46 Jahre Biergeschichte
in einer Flasche

Ob das wohl noch genießbar ist?

Vor ein paar Wochen habe ich eine Flasche Bier aus Belgien geschenkt bekommen, gebraut in der Brouwerij Abdij Leffe. Ein Rubens-Bier. Das Alter? Hm, das sei nicht so ganz genau bekannt, aber rund vierzig Jahre dürften es schon sein, gab mir der edle Spender noch mit auf den Weg.

Ich schaue mir die Flasche genauer an. Der Alkoholgehalt ist angegeben, ebenso ein Pfand (Statiegeld) in Höhe von 2,50 Belgischen Franc, was heute ungefähr sechseinhalb Eurocent entsprechen dürfte.

Ein paar Recherchen im Internet und freundliche Hinweise von lebensälteren Biertrinkern, die damals schon auf der Welt waren, lassen mich den Jahrgang auf 1977 konkretisieren. Das war nämlich das Rubensjahr – anlässlich des 400. Geburtstags des Künstlers wurde in Antwerpen, in Belgien und überall auf der Welt gefeiert. Und eben auch dieses Bier gebraut:

Brouwerij Abdij Leffe – Rubens Bier (6,5%)

1977 durfte ich überhaupt noch kein Bier trinken – ich war erst fünfzehn. Natürlich habe ich es trotzdem gemacht, jedenfalls ab und an mal ein Probierschlückchen aus Papas Glas …

Jetzt bin ich fast einundsechzig, und es kommt die spannende Frage: Schmeckt dieses Bier denn noch? Ist es überhaupt noch irgendwie genießbar?

Nach ein paar Wochen Ruhe im Kühlschrank, selbstverständlich aufrecht stehend, damit sich eventuelle Rückstände nach dem Transport wieder absetzen können, nehme ich das Bier heute in die Hand. Der Kronkorken ist von einer so dicken Rostschicht überzogen, dass ich nicht einmal mehr sagen kann, ob er bedruckt war oder gar, welche Farbe er hatte.

Vorsichtig setze ich den Flaschenöffner an und bin erstaunt. Ich habe völlig vergessen, wie dick und robust die Kronkorken seinerzeit waren. Da war nichts mit dünnem Aluminium – das war noch dickes Blech, aus dem die gestanzt wurden. Mit viel Kraft heble ich die Flasche also auf.

Man hört nichts. Nicht das leiseste Zischen.

Vorsichtig gieße ich die Hälfte des Flascheninhalts in ein Verkostungsglas. Leises Plätschern, aber absolut keine Kohlensäure, kein Schaum. Das Bier ist völlig still. Das, was auf dem Bild als Schaum zu sehen ist, ist erst entstanden, als ich – übermütig geworden – das Bier habe kräftig ins Glas plätschern lassen.

Ich halte das Glas gegen das Licht. Eine schöne, rubinrote Farbe, keine erkennbare Trübung. Das Bier sieht blank aus – ich habe also sehr sorgfältig dekantiert.

Neugierig schnuppere ich am Glas. Ich rieche intensive Portwein-Aromen, ein paar Trockenpflaumen, und ganz im Hintergrund eine leichte, aber nicht wirklich störende, erdige Note. Wie frische Blumenerde.

Ich nippe am Bier. Mit der Zungenspitze spüre ich eine feine Süße. Kein Bizzeln, keine Säure, kein adstringierendes Gefühl. Vorsichtig nehme ich einen Schluck. Auf der Zunge spüre ich die Portwein-Aromen erneut und retronasal kommen auch die Trockenpflaumen hervor. Der erdige, etwas muffelige Akzent im Hintergrund ist kaum noch zu spüren. Stattdessen eine leichte, weinig-alkoholische Note. Noch nicht wirklich spritig, aber offensichtlich haben sich zu den sechseinhalb Prozent Ethanol auch ein paar höhere Alkohole gesellt. Nicht unangenehm.

Was auffällt, ist das Fehlen eines Körpers. Wie ein mit Wasser verdünnter Portwein, so wirkt das Bier auf der Zunge. Hopfenbittere? Fehlanzeige. Ein Hauch von Adstringenz nach dem Schluck lässt auf ein paar (wenig!) Tannine schließen, aber mehr auch nicht.

Wüsste ich nicht, dass das Bier 46 Jahre alt ist, und wüsste ich nicht, dass es überhaupt ein Bier ist – ich würde es glatt als simplen Sherry oder Portwein trinken, ohne Verdacht zu schöpfen.

Als alkoholisches Getränk also absolut noch gut genießbar, als Bier eigentlich nicht mehr erkennbar.

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2 Kommentare

  1. Hallo Volker,
    Danke für die ausführliche Beschreibung. Wir haben neulich im Kommprobier mit ganz leichtem Unbehagen ein Schlenkerla mit MHD 2015 geöffnet. Nun, Sauer- und Rauchbier geben auch eine interessante Liaison. Umso interessanter, dass dein altes Leffe nicht sauer war.
    Viele Grüße

    • Hallo, Stefan,

      danke für Deinen netten Kommentar.

      Ja, das uralte Leffe war definitiv nicht sauer – da ist seinerzeit offensichtlich extrem sauber gearbeitet worden.

      Die Schlenkerlas sind eher anfällig für’s Sauerwerden. Wir hatten mal eine Verkostung verschiedener Jahrgänge der Schlenkerla Eiche (https://blog.brunnenbraeu.eu/?p=39540), da war auch eines „schon“ nach sieben Jahren sauer geworden. Vielleicht wirkt sich da auch das Rauchmalz aus, ich weiß es nicht. Der dunkle Schlenkerla Bock sollte allerdings aufgrund seiner Stärke verhältnismäßig „immun“ gegen das Sauerwerden sein.

      Die Kombination „Rauch & Säure“ ist von manchen Brauern (Mikkeller zum Beispiel) ja mit Absicht erzeugt worden – ich mag das leider nicht. Das erinnert mich immer an „Kabelbrand in der Essigfabrik“ …

      Mit bestem Gruß,

      VQ

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