Es geht nichts über gute Kollegen am Arbeitsplatz!
Die Schlange der Gratulanten am Tag meiner Verabschiedung reißt nicht ab …
Freudestrahlend bekomme ich einen Sixpack in die Hand gedrückt: „Ist aus meiner Heimat, aus’m Osten. Sind zwar keine so exotischen Biere, und die kennen Sie vielleicht auch alle schon, aber kommt von Herzen!“
Und genau das ist das Wichtigste: Es kommt von Herzen.
Da wird dann auch von Herzen verkostet, oder?
Verkostungsnotizen
Lübzer – Pils; Wernesgrüner – Landbier 1436; Feldschlößchen – Urbock – Starkbier; Feldschlößchen – Schlankes; Wernesgrüner – Pils Legende; Lübzer – Urkraft
Feldschlößchen – Urbock – Starkbier (7,0%)
Das Bier ist ganz dunkelbraun mit einem rötlichen Schimmer – rubinfarben leuchtet es, wenn ich es vor eine Lampe halte. Es ist klar und trägt reichlich leicht beigefarbenen Schaum, der mittellang haltbar ist. Der Duft ist malzig, er erinnert ganz leicht an Blockmalz, aber minus die intensiven Kräuternoten, die dort oft beigemischt sind. Stattdessen finde ich leichte Röstaromen.
Der Antrunk ist relativ weich; die Spundung nicht übermäßig hoch. Auf der Zunge zeigt der Bock eine recht zurückhaltende Malzsüße und bietet stattdessen eine ordentliche, leicht röstige Bittere feil. Ein dunkler Bock, der nicht klebrig wird, sondern verhältnismäßig hoch vergoren und dadurch recht schlank wirkt. Retronasal spüre ich wieder die Blockmalzaromen, leichte Röstnoten und ein paar ätherische Tupfer obendrüber, die das Aromenspektrum interessant und vielschichtig machen. Der Schluck ist glatt, weich rinnt das Bier durch den Rachen, und feine ätherisch-frische und leicht blumige Noten ergänzen die röstigen Akzente, die auch hier noch gut wahrzunehmen sind.
Ein dunkler Bock, der nicht so sättigend wirkt wie viele andere und dadurch trotz seiner 7,0% Alkohol erstaunlich durchtrinkbar bleibt. Was gefährlich sein kann!
Feldschlößchen – Schlankes (4,9%)
Hm, bei der Bezeichnung „Schlankes“ muss ich an die unsäglichen Diätbiere denken, die vor zwanzig oder dreißig Jahren mal Mode waren. Hochvergorene Biere ohne Restzucker, für Diabetiker geeignet und oft mit alkoholfreiem Bier verwechselt, so dass der eine oder andere Autofahrer nach dem Genuss von vier, fünf Diätbieren gemütlich zum Wagen wankte und erstaunt war, irgendwie doch nicht mehr richtig fahren zu können. „Schlankes“ hört sich nicht so missverständlich an.
Das Bier ist mittelgelb, blitzblank filtriert, und es entwickelt beim Einschenken einen schneeweißen Schaum, der blitzschnell wieder zerfällt. Die Schlankheit, die im Namen steckt, fängt beim Duft schon an. Ich muss nämlich schon sehr, sehr genau hinriechen, wenn ich die feinen und schon arg dezenten heuartigen Hopfenaromen überhaupt identifizieren können möchte.
Der Antrunk ist spritzig, und der erste Eindruck auf der Zunge … nun ja, schlank. Hochvergoren. Knochentrocken. Und ein kleines bisschen adstringieren. Eine mittelstarke Hopfenherbe ist auch zu spüren. Und retronasal? Wieder fast nichts. Fast so, als sei mit dem Wegvergären aller Zucker auch jegliche Aromakomponente verschwunden. Ein ganz leicht metallischer Hauch ist vielleicht zu spüren, und ein ganz schnell verwehender Heu-Eindruck. Und so bleibt es auch bis über den Schluck hinaus. Herb, trocken, leicht adstringierend und ansonsten sehr neutral.
