Es sind doch noch drei Wochen bis zum Heiligabend!
„Wir sehen uns vor Weihnachten ja nicht mehr, Ihr seid ja dauernd unterwegs“, sagt Uli mit gespielt vorwurfsvollem Unterton. „Ihr seid zwei Vagabunden! Ständig unterwegs!“
„Also wünsche ich Euch jetzt schon frohe Weihnachten und alles Gute im neuen Jahr. Wir sehen uns dann beim Tag der offenen Flasche oder so. Oder wir machen mal wieder ein Treffen der außergewöhnlichen Bierliebhaber!“
Strahlend drückt sie uns zwei Flaschen Bier und ein paar Blumen in die Hand. „War schön, dass Ihr heute hier wart!“
Wir freuen uns natürlich riesig. Zwei Bierspezialitäten, die wir in den nächsten Tagen oder Wochen verkosten werden. Vielleicht sogar passend direkt am Heiligabend. Wer weiß?
Verkostungsnotizen
Liefmans – Glühkriek (6,0%)
Dunkelrot, fast wie Rotwein, steht das Bier im Glas, feine Dampfwölkchen kringeln sich in der kalten Dezemberluft. Exakt 70° C haben wir eingestellt. Es duftet ein bisschen ledrig und nach weihnachtlichen Gewürzen.
Süßlich und etwas klebrig ist es, die Kirscharomen werden ergänzt von leicht holzigen Akzenten und von einer feinen Gewürzmischung. Zimt? Nelken? Orangenschalen? Wir wissen es nicht ganz genau, und ehrlich gesagt: Heute wollen wir es auch nicht wissen, sondern einfach nur genießen. Am 24. Dezember auf dem Balkon stehen und Glühbier trinken.
Alles passt!
Hoppebräu – Slyrs – Oak Aged Imperial Stout – Jahrgang 2022 (11,4%)
Tiefschwarz und leicht viskos fließt das Bier ins Glas und bildet eine schöne feinporige und kremige, bräunliche Schaumschicht, die fast schon wie Schokoladenkreme aussieht und unendlich lange hält.
Der Duft ist beeindruckend komplex. Feine Whiskynoten, ein intensiver Holzkörper und Malzaromen, die zwischen kakaoartiger Süße und feiner mokkaartiger Röstbittere changieren. Ich mag gar nicht aufhören, zu schnuppern …
Irgendwann muss ich aber ansetzen und trinken, sonst ist das Bier verdunstet … Weich und viskos fließt das Bier aus dem Glas auf die Zungenspitze, schäumt dort auf und wird für einen kurzen Moment spritzig-spitz, bevor es sich dann sämig auf der Zunge breit macht, sich an die Schleimhäute schmiegt und seine saftige Süße präsentiert. Gleichzeitig spüre ich eine intensive, aber wohlerzogene Röstbittere, und schon beginnen die flüchtigen Komponenten ihr retronasales Aromenspiel. Ist es eher Kaffee oder doch Bitterschokolade, was das Malz dort präsentiert? Wie tänzeln die Whisky- und Holzaromen mit der Süße? Gelingt es dem Mokka und der Röstbittere, ein solides Fundament zu zimmern? Wie kommt es, dass sich das Holz so wunderbar sanft geschliffen präsentiert?
Sachte steigen auch die Alkohole in die Nase auf – sie unterstreichen den Genuss dort ebenso wie tief im Hals nach dem Schluck. Das Bier versteckt seine alkoholische Kraft nicht, sondern wärmt intensiv, ohne jedoch dabei spritig zu werden.
Mit jedem Tropfen, der über die Zunge rinnt, mit jedem Ausatmen durch die Nase, mit jedem kleinen Schluck scheint mir die Aromenwelt komplexer zu werden, und ich spüre, wie sich eine tiefe Entspannung in mir breit macht. Eine Entspannung, in der die Welt um mich herum an Bedeutung verliert und ich nur noch auf die Sensorik fixiert bin …
… und deswegen an dieser Stelle auch mit der beschreibenden Lyrik ende. Ich lasse die Verkostungsnotizen Verkostungsnotizen sein und fokussiere mich jetzt nur noch auf den Genuss. Basta!
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