort: „Jetzt trinken wir erst noch ein zweites Bier, und dann sehen wir weiter. Mir gefällt’s hier gerade.“
zwei Mal zwei hochinteressante Biere
Das lasse ich mir nicht zweimal sagen, und Augenblicke später sind die nächsten beiden Biere geordert. Diesmal in kleinen Gläsern. Allerdings sind sie auch noch ein bisschen stärker, und so gleicht sich das mit Blick auf die Wirkung sicherlich wieder aus.
Das Imperial IPA „Skaïa“ von Piggy Brewing wartet mit 8,0% Alkohol auf. Die Hopfenaromen sind prägnant, der Malzkörper richtig feist, aber leider spüren wir den Alkohol auch relativ deutlich. So spritig müsste auch ein Imperial IPA nicht unbedingt sein. Schmeckt insgesamt ganz ordentlich, aber zur Spitzenklasse gehört es nicht.
Das andere Bier stammt aus der Brauerei Laugar in der Nähe von Bilbao. Ein im Ardbeg-Fass gereiftes Russian Imperial Stout namens „Aupa Tovarisch“ mit gewaltigen 13,5% Alkohol. Ebenso gewaltig wie der Alkoholgehalt ist auch die Aromen-Intensität. Ardbeg dürfte von den Brennereien auf der schottischen Insel Islay diejenige sein, die ihren Whiskys den stärksten Torfcharakter mitgibt – und der findet sich jetzt auch in diesem Bier wieder. Pechschwarz, viskos, hocharomatisch, kernig röstig, brenzlig bitter und mit sehr, sehr intensiven Torfaromen. Ein echtes Erlebnis, aber ich mag mir nicht vorstellen, wie ich wohl hätte kämpfen müssen, wenn ich auch hier aus Versehen einen halben Liter bekommen hätte.
Ein Bier für den ganz kleinen und langsamen Schluck also.
Langsam füllt sich die kleine Bar. Menschen kommen von der Arbeit auf ein schnelles Bier, bevor es nachhause oder zum Einkaufen geht. Junge Touristenpaare, die scheinbar schon den ganzen Tag unterwegs waren, kommen herein, um, so wie wir, herunterzufahren und einen erlebnisreichen Tag abzuschließen. Ein älterer Mann schlurft an die Theke, bekommt sein Bier, leert es erstaunlich schnell, und schon ist er wieder verschwunden.
Viele der Gäste wählen die deutschen Biere – das, was uns vertraut ist und das wir deswegen nicht wählen, ist hier in Zaragoza bei den anderen Gästen sehr beliebt. Und machen wir uns nichts vor: Für ein Ayinger muss man sich auch nicht schämen. Das sind gute und ehrliche Biere, die da aus dem Münchner Umland kommen.
Für uns wird es jetzt aber langsam Zeit – wenn wir nicht rasch etwas essen, werden uns die hochalkoholischen Biere einen durchaus fordernden Abend bieten. Noch ein kurzer Rundumblick: Eine kleine, bewusst gestylte Craftbier-Bar mit einem guten und abwechslungsreichen Bierangebot. Zehn Zapfhähne, ‘zig Dosen und Flaschen, netter und kenntnisreicher Service. Das passt.
Dass es passt, denken wohl auch viele andere Gäste, denn inzwischen hat sich die Bar gefüllt. Unsere freigewordenen Plätze werden sofort wieder besetzt. Stimmengewirr und Gläserklirren erfüllen den kleinen Schankraum, und der Barmann hinter der Theke muss jetzt richtig arbeiten.
Die 2015 gegründete Craftbierbar Beer Corner ist täglich ab 18:00 Uhr, sonnabends und sonntags bereits ab 12:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Sie liegt unauffällig an einer Straßenecke, rund dreihundert Meter süd-süd-ost der Catedral del Salvador, also noch sehr zentral gelegen.
Beer Corner
C. del Heroísmo, 2
50 002 Zaragoza
Spanien
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