Während mir das Niveau der Bittere gefällt, fehlt es irgendwie an allem anderen. Kann man Hopfenbitterextrakt, also α-Säuren, in Wasser auflösen? Und erhielte man dann ein ähnliches Getränk, also mal von der Farbe und dem Alkohol abgesehen?
Wernesgrüner – Pils Legende (4,9%)
Die Farbe? Ein kräftig leuchtendes Gold. Der Glanz? Beeindruckend. Der Schaum? Schneeweiß. Der Duft? Eher malzig als pilsig.
Der Antrunk? Nicht so frisch, wie erhofft. Der Eindruck auf der Zunge? Immer noch recht malzig und für ein Pils verhältnismäßig zurückhaltend bitter. Die Aromatik? Retronasal ein paar Malz- und Honigaromen, auf der Schleimhaut eine nur dezente Bittere. Der Abgang? Jetzt endlich ein wenig bitter und mit ein paar Heu- und Grasaromen. Endlich ein Hauch Pils – aber viel zu spät.
Wernesgrüner – Landbier 1436 (4,8%)
Das Bier zeigt eine kräftige, dunkelblonde Farbe, ist klar und trägt eine mittelstark ausgeprägte, etwas großblasige Schaumkrone. Der Duft ist rund und malzig mit ein paar sehr dezenten Brotteignoten.
Der runde und sehr weiche Antrunk ist angenehm; auch auf der Zunge ist die Textur weich und fast schon samtig. Runde und malzige Fülle ist zu spüren, aber es fehlt ein bisschen an Frische. Die Hopfenbittere ist spürbar, aber zurückhaltend, und auch der Abgang ist eher vom Malz als vom Hopfen geprägt. Ein sehr vollmundiges und nahrhaftes Bier.
Lübzer – Urkraft (6,0%)
Eine kräftige Kupferfarbe, die dem Namen des Biers alle Ehre macht. Aaaber … Das Bier ist blank filtriert, und der Schaum fällt blitzschnell zusammen, so dass das Bier wie Apfelsaft aussieht. Oh, je! Der Duft ist malzig mit feinen karamelligen Noten und gefällt somit besser als die Optik!
Der Antrunk ist rund und weich, auf der Zunge ist das Bier voll, rund und karamellig; die Malzsüße ist deutlich ausgeprägt, wirkt aber nicht mastig, schon angenehm. Die Karamellaromen sind auch retronasal deutlich spürbar, und die Hopfenbittere ist eher dezent. Der Abgang bringt die Herbe einen Hauch stärker zum Vorschein; der Malzcharakter bleibt aber das dominierende Element und untermalt alles mit sehr angenehmen Karamellaromen.
Lübzer – Pils (4,9%)
Goldgelbe Farbe, glanzfeine Filterung, schneeweißer Schaum – sehr pilstypisch. Ein fast nicht wahrnehmbarer Duft – das ist eher nicht pilstypisch. Erst nach längerem Aufwärmen, Herumschwenken und intensivem Schnuppern rieche ich eine leicht metallische Note und einen Hauch von Heu.
Der Antrunk ist frisch und leicht spritzig; auf der Zunge ist das Bier sehr neutral und ausgewogen. Ein Hauch Malzsüße ist zu spüren, als echtes Pils könnte es etwas höher vergoren und trockener sein. Auch die Hopfenbittere ist sehr zurückhaltend und rückt dieses Bier stilistisch eher in Richtung Export. Der Abgang bringt dann eine leichte Trockenheit an die Schleimhäute, während sich ansonsten wenig tut. Ein aalglattes Bier ohne Ecken und Kanten; nichts, an das man sich nach dem Genuss noch erinnert.
Weitere Berichte über den Tauschhandel am Arbeitsplatz sind von hier aus erreichbar.
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